Schlachthof: Ein Investor ohne Angst vor Kultur?
Einstimmig ist die Entscheidung im Stadtrat gefallen. Nach einer „qualitätsvollen Diskussion“, wie Oberbürgermeister Hans Schaidinger erwähnt. Am Donnerstag wurde in nichtöffentlicher Sitzung der Verkauf des knapp sieben Hektar großen Schlachthof-Areals beschlossen. Am Freitag lud die Stadt Regensburg zur öffentlichen Pressekonferenz mit der neuen Eigentümerin, der Vivico Real Estate.
Das Unternehmen hat bei dem europaweiten Vergabeverfahren den Zuschlag zur Entwicklung des Quartiers erhalten, genauer gesagt hatte sich die Vivico als einziger Investor bis zum Schluss an dem Verfahren beteiligt.
Bis 2007 war die Immobiliengesellschaft Vivico ein staatliches Unternehmen, dann wurde es an die österreichische Aktiengesellschaft CA Immo verkauft. An größeren Projekten hat die Vivico in der Vergangenheit etwa den Zollhafen in Mainz oder den Arnulfspark und die Isargärten in München entwickelt. „Wir sind auf die Entwicklung von Quartieren spezialisiert“, so Hauptgeschäftsführer Bernhard H. Hansen. Mit Monokulturen habe man nichts am Hut.
„Denkmalschutz und Kultur schrecken uns nicht ab“
Was soll nun auf dem Schlachthof-Gelände entstehen? In Teilen hat Hansen bereits ziemlich konkrete Vorstellungen. 45.000 Quadratmeter Wohnen, 22.000 für Gewerbe, Büros und Gastronomie. Motorisierten Durchgangsverkehr soll es in dem Viertel, das – so die Vorstellungen von Vivico – bis 2016 fertig gestellt sein soll, nicht geben. Im Innenbereich haben Fahrräder und Fußgänger Vorfahrt.
Die Hallen des Alten Schlachthofs sollen komplett erhalten, denkmalgerecht saniert und einer „adäquaten Nutzung“ zugeführt werden. „Denkmalschutz und Kultur schrecken uns nicht ab“, so Hansen. Damit habe man bereits mehrfach Erfahrungen gesammelt.
Der Leiter des Amts für Wirtschaftsförderung, Manfred Koller, der die Vermarktung und Entwicklung des Quartiers in den letzten Jahren federführend betreut hat, spricht von Unternehmen aus dem Bereich „Kreativ- und Kulturwirtschaft“, mit denen man derzeit in Gesprächen über eine Ansiedlung in den Schlachthof-Hallen sei. Ein Teil der Hallen solle möglichst einer öffentlichen Nutzung zugeführt werden.
Ein selten gutes Viertel, aber schwierig zu vermarkten
„Wir wecken hier ein Viertel aus dem Dornröschenschlaf, das es in so einer Qualität kaum noch in Regensburg gibt“, jubiliert Planungsreferentin Christine Schimpfermann. Warum es dennoch so schwierig war dieses Viertel zu vermarkten, warum die Stadt zunächst gar damit gerechnet hat, bei der Entwicklung draufzuzahlen, macht OB Schaidinger an vier Gründen fest.
Zum einen habe es mit der Stadt auf der einen und dem Hafen auf der anderen Seite zwei Eigentümer mit unterschiedlichen Interessen gegeben. „Wir sind manchmal schon sehr knirsch aneinandergeraten“, so Schaidinger. Schlussendlich aber einigte man sich, die Stadt kaufte die Flächen des Hafens und warf sie in den Pool an Verhandlungsmasse mit Vivico.
Als zweiten Grund nennt Schaidinger den notwendigen Erhalt der Schlachthof-Hallen, für die angesichts ihrer exponierten Lage und Stellung im Viertel auch eine entsprechende Nutzung gefunden werden müsse. Doch auch hier scheint die Lösung für Vivico kein Problem zu sein.
Ein drittes Problem sei die von widerstreitenden Interessen geprägte Lage zwischen Wohn-, Industrie- und Hafengebiet.
Letztes und schwierigstes Problem seien die, angesichts einer „absurden Rechtssprechung“, schwierigen Rahmenbedingungen („Düsseldorfer Urteil“) für die Vermarktung der Fläche gewesen. Dass Vivico auf diesem Gebiet bereits über einschlägige Erfahrungen verfüge, sei mit der Hauptgrund gewesen, weshalb die Gesellschaft der einzige Bewerber geblieben sei.
