Regensburger Bischöfe Graber und Buchberger im Zwielicht: Mehrfach verurteilter Serientäter blieb bis zuletzt im Priesteramt
Er wurde insgesamt zu fast acht Jahren Gefängnis verurteilt und missbrauchte mindestens 68 Jugendliche. Doch bis zuletzt ließen die Bischöfe Michael Buchberger und Rudolf Graber den Sexualstraftäter Sebastian Ruhland als Priester wirken. Dürfen solche Bischöfe mit Straßennamen geehrt werden?
Ließen einen mehrfach verurteilten Serientäter gewähren: Michael Buchberger und Rudolf Graber (re.). Fotos: Stadt Regensburg/Bistum Regensburg
Das Blut eines Preußen, das er bei einer Transfusion nach einer Oberschenkelverwundung erhalten hatte, soll der Grund gewesen sein, warum der Sexualstraftäter Sebastian Ruhland seine Finger nicht von Minderjährigen lassen konnte. So jedenfalls behauptete es sein Vater im April 1954 gegenüber dem Magazin Spiegel. Zu dieser Zeit war Ruhland, noch nicht einmal ein Jahr zuvor zum Priester geweiht, gerade verhaftet worden. Die Fahndung nach ihm liest sich wie ein Krimi.
Der Spiegel berichtete von zwei Pfarrern, die Ruhland während der Fahndung nach ihm und nach einem Gespräch bei Erzbischof Michael Buchberger zur Flucht nach Österreich verhalfen – ins Priesterkurheim Bad Gastein. Beide Priester waren neben ihrer geistlichen Tätigkeit auch stellvertretende Landräte von Landshut und Landau/Isar.
Verhaftung nach fünf Monaten Flucht
Als Ruhland in Österreich verhaftet werden sollte, nachdem ein Fluchthelfer bei einem Verhör dessen Aufenthaltsort preisgegeben hatte, wurde er frühzeitig gewarnt und entkam zunächst. Dank einer zufälligen Polizeikontrolle von zwei Männern mit falschen Pässen, einer davon Ruhlands Schwager, kam man dem damals 30-Jährigen schließlich auf die Spur. Am 21. März 1954 nahm ihn die Polizei in Bad Reichenhall fest – nach fünf Monaten auf der Flucht.
Noch im selben Jahr wurde Ruhland vom Landgericht Landshut wegen „Unzucht mit Abhängigen“ zu drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Laut dem Urteil missbrauchte er in den Pfarreien Adlkofen und Rudelzhausen 25 Ministranten, in einzelnen Fällen mehr als 20 Mal. Es war nicht seine letzte Verurteilung. Und auch Ruhlands Karriere als Priester war damit nicht vorbei.
Auch nach zweiter Haftstrafe: Erneuter Einsatz als Priester
Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis zog er, begünstigt durch mehrfache Versetzungen, eine Spur der Verwüstung durch das Bistum Regensburg – in den Pfarreien Querenbach, Ottengrün und Mähring. Im September 1969 wurde Ruhland erneut verhaftet. Das Landgericht Weiden verurteilte ihn zu viereinhalb Jahren Gefängnis.
Nach seiner Entlassung versetzte das Bistum den mehrfach vorbestraften Missbrauchstäter zwar in den Ruhestand, ließ ihn aber dann doch noch von 1974 bis 1992 als Priester weitermachen. Nachweislich missbrauchte Sebastian Ruhland während seiner Priesterzeit 68 Ministranten. Die Dunkelziffer liegt vermutlich weit höher.
„Als wir vernommen wurden, versuchte die Polizei zunächst, uns einzuschüchtern“, erzählt uns ein Betroffener aus den 60er Jahren. Der Vater, der Ruhland schließlich anzeigte, habe Morddrohungen erhalten. „Wir Jugendliche wurden im Dorf gemobbt und geschnitten. Kein Schwein hat sich um uns gekümmert“, sagt der Betroffene. Einer seiner damaligen Mitministranten habe sich später, als 2010 all die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche öffentlich bekannt wurden, umgebracht.
Ein beispielloser Fall im Bistum Regensburg
Unter allen Fällen, die bislang im Bistum Regensburg öffentlich bekannt geworden sind, ist der Fall Ruhland weitgehend beispiellos sein und geht noch über den des Eslarner Missbrauchstäters Georg Zimmermann hinaus. Nicht nur aufgrund der mehrfachen Verurteilungen, der Flucht- und Verschleierungshilfe durch Kirchenvertreter und der Hartnäckigkeit, mit der das Bistum den Verbrecher bis zu seinem Tod als Priester einsetzte – mit entsprechenden Bezügen.
Sondern auch, weil das Bistum Regensburg 2010, als der Missbrauchsskandal in seiner Tragweite ruchbar wurde und sich auch Opfer von Ruhland an die Verantwortlichen dort wandten, immer wieder beteuerte, dass man dazu keinerlei Akten finden könne.
Schriftwechsel mit dem damaligen Generalvikar Michael Fuchs, die unserer Redaktion vorliegen, zeigen: Fuchs selbst scheint von den Schilderungen eines Betroffenen und der Tragweite überrascht und betroffen gewesen zu sein. Klärung brachten schließlich die angeforderten Urteile aus Landshut und Weiden.
„Die damaligen Versetzungen kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen“, so Fuchs in einem Schreiben. „Ich kann es mir nur so erklären, dass man damals gemeint hat, durch die Strafe der Versetzung den Täter ändern bzw. bessern zu können.“ Doch das sei „ein Trugschluss“ gewesen.
Verhaftung, Verurteilung, Zeitungsberichte – was muss ein Bischof mitbekommen?
