Rieger-Kittel-Prozess beginnt
Am kommenden Montag beginnt am Landgericht Regensburg der vierte Prozess in der Regensburger Parteispenden- und Korruptionsaffäre. Auf der Anklagebank sitzen diesmal der CSU-Landtagsabgeordnete Dr. Franz Rieger sowie Parteifreund und Veranstaltungsmanager Peter Kittel. Es geht um verschleierte Parteispenden, Scheinrechnungen, hinterzogene Steuern und bei Rieger zusätzlich um den Vorwurf der Erpressung.
Die Anklageschrift gegen den Landtagsabgeordneten Dr. Franz Rieger und den Veranstalter Peter Kittel datiert vom 18. Dezember 2019. Nach Schwierigkeiten mit vermeintlichen Befangenheiten von Richterinnen und Richtern (unser Bericht) findet nun knapp zwei Jahre später die öffentliche Hauptverhandlung vor der sechsten Strafkammer am Landgericht Regensburg statt. Vorsitzender Richter der Wirtschaftsstrafkammer ist Marcus Lang. Bisher sind acht Verhandlungstage angesetzt. 18 Zeuginnen und Zeugen sollen aussagen. Rieger wird von seinem Kanzleikollegen Gunnar Mittag und dem Berliner Anwalt Dr. Dirk Lammer verteidigt, Kittel von Michael Reinhart (München).
Gestückelte Spenden
„Betreff: Spende ‚Lantagswahlkampf’ Dr. Rieger, vertraulich. Hallo die Herrn, bitte Herrn Dr. Rieger 9950.-€ als Spende Landtagswahlkampf überweisen. Die Daten liegen bei, habe jeden von euch 10.000.- gestern mit dem Gehalt bezahlt. Bitte noch in dieser Woche machen. Danke Franz“ (alle Fehler im Original).
Diese E-Mail schrieb der damalige Geschäftsführer der BTT Bauteam Tretzel GmbH Franz W., der im ersten Wolbergs-Verfahren erstinstanzlich zu einer Geldstrafe verurteilt wurde (180 Tagessätze), im Sommer 2013 an führende BTT-Mitarbeiter. Hinter der Mail verbirgt sich ein Fall verschleierter Parteispenden, wie sie zu dieser Zeit in Regensburg Usus waren.
Die Methode, deretwegen auch Firmenchef Volker Tretzel erstinstanzlich zu zehn Monaten auf Bewährung und 500.000 Euro Geldauflage verurteilt wurde: Mitarbeiter sollten als Strohmänner privates Geld spenden, das sie von dem Immobilienkonzern per Gehaltszahlung erstattet bekommen. An die SPD beziehungsweise den damaligen OB-Kandidaten Joachim Wolbergs ließ der Bauträger in den Jahren 2011 bis 2016 475.000 Euro spenden, an die CSU etwa 140.000 Euro (Christian Schlegl und Franz Rieger).
Scheinrechnungen von Kittel?
Nach 2008 wurde der damalige CSU-Kreisvorsitzende Rieger mit 42,5 Prozent auch 2013 direkt in den Bayerischen Landtag wiedergewählt. Mitgeholfen haben dabei laut Staatsanwaltschaft auch 49.750 Euro an illegalen Spenden, die Rieger über fünf BTT-Strohmänner bekommen haben soll. Kurz nach W.s Mail gingen die erbeteten Zahlungen auf dem CSU-Konto ein. Sie sind Bestandteil der vorliegenden Anklage.
Eine weitere Stütze für Rieger, dessen Immunität der Landtag im Sommer 2019 aufhob, war Peter Kittel. Der Verleger und Veranstalter (Online-Magazin Regensburger Stadtzeitung, Romantischer Weihnachtsmarkt auf Schloss Thurn & Taxis) fungierte für seinen CSU-Spezl als Wahlkampfmanager. Kittel soll laut Anklageschrift über eine seiner Firmen – Passwort GmbH – zwei Scheinrechnungen über insgesamt knapp 30.000 Euro an das Immobilien Zentrum Regensburg (IZ) gestellt haben. Ohne Leistungsaustausch.
Regensburger Verschleierungsmethoden
Scheinrechnungen waren neben Strohmann-Zahlungen eine in Regensburg über Parteigrenzen hinweg beliebte Methode, um Parteispenden zu verschleiern. Ein ähnliches Muster gab es auch bei Joachim Wolbergs (30.000 Euro) und beim damaligen CSU-OB-Kandidaten Christian Schlegl. 50.000 Euro speiste dessen Wahlkampfmanager Jochen M. über erfundene Rechnungen an IZ in die Wahlkampfkasse ein. Schlegl und M. wurden deswegen bereits zu 200 beziehungsweise 90 Tagessätzen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt. Denn die verdeckten Spenden führten zu falschen Steuererklärungen.
