Regensburger Nazi-Teppich wird abgehängt – unrühmliche Rolle des Denkmalschutzes
Die Eigentümer des Herzogssaals reagieren auf eine Anfrage der Grünen und Recherchen unserer Redaktion – der mit NS-Propaganda durchtränkte Wandteppich in der Event-Location wird abgehängt. Fragwürdig: Dass er dort hing, war eine Auflage des Denkmalschutzes.
Erst am Sonntag wurde anlässlich des 85. Jahrestags des Überfalls von Nazi-Deutschland auf Polen am 1. September 1939 und dem Beginn des II. Weltkriegs gedacht. Einen Tag später gelangte man nun auch in Regensburg zu der Erkenntnis, dass der monumentale Wandteppich im Herzogssaal, der dieses Ereignis feiert, unpassend ist und abgehängt werden sollte. Die 2002/03 hergestellte Replik werde man „nunmehr aus dem Herzogssaal entfernen“, teilt ein Sprecher der „Domplatz 3 und Kornmarkt 10 GmbH & Co. KG“, Eigentümer-Gesellschaft des Herzogshofs, unserer Redaktion in einer aktuellen Stellungnahme mit.
Früher sei dies nicht möglich gewesen – aufgrund einer „denkmalschützerisch begründeten Auflage des Denkmalamts“. Diese Auflage sei erst am Montag aufgehoben worden. Damit widersprechen die Eigentümer diametral einer ersten Darstellung der Stadt Regensburg, die Mitte August gegenüber unserer Redaktion noch erklärt hatte, dass man „keine Möglichkeit“ habe, das Abhängen des Teppichs zu veranlassen.
Stadt macht Landesamt für Denkmalschutz verantwortlich
Falsch ist demnach auch die Aussage der Stadt, derzufolge der 1940 unter Ägide von NS-Kreiskulturwart Walter Boll hergestellte Originalteppich den Eigentümern des Herzogssaals gehöre. Die teilen nämlich mit: „Das Original des Wandteppichs wurde nach Übernahme des Objektes (des Herzogshofs, Anm. d. Red.) durch die Gesellschaft nicht an kaufwillige Interessenten veräußert, sondern den Museen der Stadt Regensburg geschenkt.“ Anschließend habe es die besagte Auflage des Denkmalschutzes gegeben, stattdessen eine Kopie aufzuhängen.
Damit konfrontiert macht nun die Stadt Regensburg das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege dafür verantwortlich, dass der mit NS-Propaganda durchtränkten Teppich als Kopie immer noch an der Wand der mondänen Event-Location hängt. „Um den Wandteppich (z.B. vor Zigarettenrauch/gastronomische Nutzung) zu schützen, sollte der Wandteppich entweder hinter einer Glasvitrine hängen oder eine Kopie angebracht werden“, heißt es nun.
Kein Interesse bei den staatlichen Historikern?
Mit der Geschichte des Teppichs und den darauf gezeigten Darstellungen hatten sich offenbar weder die Historiker der Stadt Regensburg noch jene beim Landesamt beschäftigt. Spätere Hinweise, selbst in Publikationen, die von der Stadt Regensburg herausgegeben wurden, scheint man nicht zur Kenntnis genommen oder bewusst ignoriert zu haben.
Ganz im Sinne von Walter Boll, der nach seiner steilen NS-Karriere, inklusive der Beteiligung an Arisierungen, noch lange Jahre Kulturdezernent, Museumsdirektor, Leiter des Stadtarchivs und bis zu seinem Tod 1985 Stadtheimatpfleger von Regensburg war. Unumstritten und gedeckt von einem gehörigen Teil der honorigen Stadtgesellschaft und der Stadtverwaltung.
Bolls unbescheidener Ausspruch „Die Stadt ist wie ein Kind von mir“ zeigt sich insbesondere auch in dem von ihm verantworteten historisierenden Umbau des Herzogssaals und dem von ihm initiierten Anbringen des Wandteppichs 1941, das von seinen Nachfolgern bis Montag aufrechterhalten wurde. Dieses „Kind“ wurde über lange Jahre von den nun Verantwortlichen gehegt und gepflegt.
„Heiraten unterm Hakenkreuz – in Regensburg ist’s möglich.“
Wie bereits berichtet, zeigt der Wandteppich vordergründig eine Szene aus der sogenannten Dollinger-Sage, derzufolge der Regensburger Bürger Hans Dollinger im Auftrag von König Heinrich I. den heidnischen Ritter Krako abwehrte. Doch bei näherer Betrachtung geht es unmissverständlich um den Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen 1939. Auf dem Teppich befinden sich die deutschen Namen damals eroberter Städte wie Gdańsk („Danzig“), Kraków („Krakau“) und Katowice („Kattowitz“). Schild und Rossharnisch des siegreichen Ritters zeigen stilisierte Hakenkreuze.