Darüber, warum die Akten zu Sebastian Ruhland beim Bistum Regensburg verschwunden sind, kann man nur spekulieren. Fest steht aber, dass in den Fall zwei namhafte Bischöfe involviert waren, über deren Verantwortung für die Vertuschung und jahrelang beförderte Fortsetzung des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen bislang nicht groß gesprochen wurde. Es geht um Erzbischof Michael Buchberger, in Amt und Würden von 1927 bis 1961, und dessen Nachfolger Rudolf Graber, Bischof bis 1982.
In Regensburg wird Buchberger mit einer nach ihm benannten Allee gewürdigt. Im Landkreis Regensburg, in Aufhausen, gibt es eine Bischof-Rudolf-Graber-Straße. Es scheint ausgeschlossen, dass die beiden Bischöfe nichts über die Taten, die Verurteilungen und den wiederholten Einsatz von Sebastian Ruhland, inklusive dessen Versetzungen, wussten.
Im Vorfeld von Ruhlands erster Verhaftung und unmittelbar vor dessen Flucht fand ein Gespräch zwischen ihm, den zwei politisch aktiven Fluchthelfer-Priestern und Erzbischof Buchberger statt. Nicht nur das Magazin Spiegel berichtete damals mehrfach. Trotzdem wurde Ruhland wieder eingesetzt.
Die zweite Verurteilung Ruhlands fällt in die Amtszeit von Rudolf Graber. Der Neue Tag berichtete damals unter der Schlagzeile „Hochwürden, Sie sind verhaftet! “ Bekommt es ein Bischof tatsächlich nicht mit, wenn ein Priester in seinem Bistum wegen solcher Verbrechen verhaftet und verurteilt wird?
Straßennamen in Stadt und Landkreis
Forderungen eines Betroffenen, die Bischof-Rudolf-Graber-Straße umzubenennen, erteilte die Gemeinde Aufhausen 2021 eine Absage. Laut dem Bistum könne „nicht mehr nachvollzogen werden“, ob Graber in entsprechende Entscheidungen eingebunden war oder davon wusste, heißt es in einem entsprechenden Schreiben.
Die Stadt Regensburg hat die Betroffenen mit Blick auf die Erzbischof-Buchberger-Allee Anfang 2022 um Geduld gebeten. Derzeit finde eine „ganzheitliche Überprüfung sämtlicher Straßennamen im Stadtgebiet“ statt. Diese Überprüfung läuft nach wie vor. Neben einer Umbenennung „belasteter“ Namen steht auch eine Erläuterung durch das Anbringen von Tafeln im Raum.
Ob dabei, neben den NS-Verwicklungen Buchbergers und seinem christlich verbrämten Antisemitismus, auch dessen Verantwortung für fortgesetzte Missbrauchstaten ein Thema sein wird, und wie man damit umgehen will, bleibt bislang offen. Hier müssten allerdings neben Graber und Buchberger auch Kirchenmänner wie Domkapellmeister Theobald Schrems einer genaueren Betrachtung unterzogen werden.
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Noch katholisch
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Ja, ja „unser“ Bistum Regensburg, wie es leibt und lebt, der Stolz konservativ-traditionalistisch-fundamentalistischer Katholiken von hier und außerhalb!
Zitat: „Es scheint ausgeschlossen, dass die beiden Bischöfe nichts über die Taten, die Verurteilungen und den wiederholten Einsatz von Sebastian Ruhland, inklusive dessen Versetzungen, wussten.“
Von einem Priester aus dem Bistum weiß ich, dass sich der aktuelle Bischof von seiner Pressestelle stets die Medienberichte über kirchliche Veranstaltungen, zu Priestern/Pfarrern aus der Diözese wöchentlich vorlegen lässt – und dass er nicht begeistert sein soll, wenn seine Priester auf Fotos nicht als solche erkennbar, sprich gekleidet, sind. Das sind (auch) Sorgen!
An Straftaten tragen stets nur Einzelne aus der Kirche die Schuld, die Heilige Mutter Kirche, die Gründung Jesu bzw. sein Einsetzen des kath. Priesterstandes (auch wenn beides historisch falsch ist, wie einsichtige Forscher aufgrund besserer Argumente längst betonen) und ihre Strukturen (die genauso heilig sind, was bedeutet, sie dürfen nicht verändert werden), müssen stets in Schutz genommen, Veränderungen müssen abgelehnt werden. Missbrauch gibt es schließlich in überwältigender Mehrheit in Familien und Vereinen, so stets die Ausrede konservativer Katholiken. Die Heilige Mutter Kirche und ihr System dürfen nicht schuld sein.
Michinga
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es gibt neben der Buchberger Allee auch das Buchberger studierendenwohnheim. wenn man schon beim Umbenennen ist, kann/ sollte man hier gleich weitermachen.
Manfred van Hove
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Diese Vorgehensweise ist kein Zufall, sondern hat System. In meinem Fall wurde gegen Dr. Zeitler ein BNerufsverbor für 5 Jahre verhängt. Doch schon vor Ablauf dieser Frist wurde wieder als Jugenseelsorger in einem Mädchenpensionat in der Schweiz eingesetzt.
” Es ist besser, man spricht nicht davon, als dass Millionen Katholiken ihren Glauben an die Kirche verlieren ” ( Originalton Bischof ).
Nach wie vor verweigert mir das Bistum den vollen Einblick in die Akte Dr. Friedirch Zeitler. Ich habe deshalb beim Amtsgericht Regensburg Klage eingereicht, um vollumfängliche Akteneinsicht zu erzwingen. Freiweillig geht bei dieser Bande nichts.