Regensburg will Museumsleiterin ins Depot schicken
Das Historische Museum von Regensburg ist bedeutungslos. Jetzt soll es eine neue Leitung geben. Es gibt einen Beschluss. Die Betroffene wehrt sich.
„Wissenschaftliche Generalkuratorin“. Der Titel der neuen Stelle, die Doris Gerstl laut einem nichtöffentlichen Beschluss des Personalausschusses vom letzten Mittwoch übernehmen soll, hört sich bedeutend an. Aber eine Beförderung ist es nicht für die promovierte Kunstgeschichtlerin, die seit 1. Mai 2017 und – bislang noch – als Leiterin der städtischen Museen in Regensburg fungiert. Allerdings ist es auch kein Abstieg. Zumindest nicht finanziell.
Formal gesehen ist es schlicht eine Änderung des Aufgabengebiets, die Gerstl in Kauf nehmen muss. Die 60-Jährige wird fürderhin im Wesentlichen für das neue Museumsdepot der Stadt Regensburg in Burgweinting zuständig sein. Bei denselben Bezügen wie bisher.
Eine andere Frage ist, ob Doris Gerstl sich das so ohne weiteres gefallen lässt. Denn es gibt Versuche, die Kunsthistorikerin für Dinge verantwortlich zu machen, für die sie nichts kann.
Gerstl und Dersch: Keine Zusammenarbeit möglich
Abseits solcher Befindlichkeiten dürfte die Demission Gerstls die beste Lösung für alle Beteiligten sein. Einerseits ist es ein offenes Geheimnis, dass sie und ihr direkter Vorgesetzter Kulturreferent Wolfgang Dersch nicht miteinander können. Sowohl persönlich als auch inhaltlich.
Ein Beispiel für offen zutage getretene Differenzen: Um alle Akten zum NS-Karrieristen Walter Boll herauszugeben, musste Dersch laut eigener Aussage „einen Brief ans Museum schreiben“, also an Doris Gerstl. Diese förmliche Anweisung war dem Kulturreferenten offenbar so wichtig, dass er sie explizit bei einer öffentlichen Sitzung des Kulturausschusses erwähnte.
Ein weiteres Beispiel stammt von der gewöhnlich ungewöhnlich gut informierten Kulturkoryphäe Marianne Sperb. Die schrieb im November 2022 in der MZ:
„Kulturreferent Dersch hat nicht nur einen Kulturschatz geerbt, sondern auch einen Problemberg. Dass er die Museumschefin loswerden möchte, ist ein offenes Geheimnis. Wenn er nicht handelt, bleibt dieses Erbe an ihm hängen – und an all den Regensburgern, die ihre Stadt lieben und für ihr Kulturgut kräftig zahlen.“
Es ist also schwierig für Gerstl, gesichtswahrend aus dieser Situation herauszukommen. Das könnte es aber auch irgendwann für Dersch werden. Gerstl ist keine Beamtin, die man einfach so versetzen kann.
OB wil Frieden stiften
Andererseits braucht es eine kompetente Kraft, die sich um das Depot kümmert. Als solche gilt Gerstl auch bei denjenigen, die ihr nicht unbedingt wohlgesonnen sind.
Die Umfirmierung Gerstls zur Generalkuratorin dürfte mit einer gewissen Verantwortung, aber weniger Weisungskompetenz als bisher einhergehen. Dem Vernehmen nach soll die mit Gerstl schon lange bekannte Oberbürgermeisterin auf diesen friedensstiftenden und vergleichsweise kostengünstigen Umgang mit der Situation hingewirkt haben. Diese Situation ist das Ergebnis einer weiteren Hinterlassenschaft der an fragwürdigen Hinterlassenschaften nicht eben armen Amtszeit des früheren Kulturreferenten Klemens Unger.
Dafür kann Doris Gerstl nichts.
