Uni macht Rückzieher in letzter Sekunde
Über zwei Jahre wehrte sich die Uni Regensburg gegen die Festanstellung eines Dozenten. Schon beim hiesigen Arbeitsgericht blitzte man unter deutlichen Worten ab. Die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht zog die Universität in letzter Minute zurück. Den Steuerzahler dürfte der Spaß rund 30.000 Euro kosten.
Dr. Rainer Barbey und sein Rechtsanwalt Ralf Weinmann schauen etwas verduzt drein, als der Richter ihnen gegen 13 Uhr noch vor dem Saal eröffnet: „Die Berufung wurde heute Vormittag zurück gezogen.“ Weder Weinmann noch Barbey hatten mit so einer Option gerechnet, geschweige denn, dass sie darüber informiert waren. Erst wenige Tage zuvor hat die von der Universität Regensburg beauftragte Kanzlei nochmal einen fast 40 Seiten dicken Schriftsatz geschickt.
Später stellt sich heraus: Erst wenige Stunden vor Prozessbeginn gab es ein Fax an Gericht und Weinmann, in dem beide über die Rücknahme der Berufung informiert wurden. „das hätte man auch etwas kollegialer machen können“, meint Weinmann, freut sich aber dann mit seinem Mandanten Rainer Barbey, dem nun rückwirkend eine Festanstellung an der Universität zusteht.
Zusätzlich zur Rechtsabteilung: Uni engagierte zwei Kanzleien
Über zwei Jahre hatte sich die Universitätsleitung dagegen gewehrt und neben der eigenen Rechtsabteilung dafür auch zwei externe Anwaltskanzleien beschäftigt. Allein die Prozesskosten für beide Instanzen belaufen sich auf rund 7.000 Euro – die Arbeitskraft der unieigenen Juristin nicht mitgerechnet. Ein halbes Jahr musste sich Barbey im Zuge der juristischen Auseinandersetzungen arbeitslos melden – niedrig geschätzt muss die Universität dafür jetzt 20.000 Euro an die Arbeitsagentur erstatten.
Wie mehrfach berichtet war Barbey fünf Jahre lang war er als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Universität beschäftigt. Immer wieder befristet – auf Basis des „Gesetzes über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft“ (WissZeitVG). Im September 2013 lief sein letzter Arbeitsvertrag aus. Anträge auf eine Entfristung, die auch von Barbeys Vorgesetzten und Studenten unterstützt wurden, stießen bei der Universitätsleitung auf taube Ohren.
Hintergrund
Die Leiharbeiter der Hochschullehre
Dann wäre auch ein Hausmeister Wissenschaftler
Prozess-Hanselei an der Uni
Rechtsfehlerhafte Beschäftigung an der Uni
Der Literaturwissenschaftler klagte und berief sich auf ein Urteil aus dem Jahr 2011. Das Bundesarbeitsgericht hat darin unter anderem sehr detailliert festgelegt, was unter Wissenschaft bzw. wissenschaftlicher Tätigkeit im juristischen Sinne zu verstehen ist, die wiederum Voraussetzung dafür ist, um nach dem WissZeitVG befristet beschäftigt zu werden.
Richter an Uni: „Zwar viele schöne Worte, aber keinerlei Substanz“
Bereits am Arbeitsgericht Regensburg erhielt die Universität im März 2014 eine deutliche Abfuhr mit ihrer Auslegung des Gesetzes. Weder aus dem Arbeitsvertrag noch aus dem gesamten Gepräge von Barbeys Tätigkeit lasse sich ableiten, dass er wissenschaftlich tätig sei, so der Vorsitzende Richter damals. Wenn man das WissZeitVG so auslegen würde, wie die Universität dies versuche, „dann hieße das auch, dass ein Hausmeister, der nebenbei noch Zeit zur wissenschaftlichen Arbeit hat, ein Wissenschaftler wäre“. Die Universität liefere in ihren Schriftsätzen „zwar viele schöne Worte, aber keinerlei Substanz“.
Beirren ließ sich die Rechtsabteilung der Uni davon nicht. Noch im Gerichtssaal kündigte die zuständige Sachbearbeiterin damals an, in Berufung zu gehen. Für das Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht engagierte man zusätzlich eine Münchner Kanzlei. Dieses Vorgehen ist umso erstaunlicher, weil das LAG erst im September 2014 den nahezu gleich gelagerten Fall eines Dozenten an der LMU München zu dessen Gunsten entschieden hatte.
Angst vor einer zweiten Watschn?
Warum die Berufung nun unmittelbar vor einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zurückgenommen wurde, darüber können Barbey und sein Rechtsanwalt Weinmann nur spekulieren. Möglicherweise wollte man sich aber nicht auch in zweiter Instanz ein derart deutliches Urteil wie das aus Regensburg einfangen. Barbeys Fall hat nämlich einen gewissen Vorbildcharakter.
Zur Zeit sind – nicht nur an der Universität Regensburg – mehrere Rechtsstreitigkeiten mit Beschäftigten anhängig, deren Anstellungsverhältnis nach dem WissZeitVG befristet wurde. Bereits Anfang 2014 war die Universität Regensburg in die Schlagzeilen geraten, weil sie ihre Studiengangskoordinatoren nach dem WissZeitVG befristet beschäftigt hatte – eine rechtsfehlerhafte Praxis, wie das Wissenschaftsministerium der Universität damals bescheinigte.
„Weitreichendes Sonderarbeitsrecht“
Nach Schätzungen der Gewerkschaft GEW sind bundesweit rund 200.000 Dozenten des „Mittelbaus“ von immer wieder befristeten Zeitverträgen betroffen. Die GEW spricht in diesem Zusammenhang von einem „weitreichenden Sonderarbeitsrecht“. Die große Koalition diskutiert derzeit deshalb über eine Gesetzesänderung.