Hergestellt wurde der Teppich nach einem Entwurf des Münchner Künstlers Professor Karl Heinz Dallinger, der, so schreibt es der Kölner Historiker Karsten C. Ronnenberg, „weder in seiner Biografie noch in seinem Oeuvre Berührungsängste gegenüber dem Nationalsozialismus“ gehabt habe. Dallinger sei darauf spezialisiert gewesen, „Nazis mit seinen Bildern das Feiern zu versüßen“.
Bevor der Teppich 1941 in den Herzogssaal gehängt wurde, wurde er im selben Jahr auf der „Großen Deutschen Kunstausstellung“, einer jährlichen Propagandaschau für NS-Kunst, in München gezeigt. Über den Dallinger-Dollinger-Teppich, bzw. die 2002/03 gefertigte Kopie im Herzogssaal schreibt Ronnenberg: „Heiraten unterm Hakenkreuz – in Regensburg ist’s möglich.“
Historisierender Umbau des Herzogssaals unter Walter Boll
Dass der Teppich dort bis heute ohne jedwede Einordnung hängt, das auch noch auf Geheiß des Denkmalschutzes, ist umso unverständlicher als dass, wenn schon nicht aus eigener Geschichtskenntnis oder der bloßen Betrachtung der Abbildungen, spätestens seit 2011 bekannt sein musste, um was es sich bei dem Teppich handelt und wann er hergestellt wurde.
Damals, 2011, befasste sich der Historiker Peter Morsbach im Rahmen des Regensburger Herbstsymposions in einem Vortrag („Regensburg als Denkmal deutschen Geistes im Dritten Reich“) mit der Geschichte des unter Walter Boll im Sinne einer „schöpferischen Denkmalpflege“ umgebauten Herzogssaals. In den ehemals mittelalterlichen Festsaal wurden, von Boll verantwortet, unter anderem romanische Fenster und willkürliche Säulen aus dem Museums-Depot eingebaut, um, so Morsbach, „Geschichte zu inszenieren“.
Stadt ignoriert städtische Publikation
Schon damals thematisierte Morsbach auch den Wandteppich und die darauf gezeigten NS-Bezüge zum Feldzug gegen Polen. Den Band, in dem sein Vortrag später als Aufsatz abgedruckt wurde, hat bezeichnenderweise das Regensburger Amt für Denkmalpflege herausgegeben, wo man aber anschließend offenbar keinerlei Veranlassung sah, in irgendeiner Form tätig zu werden.
Die zunächst falschen bzw. irreführenden Angaben gegenüber unserer Redaktion fügen sich in dieses, von Desinteresse oder Inkompetenz oder bewusster Verschleierung geprägte Bild.
„Irritierendes Verhalten des Denkmalschutzes“
Ausgelöst wurde die aktuelle Debatte, die nun das Abhängen der NS-Propaganda zur Folge hat, durch eine Anfrage von Grünen-Stadtrat Hans Teufl und Fraktionschef Daniel Gaittet an die Oberbürgermeisterin. Teufl war der Teppich mit den stilisierten Hakenkreuzen und den Bezügen zum Nazi-Überfall auf Polen im Rahmen des Bürgertheaters im Juni aufgefallen.
Entsprechend begrüßen Teufl und Gaittet nun, „dass nach unserer Initiative gehandelt wird“. Dass aber der Denkmalschutz noch in der jüngeren Vergangenheit seine Hand über NS-Propaganda gehalten haben soll, irritiere und sei erklärungsbedürftig. Diese Geschichte zeige beispielhaft, wie viel bei der Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Regensburg noch zu tun sei. „Auch die Stadt muss hier ihre Hausaufgaben machen.“
Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege bittet nach einer Anfrage unserer Redaktion zu der von ihm verordneten Auflage, eine Kopie des Nazi-Teppichs aufzuhängen, um Geduld. Man werde sich „sobald wie möglich mit belastbaren Auskünften“ zurückmelden.
Gernot
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Und wer war damals 2003 der verantwortliche Denkmalschützende?
Stefan Aigner
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Leiter des städtischen Denkmalamtes war Heinrich Wanderwitz.
Mr. B.
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Gut so.
