Richter ordnet „versehentlich“ Zwangseinweisung an
Fast wäre eine 72jährige grundlos in der Psychiatrie gelandet. „Ein Versehen“, heißt es dazu vom Regensburger Amtsgericht. Wie es dazu kommen konnte, will ihrem Sohn bis heute niemand erklären. Statt einer Entschuldigung hieß es: „Angelegenheit erledigt“. Jetzt hat sich Markus Bauer mit einer Petition an den Landtag gewandt.
Die Ärzte am Universitätsklinikum Regensburg hatten Christa Bauer bereits aufgegeben. Nach einer schweren Krebsoperation, bei der ihr im September 2012 ein Gehirntumor entfernt wurde, war die 72jährige ins Koma gefallen. Als sie dann auch noch einen Herzstillstand erlitt und wiederbelebt werden musste, als eine Blutvergiftung und eine Lungenentzündung dazu kamen, konnten die Mediziner Christa Bauers Kindern kaum noch Hoffnung machen.
Mehrere Wochen wechselten sich Markus Bauer und seine Schwester dennoch ab und saßen bei ihrer Mutter am Krankenbett. Bereits vor der Operation hatte Frau Bauer ihrem Sohn eine umfangreiche Vorsorgevollmacht erteilt, damit er in ihrem Namen alle nötige Entscheidungen treffen konnte. „Als sie dann doch wieder aufgewacht ist, war das wie ein Wunder“, erzählt Markus Bauer. Bis heute könne sich niemand erklären, wie sie das geschafft hat.
Eigentlich ging es nur um Handschuhe…
Christa Bauer kam zur Nachsorge ins Neurologische Rehaklinikum, wo sie zunächst künstlich ernährt werden musste. Vom Koma noch geschwächt und geistig desorientiert zog sie sich dort einen Ernährungsschlauch aus der Speiseröhre.
Um das für die Zukunft zu verhindern, regte das Klinikum an, Christa Bauer vorübergehend sogenannte „Handballen-Handschuhe“ anzulegen, mit denen man nicht greifen kann. Dabei handelt es sich um eine freiheitsentziehende Maßnahme. Und auch wenn Markus Bauer bereits zugestimmt hatte, ist dafür dennoch zusätzlich ein richterlicher Beschluss notwendig. Den beantragte das Klinikum beim Bereitschaftsdienst des Amtsgerichts Regensburg. So weit lief alles, wie vorgesehen.
Beschluss: Zeitlich unbegrenzte Unterbringung
Warum der dort zuständige Richter neben den Handschuhen aber gleichzeitig eine zeitlich unbegrenzte Unterbringung von Christa Bauer in der geschlossenen Psychiatrie anordnete, ist bis heute nicht völlig geklärt. „Das Amtsgericht Regensburg weigert sich hartnäckig, mich beim Aufarbeiten der Geschehnisse von damals zu unterstützen“, erzählt Markus Bauer, als er einen Ordner mit umfangreichem Schriftverkehr hervorholt.
Eine schriftliche Mitteilung des Klinikums, dass er als Sohn der zuständige Ansprechpartner sei, habe das Gericht seinerzeit ignoriert. Er habe eher zufällig von dem Unterbringungsbeschluss erfahren. „Der lag irgendwann auf dem Nachttisch meiner Mutter im Krankenhaus.“ Die Widerspruchsfrist war zu diesem Zeitpunkt schon abgelaufen. „Zum Glück haben die Ärzte den Beschluss nicht umgesetzt.“
„Es wird darauf hingewiesen, dass es sich (…) um ein Versehen handelt.“
Bauer hakte nach. Schickte einen umfangreichen Fragenkatalog. Irgendwann erhielt er schließlich die knappe Auskunft: „Es wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der Anordnung der Unterbringung (…) um ein Versehen handelt.“ Der zuständige Richter habe „versehentlich in einem Formular die entsprechende Passage nicht gestrichen“, heißt es weiter. Ansonsten kein Wort der Entschuldigung oder des Bedauerns, sondern: „Das Gericht geht davon aus, dass mit diesem Hinweis die Angelegenheit erledigt ist.“
Mehrere Nachfragen, die Bauer dazu stellte, blieben über Wochen unbeantwortet. Schließlich beantragte er Akteneinsicht beim Gericht, die er nach einigen weiteren Wochen schließlich bekam. Was er dort zu lesen fand, zeugt nicht gerade von besonderer Sorgfalt.
Das eine Versehen oder das andere – irgendwie egal
So gibt es etwa zwei Stellungnahmen des Richters, der die Zwangsunterbringung anordnete.