Die Beihilfe zur Steuerhinterziehung steht auch im Zentrum des Verfahrens gegen Rieger und Kittel. Dem Abgeordneten wirft die Staatsanwaltschaft davon insgesamt sieben Fälle vor sowie einen Verstoß gegen das Parteiengesetz wegen einem falschen CSU-Rechenschaftsbericht (2013). Bei Kittel sind es zwei Fälle der Beihilfe zur Steuerverkürzung.
Hat Rieger Dietlmeier erpresst?
Zusätzlich zur illegalen Wahlkampffinanzierung muss sich Franz Rieger allerdings auch wegen Erpressung verantworten. Denn das Geld von IZ-Chef Thomas Dietlmeier soll nicht einfach so geflossen sein. Vielmehr soll Rieger knapp 60.000 Euro von dem Unternehmer „verlangt“ haben. „Herr Dietlmeier, Sie wissen schon, wer in Zukunft über die Baugebiete und die Baugenehmigungen entscheidet,“ habe der Abgeordnete laut Anklageschrift wörtlich gesagt. Dietlmeier, der sich zunächst weigerte so viel Geld zu spenden, habe den Druck als „gefühlten Erpressungsversuch“ wahrgenommen und daraufhin 9.900 Euro gespendet sowie Mitte September 2013 die beiden gefakten Rechnungen mit Kittel abgewickelt.
Bauträger Thomas Dietlmeier, der selbst bereits wegen Bestechung zu einem Jahr auf Bewährung und 500.000 Euro Geldstrafe rechtskräftig verurteilt wurde, gilt – wie auch schon teilweise beim Wolbergs-Prozess, vor allem aber im Schlegl-Verfahren – als Kronzeuge. Nachdem er im November 2017 in Untersuchungshaft genommen wurde, machte er gegenüber den Behörden nach eigener Aussage „reinen Tisch“.
Kittels „Regensburger Stadtzeitung“, die in erster Linie der Bewerbung seiner Veranstaltungen und der Abrechnung mit seinen Feinden dient, spottete damals über „Onkel Toms Märchenstunde“. Seine Aussagen und seine kriminellen Machenschaften bestätigte Dietlmeier teilweise mit brüchiger Stimme und den Tränen nahe unter Wahrheitspflicht auch in den Verfahren Wolbergs und Schlegl.
MZ-Chefredakteur als Zeuge
Als Zeugen im Rieger-Kittel-Prozess werden neben den Bauträgern Dietlmeier und Tretzel und einiger spendenwilliger Mitarbeiter auch der ehemalige CSU-Kassier Markus Jobst und der MZ-Chefredakteur Manfred Sauerer erwartet. Rieger soll gegenüber Dieltmeier unter anderem auch mit seinen guten Kontakten zur hiesigen Richterschaft und den Medien geprahlt haben. Darüber, wie gut der Draht wirklich war und ist, wird Sauerer Auskunft geben müssen.
Alles zur Korruptionsaffäre
Soweit bekannt, gab es in der Regensburger Parteispenden- und Korruptionsaffäre bisher drei rechtskräftige Verurteilungen per Strafbefehl, fünf bislang noch nicht rechtskräftige sowie zwei rechtskräftige Verurteilungen via Prozess.
Die (zur Bewährung) ausgesprochenen Freiheitsstrafen summieren sich auf zwei Jahre und zehn Monate. Es wurden Geldstrafen in Höhe von mindestens 1,5 Millionen Euro verhängt. Hinzu kommen 13 Einstellungen gegen Geldauflagen, die im Einzelfall bis zu 80.000 Euro reichen. Morgen verhandelt der BGH die Revisionen im Fall Wolbergs. Der Ex-OB wurde wegen zwei Fällen der Vorteilsannahme und in einem weiterem Verfahren wegen Bestechlichkeit zu insgesamt einem Jahr auf Bewährung (noch nicht rechtskräftig) verurteilt.
Die Angeklagten Rieger und Kittel bestreiten die Vorwürfe. Der Abgeordnete bezeichnete sie nach Bekanntwerden als „aus der Luft gegriffen“. Kittel zeigte sich nach Durchsuchungen seiner Geschäftsräume im Sommer 2018 auf einer MZ-Benefizgala „bestens gelaunt“ und äußerte: „Wer in die Küche geht, der muss auch Hitze aushalten können.“
Wie heiß es in dieser Küche tatsächlich ist, wird sich ab Montag im vorerst letzten Kapitel der Regensburger Parteispenden- und Korruptionsaffäre vor dem Landgericht zeigen.
Mr. T.
| #
Wird ein spannendes Topfgucken in der Hexenküche!
Mr. B.
| #
Bin schon hoch gespannt, wer wieder etwas nicht mehr wissen will, oder alles vergessen hat?
Zunächst bleibt natürlich die Unschuldsvermutung.
An RD: Ich freue mich auf eine total sachliche und ehrliche Berichterstattung (natürlich auch über das Auftreten und Verhalten der Angeklagten vor Gericht), wie schon bei den anderen Korruptionsprozessen, frei nach dem Motto: “Bei RD ist man live dabei, wenn man wegen seiner Arbeit am Prozeß nicht selbst zuhören kann!”