Der Preis? Eine „vernünftige schwarze Zahl“
Bereits im Mai soll die Aufstellung eines Bebauungsplans für das nun endgültig unter dem Namen „Marina-Quartier“ firmierende Schlachthof-Gelände beschlossen werden. Wenn das reibungslos über die Bühne geht, soll nächstes Jahr ein städtebaulicher Vertrag mit Vivico geschlossen werden. 2014 sollen die ersten Gebäude stehen. 2016 will man, wie erwähnt, fertig sein.
An Bürgerbeteiligung wolle man es nicht fehlen lassen, versicherte Manfred Koller am Rande der Pressekonferenz. „Da wird lieber eine Veranstaltung zu viel als zu wenig gemacht.“
Auf welchen Kaufpreis sich die Stadt mit dem Unternehmen geeinigt hat, wollte der Oberbürgermeister auch auf mehrfache Nachfrage nicht sagen. Das verstoße gegen die Gemeindeordnung. „Ich weiß gar nicht, warum da immer von Heimlichtuerei geredet wird. Das machen alle so und zwar seit über 60 Jahren.“
Man habe eine „vernünftige schwarze Zahl“ aushandeln können, ließ Finanz- und Wirtschaftsreferent Dieter Daminger lediglich verlauten. Frühere Kalkulationen seien davon ausgegangen, dass die Stadt bei der Entwicklung des Quartiers „einige Millionen“ draufzahlen werde. Man könne zufrieden sein und das habe auch der Stadtrat so gesehen.
Veits M.
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Einstimmige Entscheidung. Umfängliche Bürgerbeteiligung angekündigt: “„Da wird lieber eine Veranstaltung zu viel als zu wenig gemacht.“ Manfred Koller
Merke: Nicht die Beteiligung als solche ist das entscheidende Kriterium. Sondern: Dass der Input der Bürger als “Fachleute” ihres Quartiers auch tatsächlich(!) in die Gestaltung einfließt.
Wie das geht?
DÜRFEN
WOLLEN
KÖNNEN
die Bürger das leisten? Das sind die Krtierien, die der Neumarkter Landrat seit Jahr und Tag den “Seinen” zur Umsetzung aufgibt.
Die Entwicklungskriterien finden sich im Regensburg-Plan 2005.
http://www.regensburg.de/sixcms/detail.php/15807
War davon im Vorfeld die Rede? Sind dessen von der Bürgerschaft mit erarbeiteten Ziele in die Rahmenplanung bereits eingeflossen? Beste Gelegenheit der Bürgervereine sich machtvoll einzubringen.
schorsch
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ein schelm wer böses dabei denkt, das ausgerechnet ein sich in österreicher besitz befindliches konsortium dem zuschlag erhielt.
der hansi ist bei seinen immobilienfreunden nach wie vor genauso gut vernetzt wie bei den anderen ösis, von denen mal eben so ne schrottbank gekauft wurde, würd ich sagen
peter sturm
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das a und o ist nun in der tat die bürger b e t e i l i g u n g . das beinhaltet mehr als die nachträgliche information über vorher gefasste entscheidungen.
ich bin sehr gespannt, wie engagiert die stadt und die firma vivico diesbezüglich noch sein werden.
Herbert Ninding
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Eine von hoher Transparenz in wichtigen Haushalts- und Zukunftsfragen gekennzeichnete Methode der Bürgerbeteiligung kommt – man höre und staune – aus einem sogenannten Entwicklungsland: In Porto Alegre, Brasilien wurde diese Art einer direkten Bürgerbeteiligung in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt.
Sie ist mittlerweile auch in manchen Kommunen Bayerns (sieh auch Bürgerforum Emsdettenkonferenz mit Bürgerhaushalt/http://www.emsdetten.de/) praktiziert und fand über das Forschungsprojekt „Europäische Bürgerhaushalte“ Eingang in die wissenschaftliche Literatur. Dazu wurden fünf Kriterien erarbeitet, um eine qualitative Vergleichsmöglichkeit der einzelnen Beteiligungsintensitäten herzustellen:
1. Im Zentrum des Verfahrens stehen finanzielle Aspekte, genauer gesagt die Diskussion um begrenzte Ressourcen.
2. Die Beteiligung findet auf der Ebene der Gesamtstadt oder einem Bezirk mit eigenen politisch-administrativen Kompetenzen statt (die Quartiersebene allein reicht nicht).
