Stadtrat beschließt Vorkaufsrecht im Stadtosten
Gestern tagte der Regensburger Stadtrat in der Notbesetzung des Ferienausschusses in dieser Legislaturperiode zum letzten Mal. Dabei ging es harmonisch, aber nicht feierlich zu. Beschlossen wurde unter anderem ein Vorkaufsrecht der Stadt Regensburg im Stadtosten, der Interims-ZOB auf dem Keplerareal und Leitlinien für die „Smart City Regensburg“. Besonders Norbert Hartl fiel in seiner letzten Sitzung nach über 40 Jahren im Stadtrat mit einigen langen Wortmeldungen auf.
Die letzte Stadtratssitzung in der Legislaturperiode 2014 bis 2020 wird am gestrigen Mittwochnachmittag in der Notbesetzung des Ferienausschusses – 17 statt 50 Stadträte – abgehalten. Corona-bedingt und den Empfehlungen des Innenministeriums folgend, wie Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer eingangs informiert. Auch die Stadtpolitik ist im Corona-Modus. Die Stadträte sitzen mindestens einen Platz voneinander entfernt, drei städtische Referenten haben sich, um den nötigen Abstand zu wahren, ebenfalls im Plenum und nicht auf der Referentenbank platziert.
In der nächsten Periode, das kündigt die letztmals „nur“ vertretende Sitzungsleiterin an, werden Stadtratsplena wieder regulär tagen. Eigentlich wäre für die jetzt letzte Sitzung geplant gewesen, ausscheidende Stadträtinnen und Stadträte im Reichssaal feierlich zu verabschieden. Eigentlich. Das werde aber irgendwann nachgeholt, versichert Maltz-Schwarzfischer. Am Mittwoch wird lediglich Gunther Schröder, der als Leiter des Liegenschaftsamtes in den Ruhestand ausscheidet, offiziell verabschiedet. Ein Präsent wird ihm von der Bürgermeisterin ohne Handschlag und mit Sicherheitsabstand überreicht.
Stadtrat beschließt Vorkaufsrecht im Stadtosten
Schröder ist es auch, der im Zentrum der mit Abstand längsten Debatte der Sitzung steht. Er hat federführend die Vorlage für ein Vorkaufsrecht der Stadt Regensburg im Stadtosten vorbereitet, zu der insbesondere Norbert Hartl Kritik und eine Reihe an Fragen hat.
Darum geht es: Die Stadt Regensburg möchte gemäß § 25 Baugesetzbuch eine Satzung über ein besonderes städtisches Vorkaufsrecht erlassen. Das Vorkaufsrecht soll sich auf Teilgebiete des vor einem Jahr beschlossenen „Rahmenkonzepts Ost“ erstrecken, insbesondere in den Ortsteilen Irl und Irlmauth zwischen Straubinger Straße und der A3.
Das Vorkaufsrecht werde, so Schröder, „Flächenverfügbarkeit“ begünstigen, ohne die eine Umsetzung des „Rahmenkonzepts Ost“ nicht möglich wäre. Im Umfeld des Gebiets herrsche derzeit „erheblicher Grundstücksverkehr“ – daher auch die gewisse Dringlichkeit des Beschlusses – und ein Vorkaufsrecht sei hier „das mildeste Mittel“, um an für weitere Planungen nötige Grundstücke zu kommen. Für Regensburgs Stadtentwicklung ist das Rahmenkonzept Ost übrigens städtebaulich von herausragender Bedeutung.
Hartl: „Da würde ich mich aufregen ohne Ende.“
Das avisierte Vorkaufsrecht soll die Stadt künftig in die Lage versetzen, Grundstücke, die zum Verkauf anstehen, vorrangig erwerben zu können. Mehrere Stadträte, darunter Norbert Hartl und Bernadette Dechant (CSU), kritisieren, dass der mit der Vorlage gelieferte Plan den Umgriff des Vorkaufsrechts-Gebietes zu ungenau wiedergebe, da mitunter Angaben zu den jeweiligen Flurnummern fehlen.
Hartl befürchtet zudem unter anderem, dass „die Irler“ die Satzung als „Angriff“ auf ihr Eigentum betrachten werden, auch weil in der Vergangenheit zunächst eine Ortsabrundung in Aussicht gestellt wurde. „Jetzt steht da a Vorkaufsrecht für alles, was um Irl herum ist“, so Hartl. Auch für bebautes Gebiet in Irlmauth sieht er Schwierigkeiten. „Wenn ich da [Irlmauth] ein Haus hätte, dann krieg ich plötzlich für mein Grundstück ein Vorkaufsrecht von der Stadt Regensburg ins Grundbuch rein. Da würde ich mich aufregen ohne Ende.“
Vorkaufsrecht ist kein Angriff auf Eigentum
Maltz-Schwarzfischer und Schröder versuchen Hartls Unbehagen einzubremsen. Sie fände es „grenzwertig“, dass der Stadt unterstellt werde, dass sie quasi „im Nachhinein versuche auf ein Grundstücksgeschäft Einfluss zu nehmen.“ Das Vorkaufsrecht sei „keine Bedrohung“.