In der einen sieht er diese Unterbringung offenbar als rechtlich notwendig an. Er habe lediglich vergessen, sie auf sechs Wochen zu begrenzen, schreibt er.
Eine Woche später liest sich das plötzlich ganz anders. Jetzt schreibt derselbe Richter, dass er vergessen habe, die Anordnung zur Zwangsunterbringung in dem entsprechenden Formblatt durchzustreichen.
Petition an den Bayerischen Landtag
Ebenfalls aus den Akten erfuhr Bauer, dass ein weiterer Richter bei seiner Mutter in der Rehaklinik war, um eine Anhörung wegen dieses Beschlusses durchzuführen. Markus Bauer selbst wurde darüber zu keinem Zeitpunkt informiert. „Wie konnte meine damals noch sehr geschwächte und die meiste Zeit schlafende Mutter angehört werden? Wie ihr ein Beschluss eröffnet werden?“
Diese und weitere Fragen hat Bauer schon vor geraumer Zeit an das Amtsgericht gerichtet. Ohne eine Reaktion zu erhalten. Jetzt hat er eine Petition an den Bayerischen Landtag gerichtet, mit der Bitte, ihn bei der Aufklärung der Hintergründe zu unterstützen.
Keine Antwort, kein Wort des Bedauerns
Es gehe ihm nicht um Schuldzuweisungen, sagt Bauer. „Fehler können passieren.“ Das sei menschlich und dafür habe er auch Verständnis. „Kein Verständnis habe ich aber dafür, dass meine Anfragen nicht beantwortet werden.“ Nicht einmal deren Kenntnisnahme werde ihm vom Gericht bestätigt. Und auch vom Direktor des Amtsgericht, Dr. Clemens Prokop, den Bauer über die Angelegenheit informiert hat, habe es keine Reaktion gegeben. „Habe ich als Sohn der Betroffenen kein Recht darauf, zu erfahren, wie es zu einer zwangsweisen Unterbringung in der Psychiatrie ohne Rechtsgrundlage kommen kann?“, fragt Bauer. „Ganz abgesehen davon, wäre auch mal ein Wort des Bedauerns schön.“
Nächste Woche am Amtsgericht: „Junges Recht für alte Menschen“
Ironischerweise veranstaltet die Regensburger Justiz kommenden Donnerstag eine großangelegte Veranstaltung unter dem Titel „Junges Recht für alte Menschen“, um über rechtliche Aspekte des Älterwerdens zu informieren.
„Diskriminiert unser Recht ältere Menschen, weil es mit seinen Anforderungen an den ‘freien Willen’ jungen Menschen im Vollbesitz ihrer körperlichen und geistigen Kräfte eher gerecht wird ?“, ist ein Frage, die im Veranstaltungstext gestellt wird.
Betrachtet man den „Fall Bauer“ kann die Ignoranz und mangelnde Fehlerkultur am Amtsgericht Regensburg auch Menschen von jüngerem Alter und bester Konstitution überfordern.
pamino
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Ich habe aus meiner Erfahrung den Eindruck, daß so etwas eher in Bayern passiert, als in anderen Bundesländern. Das ist die eine Seite der Medaille.
erik
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“Warum der dort zuständige Richter neben den Handschuhen aber gleichzeitig eine zeitlich unbegrenzte Unterbringung von Christa Bauer in der geschlossenen Psychiatrie anordnete, ist bis heute nicht völlig geklärt.” – Vielleicht war sein Schnitzel nicht richtig gebraten und der Kartoffelsalat versalzen und er hat sich ein Ventil gesucht?
pamino
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erik, Daumier hat Euch verdorben.
DieBeobachterin
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Ich denke, der Sohn möchte vor allem wissen, wieso solch ein unwürdiges Verhalten an seiner noch geschwächten und kranken Mutter veranstaltet wird.
Es geht dabei für ihn, wieso diese Richter, Amtsmenschen, es nicht schaffen, menschenfreundlich und achtend und respektvoll sein können.
Und ich denke, was ihn interessiert ist, wieso gerade auf dem Rücken seiner Mutter solch ein Amtstheater ausgefochten wird.
In den Bericht steht ja, was die ältere Frau alles durchgemacht hat und wie durch ein Wunder wieder ins Leben kam und nun durch “unrespektvolles” Verhalten – statt Genesung, Unruhe in die Rekonvaleszenz kommt.
Und ich bekomme das Gefühl nicht los, vielleicht will er den Richtern auch nur klar machen, ob sie mit deren eigenen Müttern auch so umgehen würden?
Wo Menschen arbeiten, gibt es Fehler.