Klemens Unger: Ein Skandal-Kultur-Referent
Als zum Frühjahr 2017 der Ruhestand des damaligen Leiters der städtischen Museen bevorstand, der Konflikt zwischen Unger und dessen Vorgänger hat die Stadt Hunderttausende gekostet, wurde im September 2016 unter Ungers Verantwortung (OB war Joachim Wolbergs) eine Neuausschreibung der Stelle initiiert.
Diese Ausschreibung war derart unverhohlen auf einen Bewerber nach dem Gusto des damaligen Kulturreferenten zugeschnitten, dass es massive Proteste gab – am offensten vom Arbeitskreis Kultur (Mehr darüber). Intern war diese Kritik weitaus schärfer. Doch Unger war seinerzeit offenbar sakrosankt.
Das Kulturreferat schien sich seiner Sache derart sicher gewesen zu sein, dass es den Unger-Favoriten, damals noch wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Museum, bei einer Vortragsankündigung schon mal vorab als Leiter des Museums ankündigte. Der Betroffene zog seine Bewerbung angesichts der öffentlichen Kritik und Desavouierung schließlich freiwillig zurück.
Doch weil sich die Stadt Regensburg nicht dazu durchringen konnte, die auf die Provinz zugeschnittene Ausschreibung – es kamen im Grunde nur Bewerber von hier in Frage – zurückzuziehen und neu zu formulieren, war Doris Gerstl auch nach allgemeiner Einschätzung damaliger Kritiker die wohl beste Option. Obwohl sie in Sachen Museumsführung keine Expertise vorzuweisen hatte.
Notlösung Gerstl
Die Hoffnung allerdings, dass sie in die Rolle einer Chefin hineinwachsen würde, deren vordringlichste Aufgabe es sein sollte, eine Neukonzeption auf den Weg zu bringen für das im Grunde bedeutungslose und von Besuchern der Welterbestadt Regensburg gemiedene Historische Museum (keine 20.000 im vergangenen Jahr), bestätigte sich nicht. Das sagen auch Kulturbeflissene, die Gerstl wohlgesonnen sind.
Die Neuausrichtung kam nicht voran. So wie man im Grunde generell nichts hörte vom Historischen Museum der Stadt Regensburg, die sich ihrer Geschichte doch so rühmt, deren Historie mit der Ernennung zum Welterbe zum einträglichen Geschäft geworden ist, das Besucher lockt, was ein anderes Museum – das am Donaumarkt – durchaus zu nutzen weiß.
Hinzu kam, dass Gerstl sich aus (tatsächlichen) familiären Gründen zuletzt eine Auszeit nahm, die sich länger hinzog. Von Februar bis September dieses Jahres war die Museums-Chefin nicht im Dienst. Kulturreferent Dersch nutzte diese Zeit derweil, um Gerstl die Zuständigkeit für die Galerie Leerer Beutel zu entziehen.
Endlich: Stelle für neues Museums-Konzept
Ebenso hat Dersch an der Museen-Chefin vorbei die Ausschreibung für eine Stelle ins Werk gesetzt, die sich nun endlich um die Neuausrichtung für das Historische Museum kümmern und ein dementsprechendes Konzept erarbeiten soll. Zuvor soll es dem Vernehmen nach immer wieder Widerstände oder gewisse Verschleppungen von Gerstl gegeben haben.
Nun gibt es vollendete Tatsachen.
Die zuständige Mitarbeiterin ist bereits gefunden. Sie soll im Februar ihren Dienst antreten. Die Stelle ist auf zwei Jahre befristet. Insider gehen allerdings davon aus, dass die – eine weitere Unger-Altlast – bislang nicht ins Werk gesetzte Neukonzeption um die fünf Jahre in Anspruch nehmen dürfte.
Wer kümmert sich endlich mal?