Dieter
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Man fragt sich, wieviel Leute hier weggeschaut bzw. sich aktiv für diesen Hakenkreuz-Teppich eingesetzt haben und vor allem warum. Diese Stadt ist manchmal einfach eine Schande.
thomas otto
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gut so
Herbert Grabe
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Der Fisch stinkt immer vom Kopf. Aber der Skandal besteht darin, dass Nazidenken offenbar niemand groß aufregt. Es ist den meisten in den Ämtern und nicht nur dort egal. Anstelle ein Dreckstextil wie dieses zu entsorgen, wird es präsentiert. Der ganze Naziramsch gehört nicht archiviert, sondern wie Hakenkreuzfahnen und ähnliche Attribute zerstört. Der künstlerische Wert ist gleich Null. Es wurde geschaffen, um den perversen Nazibonzen schön zu tun. Und der Boll war vordergründig Altstadtschützer und hintergründig Nazi im Ruhestand.
joey
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Feigheit.
Die untere Denkmalschutzbehörde entscheidet. Als Fachstelle ist das Landesamt für Denkmalschutz zu hören, weil diese eine hohe wissenschaftliche Kompetenz haben. (haha). Die Stellungnahme der Fachstellen sind mit anderen öffentlichen Interessen abzuwägen. Man hätte die jüdische Gemeinde oder Fachhistoriker, Kunstsachverständige etc. um Stellungnahmen bitten können. Da hat aber einfach jemand seine Arbeit nicht getan oder die Person ist schlicht inkompetent. Ja, das kommt in Regensburg bei schärfsten Auflagen für Bauherren immer wieder vor…
Wolfi
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Jetzt ist auch der letzte Freizeit-Kunst-Historiker zu Frieden gestellt. Vorsicht ist demjenigen geboten der die Kästchen in seinem Mathe Heft verbindet und unwissentlich ein Kreuzerl setzt. Kreuzerl setz ich nur beim Lotto.
BvG
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In Deutschland sind ganze NS-Architekturanlagen einschließlich der von diesen beherbergten NS-Kunst unter Denkmalschutz gestellt, zB das Olympiastadion in Berlin.
Wer es nicht glauben will, kann hier nachlesen: https://www.tagesspiegel.de/berlin/wie-soll-man-mit-der-geschichtlichen-belastung-des-olympiagelandes-umgehen-7555828.html
Warum sollte das für den Wandteppich nicht gelten? Der Ansatzpunkt könnte das stilisierte Hakenkreuz sein. Inwieweit schützt Stilisierung vor Subsumtion unter das Verbot? Diese Hakenkreuze an einem denkmalgeschützten Gebäude in Münster montiert auch niemand ab: https://www.flickr.com/photos/vongrafenstein/albums/72157644195971308/
Bert
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@BvG
Nichts spricht dagegen, etwas aus der NS-Zeit unter Denkmalschutz zu stellen. Darum geht es in diesem Bericht aber nicht.
Der Teppich hing da ohne jeden Kontext, ohne jede Einordnung oder einfach nur eine Erwähnung, aus welchem Jahr er stammt.
Jochen
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Wo ist eigentlich der Vogel von der Nibelungenbrücke hingekommen?
https://www.regensburg-digital.de/eine-provinzposse-fur-jahrzehnte-der-regensburger-bruckenadler/16052008/
Mr. T.
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Der Nazilumpen ist nicht irgendein Werk oder Gebäude aus dem Dritten Reich, das als solches der Nachwelt präsentiert wird, sondern eine wenig verklausulierte Verherrlichung des Überfalls auf Polen, das zudem ganz verstohlen im Hintergrund eines öffentlich zugänglichen Raums sein Unwesen treibt.
Man kann es als Beispiel für die Propaganda-“Kunst” dieser unseligen Zeit präsentieren, aber nicht als Deko für einen Raum, mit dem es in keinem großen Zusammenhang steht, verwenden.
Genauso wie man eine SS-Uniform im musealen Kontext zeigen, aber nicht zum Beispiel zu Fasching tragen kann.
Thomas Juppe
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Als wenn wir nicht andere Probleme hätten. Im Kleinen da geht man noch aktiv vor, die grossen Probleme werden nicht angegangen. Die Spät-Römische Dekadenz hält Einzug
joey
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@Mr.T.
ich stimme Ihnen gern auch mal zu, das Zeug gehört weg. Allerdings hat es wohl wenig Schaden angerichtet, weil wohl kaum jemand die Beschriftungen liest und die Symbole analysiert. Die meisten kümmern sich eher um den Senf.
Das hätte der Denkmalschutz machen müssen – und nicht mal die haben es bemerkt. Sie hätten es bemerken müssen, weil sie sich ja intensiv damit beschäftigen, bevor sie Bescheide verschicken oder? Und das ist ja das Thema dieses Artikels.
BvG
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Ob der Denkmalschutz den NS-Inhalt des Wandteppichs nicht bemerkt hat, steht bis jetzt gar nicht fest. Er hat sich bis jetzt ja noch nicht dazu geäußert.