Finden sie auf einer Machtebene ab, können sie Leid verursachen oder verstärken.
Veronika
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@pamino:
“Ich habe aus meiner Erfahrung den Eindruck, daß so etwas eher in Bayern passiert, als in anderen Bundesländern. Das ist die eine Seite der Medaille.”
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Volle Zustimmung! Beim Bayer. Landtag – wohl “Petitionsausschuss” wird Herr Bauer kaum Recht bekommen, so lange bestimmte Leute noch an der Spitze des Landtags sitzen und bemüht sind auch solche Dinge von von Mollath im Hinterstübchen zu halten.
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Übrigens brauchte man das Geld von dem Mollath fantasierte, um über Strohleute kaufen zu können, was bestimmte Leute namentlich nicht kaufen konnten.
Klaus
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Unsere Rechtssprechung lässt zu Wünschen übrig!
Diskriminierung von alten und schwerbehinderten Menschen!
wahon
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Die Verletzung der Menschenrechte hat in der bayerischen Justiz Tradition. Und die bayerische Justiz ist sehr traditionsbewusst. Man müsste, um den Respekt vor den Menschenrechten wiederherzustellen, den Gerichtspräsidenten, in dessen Verantwortungsbereich eine “versehentliche” Menschenrechtsverletzung der beschriebenen Art geschieht, mit 2 Jahren Gefängnis ohne Bewährung bestrafen. Eine solche Strafandrohung hätte sicher immense generalpräventive Wirkung.
pamino
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zu wahon:
Hört, hört!
Cloud
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Es ist schade und erschreckend wie Menschen teilweise nur als Nummern behandelt werden…So nach dem Motto “passiert halt mal ein Fehler naja…” Ich spreche aus eigener Erfahrung… Wenn die Frau in der Psychitrie gelandet wäre, hätten ihr die Medikamente gesundheitlich weiterhin sehr geschadet….
Ich kann verstehen dass diese Richter und STaatsanwälte viel STress ausgesetzt sind, aber mit solchen Einweisungen muss man sehr vorsichtig umgehen.
wolfgang
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“Glauben Sie an Gott?”
“Nein!”
“Glauben Sie an die Justiz?”
“Warum wiederholen Sie diese Frage??”
E. Koester
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Auch ich bin Justizopfer des LG Regensburg und wurde finanziell ruinert und der Wahnsinn hört nicht auf !
Weil die Richter – die Götter in schwarz Narrenfreiheit haben.
In dubio pro reo – Ein Grundsatz . welcher Richter beherrscht das ?
R.G.
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Es wäre doch interessant zu wissen, ob es ein einmaliger Irrtum aufgrund eines schlechten Layouts beim Formular war, man vielleicht trotzdem vom konkreten Fall auf die sonstige Gangart in Fragestellungen Betreff Unterbringung und somit auf eine Grundeinstellung des jeweiligen Richters über den seiner Meinung nach “besten Aufenthaltsort” für “Gruppe X” schließen könne, oder noch mehr, von der Summe eventueller ähnlicher Entscheidungen des einen Richters bzw. dann in weiterer Folge aller Richter eines Standorts gegenüber Beeinträchtigten, eine Tendenz ablesbar wäre, die der Gesellschaft entgangen sei.
Ich verbrachte diesen Sommer an einem Sommerdomizil viele private Stunden in Diskussion mit einem jungen Psychiatrischen Pfleger aus dem schönen Bayern. Seine Einstellung zu den Patienten ließ mich ihn als strengen Aufseher wahrnehmen, dem eine Art grundsätzlicher Respekt vor dem scheinbar unnützlichen Leben nicht mehr auf die Art beigebracht worden war, wie es noch vor einer Generation gelehrt wurde.
Passend dazu sprach er mit den reichlich vorhandenen Senioren nie, gab aber über jeden ein vernichtendes Urteil von Diagnosewert ab.
Einen Dialog mit dem von ihm beurteilten “Objekt” fand er überhaupt nicht für nötig, die Gutachter sähen ja auch binnen Sekunden, was mit wem los sei, weshalb er nun den Beruf anstrebe.
Er lernt also auf der Uni weiter, hat bereits Praktika hinter sich.
Glaubhaft versicherte er mir, dass ethische und politische Fragen, wie ich sie Ihm stellte, in keiner seiner Ausbildungen vorgekommen wären, und allein mein Nachdenken über solche Inhalte, schon wieder eine Diagnose nahelege.
Wie mit ihm unterhielt ich mich mit zukünftigen und fertigen Ärzten und Pflegern aus verschiedenen Ländern.
Mein Gefühl: Die Dreißiger Jahre lassen grüßen!