Schröder ergänzt, dass der Umgriff des bebauten Gebiets genau definiert sei. Ein Vorkaufsrecht komme auch nicht ins Grundbuch, sondern greife erst „im Verkaufsfall“, also wenn Eigentümer A an einen Interessenten B verkaufen wolle. Dann könne die Stadt zu den zwischen den Parteien vereinbarten Konditionen als Käufer in Erscheinung treten. Den Verkäufern entstünden keine wirtschaftlichen Nachteile. Eine Rückwirkung auf bereits vollzogene Geschäfte entfalte die Satzung nicht. Am Ende wird die Vorkaufsrechtssatzung gegen die Stimmen von Hartl und dem Brücke-Stadtrat Thomas Thurow, dem die Vorlage „insgesamt zu unscharf“ ist, beschlossen.
Interims-ZOB soll bis Dezember 2021 kommen
Alle Beschlussvorlagen werden in diesem letzten Ferienausschuss einstimmig oder zumindest mit überwältigender Mehrheit angenommen. So auch der Maßnahmenkatalog und die Gelder für den Interims-ZOB (Zentraler Omnibusbahnhof), der bis Dezember 2021 auf dem Gelände des Keplerareals zwischen Albertstraße und Ernst-Reuter-Platz entstehen soll. Dort wurde erst Ende Februar als gewichtigste vorbereitende Maßnahme der markante Wirsing-Turm gesprengt.
5,5 Millionen Euro werden für den Bau des Interims-ZOB veranschlagt, der nötig wird, weil im Bahnhofsumfeld in den kommenden Jahren weitgehende Umgestaltungen geplant und vollzogen werden. Für den Verwaltungsentwurf sind die Stadträte fraktionsübergreifend voll des Lobes. Thomas Thurow hakt nach, was es mit dem „Mast“ für Polizeiüberwachung auf sich habe. Ob eine dortige Videoüberwachung nicht erst der Stadtrat beschließen müsse. Er jedenfalls, so Thurow, wolle dort keine Kameras. Da könne die Stadt gar nichts machen, versichert Maltz-Schwarzfischer. Die Polizei mache das in eigener Zuständigkeit und sehe in diesem Bereich eben den Bedarf an Videoüberwachung.
Leitlinien statt Rahmenstrategie
Einen letzten Auftritt im Stadtrat hat auch Bürgermeister Jürgen Huber. Am Ende stimmt von den stimmberechtigten Ausschussmitgliedern nur Benedikt Suttner (ÖDP) gegen seine Leitlinien einer „Smart City Regensburg“ (SCR). Eine nahezu wortgleiche Vorlage mit dem Label „Rahmenstrategie“ war bereits im Ferienausschuss am 2. April auf der Tagesordnung, wurde von Huber aber kurzfristig abgesetzt, weil es innerhalb der Verwaltung noch Diskussionsbedarf gebe. Aus der Rahmenstrategie sind nach Abschluss dieser Diskussion „Leitlinien“ geworden, inhaltlich hat sich nichts geändert.
Ein Änderungsantrag von Stadträtin Tina Lorenz (die ebenfalls ihren letzten Auftritt hat), einen eigenen Punkt „Open Data“ in die Leitlinien aufzunehmen, wird einstimmig angenommen. Dabei geht es darum, dass die Stadt Regensburg alle nicht personenbezogenen Daten, die sie im Rahmen von Smart-City-Projekten erheben wird, der Bevölkerung maschinenlesbar und unentgeltlich zur Verfügung stellen will.
Schmuckloses Ende einer kuriosen Stadtratsperiode
Die kuriose Stadtratsperiode 2014 bis 2020 geht mit der Sitzung des Ferienausschusses am 29. April 2020 schmucklos zu Ende. Ohne den gewählten Oberbürgermeister, der am 17. Januar 2017 seine letzte Ausschusssitzung leiten durfte (Stadtplanung, Verkehr und Wohnungsfragen), ohne einen Großteil der Stadträte, ohne Verabschiedungen, große Gesten und salbungsvolle Worte.