Was bei alledem noch ungeklärt bleibt, ist, wer nach Gerstls Umbesetzung zur Generalkuratorin die Leitung der städtischen Museen übernehmen wird. Zu diesen gehören neben dem Flaggschiff Historisches Museum und der Galerie Leerer Beutel die sogenannten „documente“ – das Kepler-Haus, die Legionslagermauer, die Schnupftabakfabrik, das frühere jüdische Viertel unter dem Neupfarrplatz, der immerwährende Reichstag und die Ausgrabungen unter der Niedermünsterkirche.
Experten aus dem 2019 ins Leben gerufenem Fachbeirat der Regensburger Museen, aber auch der Arbeitskreis Kultur fordern, zumindest dieses Mal, mehr als sieben Jahre nach der Ungerschen Skandal-Ausschreibung, nun tatsächlich bundesweit auf die Suche zu gehen nach einer Museumsleitung, die kompetent, innovativ und durchsetzungsfähig genug ist, um vor allem das Historische Museum aus dem Mief herauszuholen, in dem es sich befindet, und die Ausstellung dort über das Mittelalter hinauszuführen.
Es bleibt abzuwarten, wie die Ausschreibung für die neue Museumsleitung dieses Mal ausfällt. Und ob sich die Noch-Museen-Leiterin das öffentlich gewordene Procedere gefallen lässt…
Der Artikel wurde am 12. Dezember an zwei Stellen konkretisiert.
Lenzerl
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Es ist schwierig. Es ist persönlich. Es ist Regensburg. Aber es ist in meinen Augen endlich der so lange erwartete Lichtblick, dass im Historischen Museum wieder etwas vorangehen könnte. Und ich glaube ganz ehrlich, dass Frau Gerstl als Leiterin des neuen Museumsdepots an der richtigen Stelle ist.
Informant
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Kleiner Verbesserungswunsch:
Zitat:
“”Die Umfirmierung Gerstls zur Generalkuratorin, die mit einer gewissen Verantwortung, aber weniger Weisungskompetenz als bisher einhergehen dürfte, ist aber auch ein – darauf soll dem Vernehmen nach die mit Gerstl schon lange bekannte Oberbürgermeisterin hingewirkt haben – friedensstiftender (und vergleichsweise kostengünstiger) Umgang mit einer weiteren Hinterlassenschaft der an fragwürdigen Hinterlassenschaften nicht eben armen Amtszeit des früheren Kulturreferenten Klemens Unger.””
Ich erwarte hier durchaus keine Ausdrucksweise, dem Bild-Zeitungsleser noch folgen können. Aber ab der 4. Verschachtelungsebene und mehr als 50 Wörtern in einem Satz wird’s dann schon arg schwierig zum Lesen.
Stefan Aigner
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@Informant
Da haben Sie recht. Ist umformuliert.
thomas otto
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weltweit wird in depots, sammlungen und museen provenienzforschung (ns-kunst, raubkunst) vorangetrieben. wie stehts damit in regensburg?
aucheinregensburger
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Mein Kommentar von damals: “Dass der Kulturreferent nach dem Motto “bekannt und bewährt” verfährt ist nicht verwunderlich. Er wird sich mit Sicherheit keinen starken Amtsleiter auswählen, weil er seine Ruhe haben möchte. Er selbst ist aufgrund einer politischen Entscheidung Kulturreferent geworden und hat sich in seiner bisherigen Amtszeit eher nicht mit kulturpolitischen Higlights hervor getan. Anfangs unterstützt von der CSU hat der nun den OB und Teile der Koalition hinter sich. Was folgern wir aus der Stellenausschreibung? Es wird eine weitere Amtsperiode des Kulturreferenten geben. Auch der Oberbürgermeister wird nach dem Motto bekannt und bewährt verfahren.”