Denkmalschutz will die Vergangenheit gerade nicht ins Museum abschieben, sondern in unsere Lebenswelt integrieren. Das kann ihn kompliziert machen.
Im München ist übrigens auch Kunstgenuss unterm Hakenkreuz möglich: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Haus_der_Kunst_Muenchen-8.jpg
Das bayerische Wirtschaftsministerium ist ebenfalls in einem Gebäude mit Hakenkreuzornamentik untergebracht:
https://www.alamy.de/stockfoto-hakenkreuz-im-fenster-gitter-auf-das-gebaude-an-das-bayerische-ministerium-fur-wirtschaft-infrastruktur-verkehr-und-technologie-in-munchen-bayern-deutschland-das-gebaude-wurde-im-jahre-1937-1938-fur-south-air-force-command-luftgaukommando-sud-gebaut-das-hakenkreuz-ist-eines-die-wenigen-immer-noch-an-ort-und-stelle-aus-ns-zeit-132422794.html?imageid=FE93086F-9BD1-4E08-87DC-04812C8ED076&p=690427&pn=1&searchId=290916e89e794a9ec524fc714c7c08ed&searchtype=0
Meier mit „ei“
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Hätte der Wandteppich eine integrierte Photovoltaik- Anlage, dann wäre er sofort vom Denkmalschutz abgehängt worden!
Bert
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@BvG
Wenn der Denkmalschutz es bemerkt und nicht kontextualisiert hat, macht das die Sache nicht besser. Ihre Beispiele haben alle nichts mit dem „Fall“ hier zu tun. Nur weil irgendwo ein Hakenkreuz hängt, das eingeordnet wird oder eine NS-Gebäude unter Denkmalschutz steht, ist das nicht dasselbe. Eine Teppich, der den Nazi-Überdall auf Polen triumphierend darstellt, hat ohne jedwede Einordnung nichts an dieser Wand verloren. Auch würde ich bezweifeln, dass er Unter Denkmalschutz steht. Das habe ich noch nirgends gelesen. Letztes Jahr konnte die Stadt den Teppich nicht finden, hier wusste man zunächst nicht einmal, dass er ihr gehört. Worauf wollen Sie hinaus? Lasst den Teppich einfach so hängen?
Staunend
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@Bert Ja, genau!
@ Burkhard von Grafen Stein alias BvG: das ist ja nur abwegig, was sie da schreiben. Im ersten Artikel zum Teppisch wollten sie noch stilistische Deutungen vornehmen. Und nun?
Wolfgang W.
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Vielen Dank – erneut so ein herausragende Arbeit, die soviel anderem Geschriebenen einen Spiegel vorhält, wenn es um Qualität von Inhalten geht.
Hochzeiten gehen ja noch, deren Bilder mit diesem Teppich noch über Generationen aufbewahrt werden, ohne das es wohl den Betrachtern bewusst wird, welche DEKO der Fotograf für diesen wichtigen Tag ausgesucht hat. (bei polnisch-deutschen Trauungen könnte man es als bewussten Akt der Versöhnung noch auslegen) . Doch haben diesen Hintergrund auch Delegationen u..a. aus Ost-EU genommen und veröffentlicht, die Gast der Stadt Regensburg waren. Da wird es dann doch schwierig, den Vorwurf zu entkräften, man hätte die Gäste “vorgeführt” oder “hinters Licht geführt”. Bei der zunehmenden Digitalisierung von Bildern könnte Google, Apple und MS auch noch viele Jahre aufzeigen, welche pikanten Konstellationen hier “kreiert” wurden, weil Verantwortliche agiert oder noch Jahre ignorant das Handeln unterlassen haben.
Schön (und Danke an RD) dass nun diesem Sachverhalt Einhalt geboten wird.
Aus den Kommentaren wird nun die Brisanz klarer, weshalb D, der UN Resolution zur Bekämpfung der Glorifizierung des Nazismus nicht zustimmt. Es ist ja wohl nicht nur der Teppich, der hier “verherrlicht” wird. https://dip.bundestag.de/vorgang/nicht-zustimmung-deutschlands-hinsichtlich-der-resolution-zur-bek%C3%A4mpfung-der-glorifizierung-des/64726
Jakob Friedl
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@Bert ” Letztes Jahr konnte die Stadt den Teppich nicht finden, hier wusste man zunächst nicht einmal, dass er ihr gehört. ”
…letztes Jahr wollte ich im Rahmen des “Broken-Boll” Projektes den Originalteppichvom historischen Museum ausleihen und im Museum Fechtwangen ausstellen. Das Kulturreferat konnte den Original-Teppich im histortischen Museum finden, aus konservatorischen Gründen jedoch nicht an ein anderes Museum verleihen. Ich hatte das auch im Kulturausschuss zur Sprache gebracht. Vgl: https://www.regensburg-digital.de/heiraten-unterm-hakenkreuz-in-regensburgs-herzogssaal-ists-moeglich/22082024/#comment-490493
Gut, dass die Kopie des Dollinger-Dallinger-Göringteppichs im Herzogshof abgehängt wird, durch was könnte man sie ersetzen? Der Original-Kriegsteppich sollte im historischen Museum präsentiert werden. Hinter der 1970 vom Kunst&Gewerbeverein gespendeten Bollbüste von Prof. Hans Wimmer findet sich bestimmt noch Platz…https://ribisl.org/re-represent-walter-boll/#Anfrage_Boll_Scannen
Bodák
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Aber die Judensau in Wittenberg darf bleiben? Typisch deutsche Doppelmoral.
