Stadt schlug Schnäppchen aus: Die Koalition will es nicht wissen
Koalition und CSU in seltener Einigkeit: Die fragwürdigen Hintergründe eines Immobiliendeals will man nicht wissen. Im Stadtrat verweigerte man die Kenntnisnahme eines Papiers der Linken zu 128 GBW-Wohnungen. Christian Schlegl nutzte die Gelegenheit wieder einmal zu einer Abrechnung mit der Koalition.
Ein „schräger Antrag“ sei das, sagt Oberbürgermeister Joachim Wolbergs. Über eine Kenntnisnahme – solche Beschlussvorlagen gibt es nahezu in jeder Stadtratssitzung – könne man doch gar nicht beschließen, meint Ludwig Artinger (Freie Wähler). Und Jürgen Mistol (Grüne) zweifelt zwar nicht, „dass der Kollege Spieß sorgfältig recherchiert hat“, den Wahrheitsgehalt könne er aber dennoch nicht überprüfen.
Kurz: Am Mittwoch lehnte die Koalition in seltener Einigkeit mit der CSU zwei Anträge der Linken zu ehemaligen GBW-Wohnungen ab. Tatsächlich schräg: Auf Empfehlung von Oberbürgermeister Wolbergs wurde selbst die Kenntnisnahme eines Hintergrundpapiers zum nicht getätigten Kauf von 128 GBW-Wohnungen Ende 2013 abgelehnt.
“Nicht wirtschaftlicher” Kauf war sehr lukrativ
Wie berichtet wurden die Wohnungen in der Herrmann-Geib-Straße der Stadt seinerzeit zum Preis von rund 9,5 Millionen Euro angeboten – ein Quadratmeterpreis von 1.471 Euro. Auf Basis einer minimalen Beschlussvorlage lehnte der Stadtrat den Kauf seinerzeit in nichtöffentlicher Sitzung ab. Die Argumente: 1. Der Kauf sei nicht wirtschaftlich. 2. Das Geld sei besser in den Bau neuer Wohnungen investiert. 200 könne man für zehn Millionen bauen, wenn man in Betracht ziehe, dass man bei zehn Millionen zusätzliche 30 Millionen als zinsgünstigen Kredit aufnehmen könne.
Für den Münchner Immobilieninvestor Domicil, der anstelle der Stadt zu einem Quadratmeterpreis von 1.400 Euro zuschlug, erwies sich der Kauf dagegen als gutes Geschäft. Binnen eines Jahres konnte man Wohnungen für 2.300 Euro pro Quadratmeter verkaufen – eine Rendite von mehr als 60 Prozent.
“Hochwertige energetische sanierte Wohnanlage mit aktuellsten Standards”
Auf seiner Internetseite preist Domicil die angeblich nicht wirtschaftlichen Wohnungen nach wie vor mit folgender Beschreibung an:
Regensburg Kasernenviertel
ART 50 – eine hochwertige energetische sanierte Wohnanlage mit aktuellsten Standards. Das Objekt ist gekennzeichnet mit Funktionalität und klar gegliederten Fassadenbildern. Die Architektur definiert sich durch eine auf modern ausgestatteten, zweckmäßig aufgeteilten und vielfältigen Innenleben aufbauende Gesamtform. Die Anlage ist gekennzeichnet von einer gekonnten Verbindung von ästhetischen Gestaltungsprinzipien und technischen Erfordernissen – ART 50.
Bei der Miete gab es zwischen 2012 und 2015 dagegen Steigerungen von 5,80 auf 9,40 Euro pro Quadratmeter (Weil die Stadträte Norbert Hartl und Jürgen Mistol diese Recherchen in der gestrigen Sitzung in Zweifel zogen, ein Hinweis: Diese Angaben sind mit Unterlagen gesichert.).
Wolbergs: „Dieses Thema muss endgültig beerdigt werden.“
Das Argument „mangelnde Wirtschaftlichkeit“ der Wohnungen mochte bei der Stadtratssitzung am Mittwoch niemand mehr ins Feld führen. Stattdessen ging es darum, dass das Geld besser in den Bau neuer Wohnungen investiert sei, als in den Kauf ehemaliger GBW-Wohnungen. Deren Mieter seien durch eine Sozialcharta im Zuge des Verkaufs und das allgemeine Mietrecht„ausreichend gesichert“, so OB Wolbergs. „Das reicht aus.“ Entsprechend sei auch der zweite Antrag von Spieß, eventuelle andere Käufe ehemaliger GBW-Wohnungen zu prüfen, abzulehnen. „Dieses Thema muss endgültig beerdigt werden“, so Wolbergs.
Etwas anders argumentierte SPD-Fraktionschef Norbert Hartl. Der Verkauf der GBW-Wohnungen im Zuge der BayernLB-Pleite sei der eigentliche Fehler gewesen. Schuld daran sei die CSU-Staatsregierung. Linken-Stadtrat Richard Spieß habe nicht unrecht, wenn er sage, dass es beim jetzigen Weiterverkauf der ehemaligen GBW-Wohnungen darum gehe „Reibach zu machen“. „Aber diese Suppe können nicht wir als Kommune auslöffeln.“ Beide Anträge – Kenntnisnahme und Bitte um Prüfung eventueller Käufe – seinen abzulehnen.
