Spektakel des Schreckens
Todesstrafe im frühneuzeitlichen Regensburg
Ausstellung mit Begleitpublikation in der Staatlichen Bibliothek Regensburg
Im Zuge von Retrokatalogisierungsmaßnahmen an der Staatlichen Bibliothek Regensburg, die für die Digitalisierung der urheberrechtsfreien Bände zusammen mit Google notwendig waren, wurde in einem Band aus dem 16. Jahrhundert ein spektakulärer Fund gemacht: Auf der letzten Seite des Buches findet sich eine handschriftliche Liste von zum Tode verurteilten Personen. Angelegt wurde dieses kulturgeschichtlich wertvolle Dokument von Georg Sigismund Hamann, einem Beisitzer des Regensburger Stadtgerichts an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert. Akribisch notierte Hamann zwischen 1594 und 1606, wer in seiner Amtszeit zum Tode verurteilt worden war und v. a. warum diese Strafe verhängt wurde. Für die Menschen des 21. Jahrhunderts, geprägt vom Erbe der Aufklärung, muten die Bestrafungen dieser Zeit ungemein grausam an. Richard van Dülmen hat die Strafrechtspraxis jener Zeit mit „Theater des Schreckens“ treffend umschrieben. Allerdings strebte die Rechtsprechung jener Zeit nicht die Besserung des Verurteilten an, sondern versuchte vielmehr durch körperliche Strafen an demjenigen, der die hergebrachte Ordnung verletzt hatte, das Recht wiederherzustellen. Daher mussten schon aus dem Gedanken an Wiedergutmachung und Abschreckung heraus die Strafen ebenso schrecklich sein wie es das zu bestrafende Vergehen war. Sonst hätten die Strafen ihren eigentlichen Zweck verfehlt. Die Notizen Hamanns legen von dieser Auffassung beredtes Zeugnis ab. Wie die Aufzeichnungen weiterhin zeigen, wurden in der Zeit an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert in der Hauptsache in Regensburg Diebstähle und Mord bzw. Totschlag verhandelt. Insgesamt 26 Fälle notierte Hamann. Darunter befand sich eine verurteilte Kindsmörderin, die zuerst mit glühenden Zangen gerissen und anschließend in der Donau ertränkt wurde. Für schweren Diebstahl und Räuberei war die Hinrichtung durch das Schwert üblich, nach eingetretenem Tod wurde der Verurteilte zur Abschreckung oftmals auf das Rad geflochten. Und ein Mann, welcher der Sodomie für schuldig befunden worden war, wurde verbrannt. Die Liste Hamanns ist somit ein wichtiges Dokument zur Geschichte des Strafgerichts in der Reichsstadt Regensburg. Für die Stadt Regensburg mit ihren rechtsarchäologischen Zeugnissen, wie der jährlich von ungezählten Touristen besuchten historischen Folterkammer, ist die Aufarbeitung der frühneuzeitlichen Strafrechtsgeschichte ein noch nicht genügend aufgearbeitetes Kapitel Stadtgeschichte. Hamanns Liste ist hierzu ein entscheidendes Mosaiksteinchen, zumal viele Akten aus dieser Zeit im 19. Jahrhundert verloren gingen. Und nebenbei zeigt der Fund wieder einmal sehr eindringlich, dass alte Bücher oftmals erstaunliche Überraschungen bergen.
Die Ausstellung wird am 2. Dezember 2015 um 20 Uhr eröffnet. Sie ist bis Ende Februar im Foyer der Bibliothek zu sehen.
Es ist auch ein Begleitheft erschienen, das zum Preis von 3,- € in der Bibliothek erhältlich ist.