Novalis
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Das ist das mittlerweile schon übliche provinzielle Verhalten der Stadt Regensburg im Allgemeinen und der Denkmalschutzbehörden im Speziellen. Vor ein paar Jahren wurde die Kirche des Katharinenspitals totsaniert. Die historische Bemalung aus dem 19. Jahrhundert wurde abgetragen, nun ist die Kirche “steinsichtig”, wie man euphemistisch sagt. Kahl ist sie und tot. Nie, zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte waren gotische Kirchen steinsichtig. Einen historischen Fußboden aus dem 19. Jahrhundert, noch dazu einen schönen (wenn auch teilramponierten), hat auch keine Kirche mehr – er wurde barbarisch rausgerissen. Das alles mit Zustimmung des Denkmalschutzes und für viel Geld. Und das obwohl eine Sanierung gar nicht notwendig war. Die geistige Barbarei, die kein Gefühl für Geschichte kennt, ist im Herzogssaal dieselbe wie in der Kirche des Katharinenspitals.
Jürgen
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So ein Teppich gehört mit entsprechendem Kontext ins Museum.
Auch “Kunst”, die uns nicht schmeckt sollte für die Nachwelt erhalten bleiben.
Wer hat denn das Recht oder wer nimmt sich das Recht, eine moralische Säuberung von Kunstgegenständen oder, je nachdem wie man es sieht von Zeitdokumenten vorzunehmen?
Da wären wir nicht besser als damals die Nazis.
BvG
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Auch bei der Sanierung der Polizeiinspektion Süd war man sehr bemüht, die Aura der NS-Zeit, in der das Gebäude entstand, zu bewahren: >>Seit mehr als 80 Jahren ist die Polizei nun am Minoritenweg stationiert: Nach der Fertigstellung des Baus 1938 zog die Polizei, vormals mit Sitz am Haidplatz, in das neue Gebäude um. “Es ist daher wichtig, dass man sich bewusst macht, in was für einem Gebäude man sich befindet”, ergänzt der stellvertretende Dienststellenleiter, Polizeioberrat Bernhard Huber. Behutsam wurde deshalb auch der historische Charakter mit der Modernisierung verschmolzen. So wurde das Büro Roiders nach einer Fotografie von 1938 rekonsturiert [!]: Auch die Möbel stammen aus dieser Zeit. Sie wurden restauriert. Ebenso wie der Fußboden. Selbst die Couch steht an ihrem angestammten Platz wie vor rund 80 Jahren. Beleuchtung und technische Ausstattung gehören hingegen dem modernen Standard an.”<< https://www.idowa.de/regionen/woerth-und-regensburg/landkreis-regensburg/sanierung-der-pi-regensburg-sued-abgeschlossen-2104639.html
Stefan Aigner
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@BvG
Das ist ein völlig anderer Sachverhalt. Man hat sich bei der PI bewusst und transparent für diesen Umgang entschieden, um sich eben bewusst zu machen, wo man sich befindet und welche Historie das Gebäude hat (Man könnte daran auch viel kritisieren. Woraus geht hervor, dass dort der Gestapo-Folterknast war? Wo wurde die Rolle der Polizei im NS wirklich aufgearbeitet?). Beim historisierend umgebauten Herzogssaal und dem Teppich ist – sehr offensichtlich- genau das Gegenteil der Fall. Ein auf mittelalterlich gemachter Teppich verbreitet unkommentiert Nazi-Propaganda und verklärt angeblich deutsche Städte in Polen.
Stefan Aigner
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P.S. Das Hakenkreuz an der PI hat man aber übermalt.