Allein Norbert Hartl äußert am Ende einen „letzten Wunsch im Stadtrat in diesen 42 Jahren“: Dass die 500-Euro Corona-Prämie des Freistaats nicht nur an Pflege-, sondern auch an Betreuungs- und Assistenzkräfte ausbezahlt werden sollen. Er wolle keine Ungleichbehandlung in der Wertschätzung. Notfalls solle die Stadt einspringen und die Zahlung der Prämie an die bisher nicht berechtigten städtischen Mitarbeiter in Pflegeberufen übernehmen. Wie und ob das möglich sei, sei bisher aufgrund der Vorgaben der Staatsregierung unklar, schließt die ab morgen neue Oberbürgermeisterin der Stadt Regensburg. Wie dieses Kapitel ausgeht, wird sich erst in der neuen Stadtratsperiode zeigen.
Mr. T.
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Die Polizei kann wirklich einfach so eine Videüberwachung installieren, wo sie es für richtig hält?
Karin
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Scheindemokratie? Warum werden so wichtige Themen von der ‚Notbesetzung des Ferienausschusses‘ beschlossen?
XYZ
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Der alte und praktisch erfahrene Fuchserer Hartl hat bei seiner letzten Stadtratssitzung gar nicht so unrecht: Bei einem Vorkaufsrecht – sei es privat oder Kommune – tritt der Berechtigte in den Kaufvertrag zu dessen Bedingungen ein, insbesondere den qm-Preisen.
Die Kassen der Stadt R dürften inzwischen dank Corona ziemlich leer sein, die Wirtschaft steht vor einer hundertjährigen Rezession wie bei der Weltwirtschaftskrise 1929 – wer soll das denn alles bezahlen? Das beschlossene Vorkaufsrecht erscheint mir wie eine Mondnummer, die qm-Preise dürften daraufhin in den notariellen Verträgen eher steigen in Erwartung einer Ausübung des Vorkaufsrechts.
XYZ
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Das kommunale Vorkaufsrecht kann zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung oder wenn sie in ‘Betracht’ gezogen wird beschlossen werden: bestehen da einigermassen konkrete Planungen? Mir nicht ersichtlich, wohl auch eher nebulös: zuerst unbebaute Grundstücke sichern, dann planen wir sie – ob ein Flächennutzungsplan dazu ausreicht – fraglich. Und Finanzierung offen, wie denn?
XYZ
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Die im Artikel violett/schräg eingefärbten Grundstücke sind ja recht interessant: wohl landwirtschaftlich genutzt und Aussenbereich. Da kann ein allgemeines kommunales Vorkaufssrecht bestehen wenn diese Grundstücke im Flächennutzungsplan als Wohngebiete (?) dargestellt sind. Die Eigentümer erwarten dann aber zumindest Preise eines Bauerwartungslands, nicht so ganz billig.
Karl55
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@xyz
Bitte erläutern Sie mir mal wie Käufer und Verkäufer einen notariellen Vertrag beurkunden wollen, darin einen überhöhten Grundstückspreis festlegen in der Hoffnung auf Ausübung des städtischen Vorkaufsrechts? Der notarielle Käufer möchte ich da nicht sein!
XYZ
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Karl 55:
Der Notar überprüft nicht die Grundstücks-Preise sondern beurkundet den Willen der Vertragsparteien. Da können allerlei Erwartungen mitspielen, was anderes meinte ich nicht.
Mr. T.
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Theoretisch könnte man mit viel krimineller Absicht damit schon versuchen, Grundstücke teuer an die Stadt zu verkaufen. Man kann den Preis hochtreiben, allerdings muss die Stadt aber auch nicht zu jedem Preis kaufen.
Es hat auch schon öfter ganz gut funktioniert, dass sich irgendeine rechtsextreme Institution öffentlich für eine Immobilie interessiert hat, um dann die Kommune auf den Plan zu rufen, die dann wiederum die Immobilie teuer erworben hat, um zu verhindern, dass sich Rechtsextreme am Ort ansiedeln.
Aber man darf nicht immer nur das negative sehen. Mit diesem Werkzeug hat die Stadt Regensburg zumindest immer Zugriff auf interessante Lagen bevor sie dem nächsten Spekulanten direkt in die Hände fallen. Wundert mich nicht, dass da Hartl in seiner letzten Stadtratshandlung seinen Spezln nochmal Feuerschutz gibt.
Julian86
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Digitale Überwachung
Als gewählte Oberbürgermeisterin sollte GMS im Sinne von Stadtrat Thurow nachhaken: Beim Datenschutzbeauftragten / Innenministerium als Ausfluss der Selbstverwaltung im Interesse der Regensburger
“Mast“ für Polizeiüberwachung – Thurow will dort keine Kameras – die Stadt kann gar nichts machen, versichert Maltz-Schwarzfischer. Die Polizei handelt in eigener Zuständigkeit – sieht Bedarf an Videoüberwachung.