Was die Problematik der Museumsleitung betrifft, muss man bis Anfang der Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts zurückgehen. Als der damalige Leiter des Museums, Dr. Pfeifer, in den Ruhestand ging, war seine Bitte, die Stelle überregional auszuschreiben, weil den von der CSU präferierten Aspiranten, nicht für fähig hielt. Dr. Pfeifer war es ein dringendes Anliegen, das Museum umzubauen und die Ausstellung neu zu konzipieren. Den von der CSU präferierten Aspiranten hielt er dafür nicht geeignet. Der Stadtrat entschied sich aus politischen Gründen anders, eine der SPD angehörige und vom Arbeitskreis Kultur geförderte Mitbewerberin hatte das Nachsehen. Dr. A, ein intelligenter aber zur Führung ungeeigneter Mann, “leitete” das Museum bis ca. 2010 und lag im Dauerstreit mit seinem früheren Stammtischbruder Unger. Ausgangspunkt diese Konflikts war eine despektierliche Äußerung von A über Unger nach dessen Wahl zum Kulturreferenten. Das Kulturreferat entwickelte sich zum Intrigantenstadl, der sich intensiv mit sich selbst beschäftigte. Diesem Treiben sahen Stadtrat und die amtierenden Oberbürgermeister tatenlos zu, bis mit Unterstützung des Rechtsreferenten und der Personalverwaltung der Museumsleiter als Koordinator der RegensburgerMuseen in ein Kammerl beim Kulturreferenten abgeschoben wurde und um jeden Bleistift betteln musste. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Gelegenheit bestanden, die Museumsleitung überregional auszuschreiben. Das war aber nicht im Sinne des Kulturreferenten, der die Position dem Stellvertreter von A als Dank für die Unterstützung bei dessen Ablösung versprochen hatte. OB und Personalverwaltung machten mit, indem sie die Leitungsstelle ab und 6 Monate später aufwerteten. Damit hatte Unger zunächst Ruhe vor der Auseinandersetzun mit einer kompetenten Museumsleitung. Das Schicksal des Historischen Museums wurde letztlich von Stadtrat und Stadtführung verschleppt. Das kann sich nur die öffentliche Hand leisten.
Daniela
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Früher nannte man das ‘weggelobt’.
Man verbrachte ‘Streithanseln’ an andere Stelle, bei gleicher oder höherer Bezahlung, um nach außen wieder ‘Friede, Freude und Eintracht ‘ zu signalisieren. Und in aller Regel ist beabsichtigt das Amt, die Behörde, das Referat nach außen unantastbar zu machen. Getreu dem Motto, bei uns ist alles in bester Ordnung. Und immer, wenn so etwas in Gang kommt, sollte man genauer hinsehen.
Leviathan
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Das Historische Museum bräuchte, wollte man konsequent sein, auch einen kompletten Neubau (natürlich unter Einbeziehung der Minoritenkirche). Jeder Neukonzeption stehen die gegenwärtigen, insbesondere architektonischen Bedingungen des HM außen und innen diametral entgegen.
aucheinregensburger
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Für die bauliche Umgestaltung gibt es auch schon mehrere Pläne
Rudi Ratlos
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Das ganze Vorgehen ähnelt einer japanischen „Begörferung“, der Abschiebung von unkündbaren Mitarbeitern in Japan. Die erhalten einem leeren und dunklem Keller ein Büro mit einem Schreibtisch und einem Stuhl, keinem Schrank, kein Telefon, keine Akten und ohne jegliche Aufgabe zugewiesen. Es kommt den ganzen Tag niemand, kein Vorgesetzter und Parteiverkehr! Der Mitarbeiter sitzt jeden Tag seine 8 Stunden sinnlos ab, immer auf der Hut, falls der Chef mal doch kämme, und er müsste dann irgendwie beschäftigt aussehen müsste.
Das ist in dieser Konstellation eine schwierige Aufgabe.
Einige geben dann irgendwann auf und wechseln in ein anderes Unternehmen oder in eine Frühpensionierung.
Manche Mitarbeiter schaffen es, dies über 10 Jahre in einem
solchen Raum auszuhalten.
Rudi Ratlos
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*Beförderung