Sarasvati
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@Jürgen, 6. September 2024 um 08:07
Man könnte Ihnen fast zustimmen – wäre da nicht der letzte Satz. Nazi-Vergleiche gewinnen nicht an Überzeugungskraft, wenn sie, wie in unseren Tagen, geradezu inflationär gebraucht werden. Ein derartiger Vergleich relativiert Taten und Schrecken. Das ist kontraproduktiv. Nazi-Vergleiche sollten Tätern und Taten vorbehalten bleiben, die tatsächlich die Perfidität widerspiegeln, die damals an den Tag gelegt wurde.
Der Wunsch, den Teppich sang- und klanglos verschwinden zu lassen, kann verschiedene, vergleichsweise einfältige Motivationen haben, die oft sogar zusammenwirken: kontextbefreite Paragraphenreiterei; selbstverliebte Geschichtsvergessenheit; moralin-saure Überheblichkeit; diskursive Feigheit; prinzipienlose Schönfärberei etc. Der Wunsch danach sollte in einer Demokratie auch geäußert werden dürfen – so kann er genauso öffentlich abgelehnt werden, und dabei im besten Fall vielleicht sogar noch Motivationen entlarven.
Ab mit dem Nazifetzen ins Museum, als Jahrzehnte überdauerndes Zeitzeugnis einer mangelhaften Erinnerungskultur in Regensburg.
Wie den beiden Artikeln und Kommentaren zu entnehmen ist, handelt es sich um keinen Einzelfall. Von Wissenschaftlern und Künstlern über die Jahre bereits mehrfach thematisiert und angemahnt, im Eventrauschen von der Gesellschaft aber nicht wahrgenommen, braucht es erst das gleißende Licht eines medialen Leuchtturms, damit Bewusstsein hergestellt wird und zeitnahe Reaktionen erfolgen (müssen). Mehr davon, bitte.
Hthik
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@Sarasvati 6. September 2024 um 10:57
“Ab mit dem Nazifetzen ins Museum, …”
Man könnte ihn als Rohmaterial für ein Kunstwerk verwenden. Etwa gerade noch erkenn zusammengeknüllt in einen Mülleimer gestopft.
“Der Gebrauch des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation in einer Darstellung, deren Inhalt in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt, läuft dem Schutzzweck des § 86 a StGB ersichtlich nicht zuwider und wird daher vom Tatbestand der Vorschrift nicht erfasst.”
Auch nicht vergessen: ohne rd wäre hier nix passiert.
BvG
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Bei den auf den Teppich genannten Städten handelt es sich um Städte, die bis Ende des 1. Weltkriegs entweder zum Deutschen Reich oder zu Österreich-Ungarn gehörten. Eine eroberte Stadt war ja zum Beispiel auch Warschau, die aber nicht auf dem Teppich steht. Und da wird es interessant: Krakau ähnelt namentlich dem heidnischen Ritter Krako, der vom Pferd gestochen wird. Namen dieser Art sind im Slawischen häufig zu finden, der erste polnische König soll etwa Krak geheißen haben. Was Anlass zu dieser Deutungsrichtung gibt, die alte Regensburger Sage wolle von Auseinandersetzungen mit den Slawen berichten. Wahrscheinlich spielt die Sage aber auf die Schlacht auf dem Lechfeld gegen die Ungarn an, die Anführer der Ungarn wurden dann in Regensburg hingerichtet, darunter der Harka Bulcsu (=Krako). Das wäre im Dritten Reich mit Ungarn als Verbündetem aber nicht passend gewesen. https://www.heimatforschung-regensburg.de/2350/1/1051823_DTL1865.pdf
Bert
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Und Kattowitz ähnelt Käthe, dann könnte es blablabla. Journalistisch ist das, was BvG hier von sich gibt nicht. Im Gegenteil, er spekuliert herum, äußert sich nicht zu widerlegten Punkten, entkontextualisiert einen einzelnen Punkt aus einer umfangreichen Recherche und deutet wild in der Gegend herum. Weil es die im Text genannten Historiker vermutlich nicht so gut wissen wie er. Wie wäre es mal mit tatsächlicher Recherche statt hier peinliches Zeug zu kommentieren?
BvG
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Gründliche Recherche ist immer eine gute Idee, benötigt jedoch auch Zeit, etwa zum Bestellen von Aufsätzen. Kommentieren unter Artikeln darf jedoch auch assoziativ sein.
Weiß jemand, wie der Beitrag von Karsten C. Ronnenberg heißt und wann er erschienen ist?
Ich resümiere zum Sachverhalt: Der Wandteppich hängt, wo er hängt, seit 1941, überlebt mit seinen Hakenkreuz-Schweifen die Entnazifizierung von NS-Symbolen nach dem Krieg und niemand (die gesamte Stadtgesellschaft einschließlich RD) störte sich daran, bis jetzt Grünen-Politiker auf den Plan treten, denen wohl das aktuelle Erstarken der AfD den Angstschweiß auf die Stirn treibt, was neue Sensibilitäten schafft.