3. Es handelt sich um einen in der Dauer angelegten Prozess (eine Veranstaltung, oder ein Referendum über Finanzfragen sind kein Bürgerhaushalt).
4. Die Beratung/Entscheidung der Bürger beruht auf einem Diskussionsprozess im Rahmen besonderer Treffen/Foren (die Öffnung bestehender Verfahren der repräsentativen Demokratie gegenüber „normalen“ Bürgern ist kein Bürgerhaushalt)
5. Die Organisatoren müssen über die Ergebnisse der Diskussion Rechenschaft ablegen. Quelle: http://www.buergerhaushalt-europa.de/
Eine nachhaltige Beteiligung hat mit der Qualität der Methode zu tun und bietet sowohl für die Bürgerschaft als auch für die Verantwortungs- und Entscheidungsträger hohe Effizienz: Es entstünde eine breite Initiative für und nicht gegen eine Zukunftsplanung der Stadt.
An Bürgerbeteiligung wolle man es nicht fehlen lassen, da werde lieber eine Veranstaltung zu viel als zu wenig gemacht, meinte Manfred Koller. Also nun denn: Regensburg kann sich als europäische „Beteiligungs-Hauptstadt“ profilieren, sich in die Phalanx der kooperierenden Städte einreihen und zu einem „fröhlichen Hafen“ (…Porto alegre…) für seine Bürgerinnen und Bürger entwickeln.
Veits M.
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Zu @ Herbert Nindings
trefflichen Darlegungen ein Beispiel aus Berlin
http://www.berlin.de/ba-friedrichshain-kreuzberg/buergerbeteiligung/
Dort wie hier in Regensburg (Marina Quartier z.B.) ginge es vornehmlich auch um die Gestaltung des öffentlichen Raums, um dessen Zurückeroberung als ur-demokratischen Raum. Solcherart bürger- und demokratiefreundliche Entwicklung stünde natürlich den Renditebestrebungen der Investoren Wege; daher erscheint es so wichtig, dass die Politik – auch durch bürgerschaftlichen Druck und Engagement – Rahmen und Leitplanken vorgäbe, die demokratisches Miteinander auf AUGENHÖHE förderte.
grace
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was mich interessieren würde:
-wird das ein (frontier) closed area?
-in das man nur mit written permit reinkommt?
-ist für die uferzone (sieht nach Jachthafen aus) no trespassing vorgesehen?
Übrigens: die österreichische CA-IMMO als Eigentümer von Vivico sind hier am Start.
peter sturm
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“Das machen alle so und zwar seit über 60 Jahren.“
könnte sein, dass dieses “argument” mal überprüft werden sollte. so alle 60 jahre mal.
Sanfter Wahlkampfauftakt | Regensburg Digital
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[…] will man auf dem Gelände des Alten Schlachthofs, das man ja vor geraumer Zeit an den Immobilienkonzern CA Immo verkauft hat – höchstwahrscheinlich, möglicherweise und vielleicht – „kulturmäßig etwas […]
„Moderate Preise“ für (fast) alle Einkommensschichten | Regensburg Digital
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[…] Die Begründung dafür bleibt recht schwammig. Das Areal wurde erst 2011 verkauft (damals an die C.A. Immo, die mit etwa 30 Prozent der Fläche mittlerweile nur noch Junior-Partner bei der […]
„Nur Lederhose“: Kulturhalle ad acta gelegt | Regensburg Digital
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[…] zurückgezogenem) Vorschlag der Grünen, die Halle zurückzukaufen. Er erinnerte daran, dass der Verkauf des Schlachthof-Areals an die C.A. Immo im März 2011 „einstimmig beschlossen“ worden sei und dass just die Verpflichtung für den Investor, auch die […]
Ein saugutes Geschäft » Regensburg Digital
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[…] so erhielt der einzige Bieter denn auch den Zuschlag vom Stadtrat. „Einstimmig“ und „nach einer qualitätsvollen Diskussion“, ließ der damalige Oberbürgerme… 2,6 Millionen Euro soll die C.A. Immo nach aktuellen Informationen unserer Redaktion für die […]