Schöne Grüße aus dem KZ
Ist es nicht skandalös, dass vor lauter Beschäftigung mit den Tätern, die Auseinandersetzung mit den Opfern viel zu wenig Raum einnimmt? Dieser Vorwurf ist vielfach gerechtfertigt – und geradezu makaber mutet es an, dass heute in der ehemaligen KZ-Außenstelle von Flossenbürg, im Colosseum in Stadtamhof, Luxusapartements entstanden sind, die von komplett Ahnungslosen bewohnt werden. Umso wichtiger und wertvoller sind daher die Beiträge der „ArbeitsGemeinschaft ehemaliges KZ Flossenbürg e. V.“, die sich 1986, nach neuerlichen Schändungen der Grab- und Gedenkstätte gründete. Der Verein stellt sich vor allem die Aufgabe, die Zusammenhänge, die Bedingungen der Entstehung und der Auswirkungen des nationalsozialistischen Unrechtssystems am Beispiel des KZ Flossenbürg zu erforschen und die Ergebnisse allen Bürgern, insbesondere Jugendlichen, zu vermitteln. Mit der Ausstellung „Erinnerung – Werke von Künstlern im KZ Flossenbürg“ ist dies eindrucksvoll gelungen.
Die noch im Lager entstandenen Werke sind meist Auftragsarbeiten für SS und Kapos, die sich von begabten Häftlingen Grußkarten zeichnen ließen: Ein Tannenzweiglein mit Kerze, eine Neujahrskarte, die einen Betrunkenen und ein fettes Schwein an einer Weinflasche nuckelnd zeigt sowie einen bunter Blumenstrauß. Die Diskrepanz zum Alltag im Vernichtungslager könnte größer nicht sein. Ferner hatten KZ-Insassen Hitlerportraits zu kopieren oder wurden gezwungen, verlogene Fälschungen in Form idyllischer Lageransichten herzustellen – für die Wohnzimmer der SS-Chargen und ihrer Freunde. Miloš Volf karikiert in seinen Aquarellen seine Stellung als Blockschreiber, er zeichnete und kolorierte unter Bedingungen, die kunstfeindlicher und lebensgefährlicher nicht sein konnten. Um der Sensationslust vorzubeugen, die Ausstellung ist keine Schau exzeptionelle Kunst, sie ist eine Dokumentation des Grauens, die sich der Mittel der Kunst bedient.
Der Großteil der Ausstellung aber zeigt Bilder, die in den Jahren unmittelbar nach der Befreiung entstand sind. Niemals verblassende Alpträume in schwarz und grau, eine stumme Prozession zum Totengerippe ausgemergelter mit Gesichtern ohne Ausdruck. Bei einigen der Flossenbürg-Insassen dauerte es bis in die 70-er oder 80er Jahre, ehe sie dem Erlittenen künstlerisch Ausdruck verleihen konnten. Karl Stojka gelingt dies in art brut-Manier besonders überzeugend, das Rosa des Winkels wird bei ihm zur
Die Werke der zeitgenössischen Maler Theo Scherling und Tom Gefken, stellvertretend für eine Reihe von Künstlern aus der Generation der Nachgeborenen, umrahmen die Original-Werke der Flossenbürg-Häftlinge.
Die letzten KZ-Überlebenden werden in wenigen Jahren kein mündliches Zeugnis der Gewaltherrschaft mehr ablegen können. Das literarische und bildnerische Vermächtnis der Todgeweihten wird in wenigen Jahren alles sein, was von ihnen und ihrem Schicksal geblieben ist. Daher ist die Ausstellung „Erinnerung“ ein kostbares Vermächtnis. Unser Sprachvermögen versagt, dieses in angemessener Form zu würdigen.
Hinweise: Am 23. April wird der Überlebenden Tadeusz Sobolewicz, der in der Außenstelle Colosseum inhaftiert war, in der Ausstellung anwesend sein.
Vom 28. bis 30 April 2008 erläutert Helga Hošková-Weissová, die einzig bekannte Künstlerin, die im KZ Flossenbürg inhaftiert war, ihre ausgestellten Werke.
Die Homepage der „Arbeitsgemeinschaft ehemaliges KZ Flossenbürg e.V.“ (www.arge-kz-flossenbuerg.de) sollte jeder Internetnutzer in seiner Favoritenliste speichern. Darauf findet sich u. a. der höchst lesenswerte Offene Brief an Oberbürgermeister Hans Schaidinger vom Juli 2007 mit der Forderung nach einer zentralen Gedenkfeier an jedem 24. April für die so genannte Neupfarrplatzgruppe, für die Ermordeten Michael Lottner, Dr. Johann Meier, Johann Igl und Josef Zirkl, die verschleppten und ermordeten jüdischen und politisch missliebigen Bürger Regensburgs und die Häftlinge des KZ-Außenlagers Colosseum.
Die Ausstellung im Historischen Museum Regensburg (Dachauplatz 2 bis 4) ist nur noch bis zum 4. Mai zu sehen.