Stefan Aigner
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@BvG
Der Titel des Aufsatzes lässt sich (wie manches andere) durch sorgfältiges Lesen der beiden Artikel „recherchieren“. Dann findet man ihn sogar online und spart sich manche freie Assoziation. Noch was?
BvG
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Ja, am besten die kompletten biographischen Angaben, insbesondere Zeitschrift mit Jahrgang, in dem der Aufsatz veröffentlicht wurde. Denn ich finde im Regensburger Katalog unter diesem Autorennamen nichts, was passen könnte. Die Ergebnisse auf Google zu diesem Namen sind auch dürftig.
BvG
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Die bibliographischen Angaben meinte ich natürlich…
Stefan Aigner
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Sehr dürftig, ja…
https://www.academia.edu/117270309/Die_Goldene_Bar_im_Haus_der_Deutschen_Kunst_1937_Teile_1_bis_3_
https://blog.ronnenbar.de/die-goldene-bar-im-haus-der-deutschen-kunst-1937-teil-3-von-3/
BvG
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@Aigner Danke.
@Bert Ich habe zu allen meinen Kommentaren hier recherchiert, ausweislich der Nachweis-Links, die ich gepostet habe, während Sie nur Polemik zu bieten haben. Die von mir genannten überdauerten Hakenkreuze werden mitnichten eingeordnet, sie haben also die Links gar nicht angesehen. Die Deutungen sind dem Aufsatz von Kunstmann entnommen bzw. aus Wikipedia recherchiert (Städtegeschichte).
BvG
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@Bert
Bzgl. des Hauses der Kunst und der Bayrischen Wirtschaftsministeriums könnten Sie recht haben, vielleicht sind (mittlerweile) Erklärtafeln zu den Hakenkreuzen angebracht. Zum Wirtschaftsministerium habe ich nur diesen Artikel aus 2021 gefunden, in dem es umstritten war. Es wurde sogar bestritten, dass die Hakenkreuze solche seien. https://www.bild.de/bild-plus/regional/muenchen/muenchen-regional-politik-und-wirtschaft/muenchen-warum-diese-hakenkreuze-am-wirtschaftsministerium-keine-sind-76107484.bild.html
Bei der Hautklinik in Münster gehe ich ziemlich sicher davon aus, dass bis heute keine Erklärtafeln angebracht worden sind. Als ich dort 2014 fotografierte, waren keine Erklärtafeln angebracht und bis heute ist mir nicht bekannt, dass die Hakenkreuz-Gitter überhaupt öffentlich thematisiert worden wären. In der Hautklinik hat man übrigens NS-Wandmalereien wieder freigelegt, was zeigt, dass man die NS-Bildkunst als Zeugnis eines abgeschlossenen Kapitels in der Vergangenheit behandelt, wovon keine propagandistische Gefahr mehr ausgeht. https://www.wn.de/muenster/stadtteile/gievenbeck/in-stein-gemeisselte-nazi-ideologie-1965055?npg=
Parallele zwischen Gitter und Teppich: Beides kann man nicht einfach übermalen: Entfernt man das Hakenkreuz, zerstört man Gitter und Teppich.
Stefan Aigner
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Die Parallele ist hanebüchen. Niemand hat verlangt, die Hakenkreuze von dem hängenden Teppich – ohnehin eine Replik, zu entfernen. Es geht auch nicht allein um die Hakenkreuze, wie man den Texten entnehmen kann.
Nahezu alle von Ihnen aufgelisteten Beispiele haben einen entscheidenden Unterschied – es war bekannt und offenkundig, aus welcher Zeit die Gebäude etc. stammen. Größtenteils wird sogar explizit darauf hingewiesen. Es wurde öffentlich – medial – darüber diskutiert.
In Regensburg wurde das verschwiegen, um nicht zu sagen: verschleiert. Der Teppich ist bewusst auf älter/ mittelalterlich gemacht, erweckt ohne Hinweis auch noch den Eindruck als gäbe es irgendeinen historischen Bezug zu vermeintlich ehemals deutschen Städten in Polen. Darauf nicht einmal hinzuweisen ist im Grunde eine Fortsetzung der beabsichtigten Propaganda.
Weitere Deutungen, warum der so gestaltete Teppich in die NS-Propaganda gut hineinpasste, liefert auch der Text von Herrn Ronnenberg.
Die Grünen sind auch nicht die ersten, die darauf hinweisen oder sich daran stören (Und selbst wenn es so wäre: Entwertet das irgendeinen Kritikpunkt?). Ich verweise nur auf die Ausstellung “Broken Boll”. Auch das steht in den Artikeln.