Also lasst euch nicht unterkriegen, nämlich der Demokratie wegen!!!
Mehr Demokratie wagen
| #
Unabhängig von der allgem. Berichterstattung von rd, aber der Satz:
+Also lasst euch nicht unterkriegen, nämlich der Demokratie wegen!!!+
irritiert mich schon etwas, liest sich so, als wenn man sich nur von einem Bladl abhängig machen soll.
Rüdiger
| #
@Mehr Demokratie wagen
Der Satz ist nicht so gemeint, als garantiere allein die Berichterstattung von RD die Demokratie. Das wäre dumme Überhöhung. Sondern die Demokratie benötigt Vielfalt in der Berichterstattung. Bei einer zur Hofberichterstattung neigenden regionalen Monopolzeitung ist diese Vielfalt nicht gegeben. Deshalb ist die Arbeit von RD so wichtig.
Davon unbenommen waren die Berichte über die Wolbergsprozesse durchgängig gut beobachtet, umfassend bis ins Detail analysiert und trotz einer gewissen skeptischen Grundhalt gegenüber den Einlassungen des Angeklagten und seiner Verteidiger in Geist und Gehabe sehr fair. Das war keine Meinungsmache, sondern es gab Informationen, mit denen man sich eine unvoreingenommene Meinung bilden konnte. Wie sehr der Angeklagte dagegen journalistisch fragwürdige Hofberichterstattung gewohnt war, zeigten seine regelmäßigen öffentlichen Klagen über die angeblich so unfaire Berichterstattung “irgendwelcher Blogger”.
Auch kleine Könige wie Rieger oder Kittel müssen es nun ertragen, wenn ihre Handlungen einer strafrechtlichen wie auch öffentlichen Darstellung und Bewertung unterzogen werden. Und wenn das nicht ein mächtiger Verleger ist, sondern ein Mensch, der zuhört und mitschreibt, dann ärgert sie das ungemein. Doch auch diese Kontrolle ist Demokratie.
Hell´s kitchen
| #
Mr. B.
| #
Zu “Mehr Demokratie wagen”:
Rüdiger hat es erkannt und erfasst!
Mehr gibts auch nicht zu sagen.
Einen schönen Tag noch!
Madame
| #
Da können spitzbuben der csu dreckig lachen. Wenn den werten herren das lachen so richtig vergehen soll, dann mit massiven Strafen. Holdrio
Samson
| #
Abgerechnet wird zum Schluss.
Leider fehlt einer auf der Anklagebank.
Was für ein Sumpf…
Hutzelwutzel
| #
Dann bin ich einmal gespannt welche neuen Skandale aus der Nachfolgezeit dieser Dinge die Stadt Regensburg bzw. die Oberpfalz an sich bieten wird. ;-)
xy
| #
LTO schreibt heute zu einem SZ-Artikel: “Offenbar bedurfte es erst eines Bundesgerichts, um die von engen Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik geprägten Maßstäbe in Regensburg wieder zurecht zu rücken”, https://www.lto.de/recht/presseschau/p/presseschau-08-12-2021-polen-disziplinarkammer-ifsg-lage-usa-impfpflicht/
“Die von engen Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik geprägten Maßstäbe in Regensburg” sind schon ein starkes Stück von dem Eindruck, wie man außerorts über Regensburg denkt.
Gscheidhaferl
| #
@xy:
Na ja, das eigentlich Traurige ist doch, dass diese Einschätzung vermutlich einfach zutreffend ist.
MCG
| #
Es bedrückt mich, wenn/dass Politiker denken, Politik funktioniere nur mit Geld aus der Wirtschaft.
Das ist ein nicht nur wunder, sondern schon eitriger Punkt in der Demokratie.
Gewählte Politiker verschachern die Herrschaft des Volkes an die meistzahlenden Unternehmen. Das wäre ein Übergang von Demokratie zur Korporatokratie.
Dem müssen die Gerichte und ggf. der Gesetzgeber entgegensteuern.
Gscheidhaferl
| #
@MCG:
…vergessen Sie bitte den Souverän nicht: Die wahlberechtigte Bürgerschaft. Wir sollten versuchen, bessere Kandidat*Innen zu wählen. Dann müssen Gerichte und der dann hoffentlich stärker am Gemeinwohl orientierte Gesetzgeber gar nicht erst soviel dagegensteuern.
Rieger-Kittel-Prozess: Deal or No Deal? » Regensburg Digital
| #
[…] dem Landgericht Regensburg versuchen Peter Kittel und Franz Rieger sich betont gelassen zu geben (hier geht es zum ausführlichen Vorbericht mit zahlreichen Hintergrund-Verweisen). Vor Beginn und in den Verhandlungspausen scherzen und plaudern der CSU-Landtagsabgeordnete und […]