Rocker-Prozess: Verteidigung lehnt Richter wegen Befangenheit ab
„Völlig unkritisches Verhalten gegenüber Zeugen, die offensichtlich lügen“, die Weigerung, Verfahrensakten zum Kronzeugen beizuziehen und fehlende Aufklärung zum angeblichen Tatmotiv – das sind die Gründe, mit denen die Verteidigung im Bandidos-Prozess den Vorsitzenden Richter Georg Kimmerl wegen „Besorgnis der Befangenheit“ ablehnt.
Betretene Miene bei Georg Kimmerl. Im Namen der gesamten Verteidiger-Riege im Rocker-Prozess verliest Rechtsanwalt Helmut Mörtl soeben einen Antrag, in dem er den Vorsitzenden der fünften Strafkammer am Landgericht Regensburg ablehnt – wegen „Besorgnis der Befangenheit“. Damit dürfte sich das Verfahren um eine Auseinandersetzung zwischen konkurrierenden Rockern von den Bandidos und dem Gremium MC im Dezember 2010 in Straubing weiter in die Länge ziehen.
„Vielzahl von Geschehnissen“
Es sei eine „Vielzahl von Geschehnissen“ gewesen, die die Verteidigung zu diesem Schritt bewogen hätten, so Mörtl. „Diese haben bei der Verhandlung am 20. August ihren Höhepunkt gefunden.“ Der konkrete Anlass für den Antrag der Verteidigung war die Vernehmung des Zeugen Klaus L. am Donnerstagvormittag. Dieser hatte sich dabei in erhebliche Widersprüche verstrickt.
Während er etwa bei seiner polizeilichen Vernehmung 2010 noch angegeben hatte, dass er sich in der Kneipe aufgehalten haben, die gegenüber dem „Blackout“ liegt, vor dem die Auseinandersetzung stattgefunden haben soll, will er sich nun direkt vor dem Blackout beim Rauchen aufgehalten haben. Hatte er 2010 gegenüber der Polizei noch angegeben, bei den fünf angeklagten Bandidos keine Waffen gesehen zu haben, will er nun doch solche erkannt haben. Während er aussagt, den bei der Auseinandersetzung verletzten Wirt, ein Mitglied des Gremium MC, nicht gekannt zu haben und gleich nach Hause gefahren zu sein, sagte eine andere Zeugin aus, Klaus L. sei sogar zu dem Verletzten ins Krankenhaus gefahren.
Trotz Widersprüchen: „Nicht eine einzige kritische Nachfrage“
Zutage getreten seien diese Widersprüche ausschließlich durch Nachfragen der Verteidigung, so Rechtsanwalt Mörtl. Richter Kimmerl hingegen habe „nicht eine einzige kritische Nachfrage“ gestellt. Der Vorsitzende zeige „ein völlig unkritisches Verhalten gegenüber Zeugen, die offensichtlich lügen“. Entsprechend habe Kimmerl auch den Antrag der Verteidigung abgelehnt, die Aussage von Klaus L. wegen des Verdachts einer Straftat in der Sitzung – uneidlicher Falschaussage – zu protokollieren.
Ein weiterer Grund für die Ablehnung ist Kimmerls Weigerung, dem Antrag der Verteidigung stattzugeben, die gefordert hatte, die Akten über sämtliche Verfahren beizuziehen, die jemals gegen den Kronzeugen der Staatsanwaltschaft, Ralph K. gelaufen seien.
Wie berichtet, hatte der frühere Präsident des Bandidos-Chapters Regensburg gegenüber der Staatsanwaltschaft eine „Lebensbeichte“ abgelegt. Dabei hatte er auch die Version der Anklage in Teilen bestätigt, derzufolge es sich bei der Auseinandersetzung in Straubing um einen gezielten Angriff der Bandidos auf den MC Gremium gehandelt habe. K. wurde im Gegenzug für seine Lebensbeichte ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen und wurde wegen zweier Delikte – ein Deal mit gestohlenen Baggern und Marihuana-Schmuggel im Bereich zwischen einem und zwei Kilo – zu lediglich vier Jahren Haft verurteilt. Weitere Zusagen habe es nicht gegeben, heißt es in einer Stellungnahme der Staatsanwaltschaft.
Keine Aufklärung über Zusagen an den Kronzeugen
Im Zuge seiner Vernehmung kam allerdings nach hartnäckigen Nachfragen der Verteidigung heraus, dass mindestens zwei weitere Verfahren von erheblich größerer Dimension – Schmuggel von 500 Gramm Crystal und fünf bis sechs Kilogramm Amphetaminen – eingestellt wurden. Möglicherweise ist das nur die Spitze eines Eisbergs: An mindestens der Hälfte von 268 Verfahren, die im Zuge von K.s Lebensbeichte in Gang gesetzt wurden, soll er laut Aussage eines Kripobeamten beteiligt gewesen sein. Was aus diesen Verfahren wurde, ist nicht bekannt.
Es stehe aber „für alle Verfahrensbeteiligten“ fest, dass die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen nur eingeschätzt werden könne, wenn alle Unterlagen über gegen ihn gelaufene Verfahren bekannt seien, so Mörtl. „Nur so kann man die Motive für seine belastenden Aussagen richtig einordnen.“ Doch der Vorsitzende Richter verweigere dies.
Keine Aufklärung über zweifelhaftes Motiv
Ebenso habe Richter Kimmerl bislang nicht zu erkennen gegeben, einem weiteren Antrag der Verteidigung nachkommen zu wollen, mit dem bewiesen werden soll, dass das vermeintliche Motiv für den Angriff – die Bedrohung eines Bandidos durch Mitglieder des Gremium MC – bereits viel länger zurückliege, als von der Staatsanwaltschaft behauptet und damit kaum als Motiv tauge.
Bei all diesen Umständen müsse ein Angeklagter, der klaren Verstandes sei, zu dem Schluss kommen, dass Kimmerl bereits eine innere Haltung eingenommen, die den Verlauf der Verhandlung zu seinen Ungunsten beeinträchtige. „Ein Vorsitzender, der so handelt, hat nicht mehr die nötige Unbefangenheit.“
Die restliche Kammer muss über den Antrag entscheiden
Richter Kimmerl setzte die Verhandlung zunächst unbeeindruckt von dem Antrag mit der Vernehmung zweier bereits geladener Zeugen fort. Doch anschließend wird er sich zunächst dazu äußern müssen. Im weiteren Verlauf müssen dann die verbliebenen zwei Richterinnen und weiterer Richter der Vertreterkammer über den Antrag der Verteidigung entscheiden. Sollte der Befangenheitsantrag abgelehnt werden, ist das für die Verteidigung zumindest ein Grund, später das Urteil aus diesem Prozess anzufechten.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels haben wir geschrieben, dass auch die Schöffen über den Befangenheitsantrag entscheiden. Das war nicht korrekt. Wir entschuldigen uns für den Fehler und bedanken uns für den Hinweis.
Geldstrafe für NPD-Rocker » Regensburg Digital
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[…] und den Medien sorgten auch die Verteidiger in dem Verfahren für viel Theaterdonner – mit einem Befangenheitsantrag und zum Teil schweren Vorwürfen gegen die Ermittlungsbehörden. Im Urteil bleibt von alledem […]