In keiner bekannten Überlieferung und Deutung der Dollingersage hat das alles irgendetwas mit Polen oder Krakau zu tun.
F. Maier
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@BvG Ihre scheint’s unerschöpfliche Motivation, die Abbildung der Hakenkreuze im Wandteppich quasi zu normalisieren und dabei den historischen Kontext seiner Entstehung (bzw. den der Kopie) zu ignorieren, verblüfft ungemein.
Ihre dabei vorgetragenen Argumentationsmuster bestehen aus ahistorischen und kruden Vergleichen. Sie versuchen die für speziell für Regensburg erschaffene, bis vor Kurzem geduldete und vom Amt für Denkmalschutz geschützte NS-Propaganda mit der Existenz von Hakenkreuzen andernorts zu rechtfertigen. Haltlos und peinlich finde ich all das.
Dass der „Vater“ des Teppichs, K.H. Dallinger, ein im NS-Regime steil aufgestiegener Künstler war, der für Hitler, die SS und die Partei mehrfach propagandistische Werke herstellte, blenden sie grob aus. Ebenso, dass der Regensburger Nazi-Museumsdirektor und NS-Kulturwart Walter Boll den Herzogsaal und sein Wirken dbzgl. in Nazi-Schriften verklärte.
Dabei ist die nationalsozialistische Propaganda des Teppichs schon auf den ersten Blick erkennbar: Während in älteren Darstellungen, wie etwa in einem Holzschnitt des 17. Jh., der Ritter Dollinger ohne Symbole (Hakenkreuze) gegen einen unchristlichen Heiden kämpft und gewinnt, reitet der Hakenkreuz-Ritter Dallingers 1941 gegen einen als Ungläubigen dargestelltem polnischen Ritter, und befreit dabei die „deutsche“ Städte Krakau, Posen…
Starker Tobak, wenn gottlose Nazi die Niederlage des katholischen Polens von 1939 sozusagen christlich-kulturell aneignen wollen.
Als Nazi-Kunst bestens gelungen durfte Dallinger seinen Teppich 1941 auf der von Hitler initiierten Großen Deutschen Kunstausstellung in München ausstellen. Allein dieser Umstand ist – wenn man so will – der besondere historische Wert des Teppichs, den Boll in den Herzogsaal hängen lies und Denkmalschützer schützen wollten.
BvG
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@Aigner
Wenn das Problem die fehlende Einordnung wäre, wäre das Problem ja mit einer Erklärtafel gelöst. So aber müssen die Saaleigentümer den Teppich abhängen, um dem politischen und medialen Negativtrubel zu entgehen. Zum Thema Polemik: Zu behaupten, in Regensburg sei quasi antichristlich unter dem Hakenkreuz geheiratet worden, wie Sie und Ronnenberg das tun, ist irreführend und rufschädigend für die Stadt, da der Herzogssaal kein Standesamt ist, in dem Trauungen stattfinden, und das Hakenkreuz im Herzogssaal stark verfremdet ist.
Mögliche Bezüge der Dollinger zum Slawentum und auch polnischen Namen können Sie bei u.a. bei Kunstmann ( https://www.heimatforschung-regensburg.de/2350/1/1051823_DTL1865.pdf). Die Dollingersage wurde in der Überlieferungsgeschichte über die Jahrhunderte immer mit neuen Bezügen (Hunnen, Ungarn, Sarazenen, Türken, Slawen) versehen, insofern ist die Nazi-Interpretation nur die zigste Version, wofür Krako als Personifizierung des Feinds aus dem Osten stehen könnte. Siehe: https://epub.uni-regensburg.de/26630/1/ubr13197_ocr.pdf
Bert
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@BvG
Das liest sich aber jetzt richtig beleidigt.
Ulrich Mors
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Der Teppich kommt mir zum ersten Mal vor Augen und Bewusstsein. Er ist ein herausragendes Meisterwerk nationalsozialistischer Propaganda in historisierender und kunstgebundener Form und als solches ein bewahrungswürdiges Dokument. Er sollte als solcher behandelt werden und in ein Museum/Einrichtung kommen, welche die Rafinesse derselben in ihren Zusammenhängen behandelt. Für Regensburg sollte erforscht werden, für welchen Ort er bestimmt war und ob er ein Auftragswerk war. Die Vermutung der persönlichen Beteiligung von Boll sollte belegt werden, wenn er als Nationalsozialist eingeschätzt wird. Meistens bin ich gegen die Entfernung von belasteten Erinnerungsstücken sondern für ihre Erläuterung. Man kann aus Geschichte nur lernen, wenn man sie kennt, doch bei diesem Teppich geht es nicht um Denkmalpflege und Tradition im sachlichen Sinn.