“Sie werden ein Debakel erleben.”
Christian Schlegl (CSU) nutzte seine Wortmeldung zu einer erneuten Abrechnung mit der Wohnungspolitik der bunten Koalition. OB Wolbergs und die Koalitionäre hätten zwar recht: Der Vorschlag der Linken sei „aberwitzig“ und „eine Verschwendung von Steuergeldern“, die man besser in den Bau neuer Wohnungen investieren sollte. „Aber das tun Sie nicht“, so Schlegl in Richtung Koalition. Wolbergs habe bereits sein Wahlversprechen von zehn Millionen jährlich für die Stadtbau gebrochen. „Und alle Bauvorhaben, die jetzt kommen, wurden schon unter der CSU begonnen.“
Die Koalition dagegen habe kein Rezept und keine neuen Vorschläge. „Sie können hundertmal sagen, dass an den jetzigen Problemen 18 Jahre CSU – darunter sechs Jahre mit der SPD – schuld sind, aber trotzdem muss von Ihnen was kommen, sonst werden Sie ein Debakel erleben.“
Die Anträge der Linken-Fraktion wurden gegen deren Stimmen und die der ÖDP abgelehnt. Vor allem über die Ablehnung der Kenntnisnahme des ersten Papiers zeigt Stadtrat Richard Spieß sich enttäuscht. „Diese Haltung ist völlig lächerlich. Sie ignorieren Tatsachen. Das ist wirklich schade.“
Lothgaßler
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Ich wollt, ich könnte Wolbergs, Hartl, Artinger, Mistol und Schlegl für irgendetwas loben, aber ich find nix. Die Einigkeit in dieser Sache die Kenntnisnahme zu verweigern bzw. endgültig zu beerdigen und totzuschweigen spricht für sich. Gab es denn gar keinen Stadtrat bzw. keine Stadträtin bei SPD, CSU, FDP, FW oder den Grünen, die anderer Meinung waren? Schwer zu glauben, schon eher haben die sich wieder nicht getraut.
Umso mehr Dank ich der Linksfraktion und der ÖDP.
Was unterscheidet unsere führenden Politiker von Immobilien-Kaufleuten? Die Politiker bauen unrentable Fußballstadien, die Immo-Kaufleute topsanierte Wohnungen. Wer landet im Schwarzbuch für Steuerverschwendung? Genau!
Mr. T
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Die hätten ja die Wohnungen kaufen, mit 60% Gewinn verkaufen und dann 320 Wohnungen bauen können ;-)
Gut, das allerdings hätte bedeutet, die Stadt hätte sich an Immobilienspekulationen beteiligen müssen. Wär wohl auch nicht gut angekommen. So schaut’s auf jeden Fall blöd aus. Vor allem so lange die als Argument dienenden 200 Wohnungen auch nicht gebaut werden. Übel auch, wie das jetzt unter den Tisch gekehrt werden soll.
Doris Freising
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„Dieses Thema muss endgültig beerdigt werden“, sagt Jemand, der sich und dem Bürger nicht bewußt machen möchte, dass er MITVERANTWORTLICH ist! Das Nichterkennen oder Abstreiten von Schuld hat er sowohl von seinem OB-Lehrmeister als auch von seinem Fraktionsvorsitzenden gelernt. Leider werden sie für ihr Handeln zulasten der Bürger nicht zur Rechenschaft gezogen.
buona zuppa
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Die Suppe GBW-Wohnungen und das vom Steuerzahlerbund kritisierte Stadion hat die CSU zusammen mit der SPD in engster Liebe gekocht. Das ist doch Fakt, oder?
Schaidinger-Altlast: Stadtbau zahlt 24 Millionen und wird verklagt » Regensburg Digital
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[…] Als der Stadtrat 2015 auf Antrag der Linken darüber diskutierte, warum die Stadt zwei Jahre zuvor b…, machte sich insbesondere auch Oberbürgermeister Joachim Wolbergs die von seinem Vorgänger Hans Schaidinger ins Feld geführte Argumentation zu eigen, derzufolge dieses Geld besser in den Bau neuer Wohnungen investiert sei. 200 könne man für zehn Millionen bauen, wenn man in Betracht ziehe, dass man bei zehn Millionen zusätzliche 30 Millionen als zinsgünstigen Kredit aufnehmen könne. Nimmt man dieses Argument für bare Münze, dann hätte man für 24 Millionen Euro über 400 Wohnungen bauen können. […]
„Wir sind die Verarschten!“ » Regensburg Digital
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[…] der früheren CSU-Bürgermeisterin Hildegard Anke zu einem völlig überhöhten Preis oder dem Verzicht auf den Schnäppchenkauf ehemaliger GBW-Wohnungen – bestritt CSU-Stadtrat Christian Schlegl die Notwendigkeit, zurückliegende […]