Einspruch!
Die Freiheit des öffentlichen demokratischen Raums ist das Normale. Wer in die Freiheit der Bürger eingreifen will, braucht dazu eine Rechtsgrundlage, die von tatsächlichen Voraussetzungen gefüllt wird oder eben nicht. Ob das so ist, diese Voraussetzungen abzuklären, dafür steht der Stadt Regensburg der Rechtsweg offen – als Ausfluss der grundgesetzlich verbürgten Selbstverwaltung.
Ich erwarte daher in der neuen Legislatur aus der Mitte des Stadtrats eine entsprechende Initiative. Diese kann als ersten Schritt eine Kontaktaufnahme mit dem Bay. Datenschutzbeauftragten und dem Innenministerium beinhalten.
Der Eindruck, der jetzt schon auf der Hand liegt: Ohne die künftige Entwicklung im fraglichen Areal wissen zu können, wird hier staatliche, digitale Überwachung von Hinz und Kunz in die Wege geleitet und so jedermann als potentieller Verdächtiger “geführt”. Das BVerfG hat insoweit ausgeführt, dass allein die Existenz derartigen Überwachungs-Materials das Verhalten der Menschen änderen, hin zu mehr Unfreiheit, hin zu normiertem Verhaltens. Mein Eindruck ist: Der neue Polizeipräsident will diese Überwachung, weil es sie gibt. Weil es halt geht.
Insoweit ist die Antwort von GMS an Thurow völlig unbefriedigend. An dieser Stelle sollte bei ihr ein erster Lernprozess als gewählte OB im Sinne der Freiheit von 170 000 Bürgern unverzüglich ansetzen
Sicherheit im öffentlichen Raum erziehlt man durch menschen-freundliche Gestaltung desselben, durch lichte Aufenthaltsqualität, die Begegnung der Menschen fördert und nicht durch sog. Angsträume unterbindet.
“Öffentlicher Raum als Staatsaufgabe – Öffentlichkeit als Raum der Zivilgesellschaft”
von Prof. Dr. Ulrike Lembke,
Ulrike Lembke ist Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Humboldt Universität zu Berlin
Heinricht Böll Stiftung Sachen
https://weiterdenken.de/de/person/ulrike-lembke
Dort Beiträge:
03. Dezember 2018
Sicherheit und Konsum
10. November 2018
Politik im autoritären Sog
Iris
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Feuerschutz? Das erinnert mich doch mehr an ‚Friendly Fire‘, aber man kann sich ja auch mal irren?
XYZ
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Mr. T. 08.31
Danke – es ist sicher zu versuchen Spekulanten einen Riegel vorzuschieben. Allein: eine hell-violette Fläche im FNPl – wenn das fotografisch im Artikel so rüberkam – bedeutet eine Gemeinbedarfsfläche und nicht Wohnungen, deswegen wohl besonders zu beschliessendes und nicht allgemeines Vorkaufsrecht nach BauGB – m.E. wäre es eine dringliche Aufgabe für den neuen Stadtrat den FNPl a` jour zu bringen – würde auch einige Rechtsstreitigkeiten wie bei Lago 1-3 ersparen.
XYZ
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Das Foto ist ja mal wieder herrlich: drei Personen tragen Mund- oder Spuckschutz, siebene nicht – aber Abstand gewahrt – das ist laut RKI das Wesentliche, man darf nur nicht allein auf einer Parkbank oder im Wald auf einem Baumstamm sitzen und womöglich ein Buch lesen statt sich virenfrei über r-dg zu informieren.
KW
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Liebe Redaktion,
kann man bitte in Zukunft im Zusammenhang mit dem Stadtrat das Wort Legislaturperiode vermeiden? Das gibt es nur in Parlamenten wie z.B. dem Bundestag oder den Landtagen in denen tatsächlich auch Gesetze (legis) beschlossen werden, nicht jedoch auf Gemeinderatsebene. Ein Stadt- oder Gemeinderat “regiert” nicht.
Wie man sieht wird dieser falsche Beriff auch schon von manchen Kommentatoren aufgegriffen.
Wie wäre es z.B. mit dem passenderen Begriff Amtsperiode?
Und ich finde nicht, dass dies Haarspalterei meinerseits ist.
XYZ
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KW:
Im allgemeinen völlig richtig, der Stadtrat beschliesst keine Gesetze wie die Legislative – aber auch kommunale Verordnungen und Planungen, dem Gesetzesvorbehalt untergeordnet – da muss man halt dann was davon verstehen statt Kleinkrämerei.