17 Nov2008
Spektakeltheater für die Kleinsten
Wer sich anschauen will, wie gerne die Stadt ihre Kultur hat, solange sie harmlos und lieb ist, der sollte das Kindermusical „Der Lebkuchenmann“ (Premiere: 15.11.2008) im Velodrom nicht verpassen. Inszeniert von Edda Klepp wird da getanzt, gesungen, gewuselt und moralisiert, was das Zeug hält
Die Kinder können sich sofort mit dem verspielten überdimensionalen Bühnenbild eines Küchenschranks von Rainer Sellmaier identifizieren: Die Figuren agieren genau wie sie – klein und verloren zwischen den Geräten einer Riesenwelt; die Großen wissen jetzt immerhin, wo die 40.000 Euro geblieben sind, die das Theater Regensburg für seine neue Kindertheatersparte von der Stadt bekommen hat.
Die Geschichte ist schnell erzählt: Der frisch gebackene Lebkuchenmann wird von Senorita Pfeffer, Herrn Salz und Herrn von Kuckuck, die allesamt auf dem Küchenschrank leben, gefunden. Da Herr von Kuckuck einen Frosch im Hals hat und droht, auf dem Müll zu landen, ist eine Rettungsaktion von Nöten, die allerdings in die Gefilde des biestigen alten Teebeutels führt. Dann muss auch noch Flitsch, die hungrige Mafia-Maus, niedergerungen werden. Einige mit dem Holzhammer vermittelte Lektionen über Leben, Freundschaft, und Über-seinen-Schatten-springen; später ist alles wieder gut, Herr von Kuckuck gesund, der alte Beutel nicht mehr einsam, Flitsch eingesperrt und der Lebkuchenmann darf bei seinen Freunden auf dem Regal bleiben.
In einem Musical, das ist bekannt, wird nach Möglichkeit getanzt und gesungen. Mitreißend ist vor allem der Lebkuchenmann-Song(energetisch gespielt und gesungen von Roman Blumenschein), der Rest der Musik kommt eher als poppige Soße daher, passenderweise mehrfach hervorgerufen durch Anschalten eines Mega-Radios. Die Choreographie (verantwortlich: Sara Leimgruber) wirkt oft gezielt auf kindliche Lacher gestrickt und damit kantig und abgehackt; man wird das Gefühl nicht los, als ob die Schauspieler sich ab und zu beim Schritte zählen verhaspeln. Auch gehen die groß gestikulierende Choreographie und der Gesang gerade in der Anfangssequenz nicht Hand in Hand: Señorita Pfeffer (Johanna König) gerät da schon mal aufgrund mangelnden Lungenvolumens beim Singen und Springen außer Puste, während Herr Salz (Jürgen Fischer)nicht immer den Ton trifft.
Nach dem temporeichen ersten Drittel des Stückes verlangsamt sich die Erzählgeschwindigkeit zur Mitte hin deutlich – die weinerliche Geschichte des alten Teebeutels (Silvia Rhode/Ruth Müller) ist so pathetisch wie fad; erste Stimmen aus dem Zuschauerraum werden laut: „Mama, wie lang dauert’s noch?“ Gruselig ist anders. Auch die wiederkehrende Intervention der „Großen“ in die Spannungskurve der Geschichte kann das Tempo nicht mehr merklich steigern – einzig der Auftritt von Flitsch, der Mafia-Maus (genial mausig: Christoph Bangerter), schafft ein erneutes Interesse am Plot. Bangerter springt, rennt, schnüffelt und ficht mit Kuckucks-Uhren-Zeigern, dass die Atmosphäre im großen Auditorium merklich gespannter wird; Bangerter schafft es, trotz antagonistischer Rollenauslegung, ein echter Sympathieträger zu sein, seine Figur hat klar die meisten Lacher.
Letzten Endes aber ist aus dem Stück die Luft raus, der erneute Abgesang auf den Lebkuchenmann am Ende wird von den sichtlich ermatteten Darstellern nur noch mit Mühe als temporeich verkauft. Die liebevollen Gestaltungsideen (die Zahnstocher, die immer mal wieder als Degen oder Instrument dienen, das riesige Kalenderblatt, in das Flitsch eingewickelt wird) haben meist mehr Potential als im Endeffekt ausgespielt wird; beim Betrachten des Stückes bekommt man den Eindruck, Theater für Kinder müsse vor allem krachen und offensichtlich moralisch sein. Außerordentlich schade, dass den kleinsten Zuschauern nicht mehr zugetraut wird. Nichtsdestotrotz ein amüsantes und größtenteils kurzweiliges Erlebnis für kalte graue Vorweihnachtszeitnachmittage.
Der Lebkuchenmann
Von David Wood, deutsch von Angela Kingsford Roehl und Heidi Zerning.
Inszenierung: Edda Klepp
Musikalische Leitung: Jochen Kilian
Choreographie: Sara Leimgruber
Bühne und Kostüm: Rainer Sellmaier
Mit: Paul Kaiser, Jürgen Fischer, Johanna König, Roman Blumenschein,
Silvia Rhode, Ruth Müller, Christoph Bangerter