Genossenschaftliches Bauen führt in Regensburg noch ein Mauerblümchendasein. Das wurde bei einem Pressegespräch im Vorfeld des „Zweiten Regensburger Wohnprojekttages“ am vergangenen Wochenende deutlich.
Von Paul Knorr
Der Alte Schlachthof: Entsteht hier auch ein genossenschaftliches Projekt? Foto: Archiv/ Tilmann Riechers
Freitag, Salzstadel, kurz nach 17 Uhr – Pressetermin des MeGeWo e.V.. Im Vorfeld des „Zweiten Regensburger Wohnprojekttages“ lädt der Verein für Generationenwohnen zur Pressekonferenz. Auf dem Podium sitzen neben Barbara Krause, Vorsitzende der MeGeWo, und Michael Kroll von
genossenschaftlichen Bauverein der Baugenossenschaft NaBau auch externe Experten aus Politik und Gesellschaft. Das Interesse der Medien allerdings hält sich am Freitag in Grenzen. Gerade mal zwei Journalisten sind gekommen, auch der Platzhirsch, die Mittelbayerische Zeitung, fehlt. Doch das nur am Rande.
Genossenschaften: Es werden keine Flächen freigehalten
Es geht um alternative und zukunftsorientierte Wohnformen – Genossenschaften. Bürger unterschiedlichster Altersschichten tun sich zusammen und finanzieren gemeinsam ein Wohnprojekt nach ihren Vorstellungen. Sie sind dabei Bauträger, gegebenenfalls auch Planer und Mieter zugleich, finanzieren Wohnraum nach ihren Wünschen, in dem sie lebenslang bleiben können und dessen Preis – so die Idealvorstellung – sich ausschließlich nach den tatsächlichen Kosten und nicht nach den Renditevorstellungen eines auf Gewinn angewiesenen Unternehmens richtet. Das Gebäude bleibt dabei im Besitz des Vereins, es gehört allen Mitgliedern der Genossenschaft.
Das Thema erfährt in Regensburg bislang wenig Unterstützung. Obwohl an entsprechenden Grundstücken, um solche Konzepte zu erproben, kein Mangel herrschen würde oder zumindest geherrscht hätte: Ehemalige Zuckerfabrik, Alter Schlachthof, Nibelungenkaserne. Große Konversionsflächen. Dass man dort auch etwas anderes machen kann, als eine Monokultur aus luxuriösen Eigenheimen und Kongresshallen, beispielsweise ein genossenschaftliches Mehrgenerationenprojekt, scheint bei der Regensburger Stadtplanung noch nicht angekommen zu sein – es werden keine Flächen für alternative Bauprojekte freigehalten.
Ganz im Gegensatz zu Städten wie Hamburg. Dort wurden laut Dr. Josef Bura, Vorsitzender des Forums für Gemeinschaftliches Wohnen, seit den achtziger Jahren zwei- bis dreihundert alternative Hausbauideen realisiert – nicht zuletzt dank des Beschlusses, 20 Prozent der zum Verkauf stehenden kommunalen Flächen für solche Vorhaben zu reservieren.
Zuckerfabrik: „Irgendwann hat sich einfach niemand mehr gemeldet“
In Regensburg will die NaBau seit geraumer Zeit ein genossenschaftlich organisiertes Mehrgenerationenprojekt umsetzen. Doch während sich Verhandlungen mit dem Eigentümer des Zuckerfabrik-Areals zerschlagen haben – irgendwann habe sich „einfach niemand mehr gemeldet“, sagt NaBau-Vorstand Kroll – verfuhr die Stadt beim Alten Schlachthof nach dem üblichen Motto: Die gesamte Fläche wurde zur Gänze an einen großen Bauträger verkauft, die C.A. Immo. Am Ende landeten über zwei Drittel des Areals beim in Regensburg schon seit längerem recht erfolgreich agierenden „Immobilien Zentrum“.
„Immer die gleichen Bauträger kommen zum Zug“
Ein generelles Manko, wie Grünen-Fraktionschef Jürgen Mistol erklärt. „In Regensburg kommen bei Verkäufen immer die gleichen Bauträger zum Zug.“ Genossenschaftliches Bauen werde so gut wie überhaupt nicht gefördert. Mistol fordert eine Stelle in der Stadtverwaltung, die sich um das Lenken und Verteilen von kommunalen Flächen kümmert und gegebenenfalls auch als Ansprechstelle fungiert. Immerhin: Die Chancen würden gut stehen, nach eineinhalb Jahren Verhandlung mit der C.A. Immo, eine Teilfläche des alten Schlachthofes für den Bau erstehen zu können, sagt Michael Kroll. Sicher sei allerdings noch nichts.
Regensburg scheint mit seiner Skepsis in Bayern nicht allein da zu stehen. Für viele sei genossenschaftliches Bauen nach wie vor „super super exotisch“, wie Christine Schwendner vom Bayerischen Sozialministerium anmerkt.
Nachteile hätten die Kommunen laut Kroll jedoch kaum zu befürchten, im Gegenteil. Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung würden genossenschaftliche Wohnmodelle in einem Viertel den Zusammenhalt und die Integration fördern. Urbane Phänomene wie Ghettoisierung würden dadurch abgefedert werden, und sich somit kostensenkend auf Bürger und Kommune auswirken. Ebenso sinke die Zahl der Pflegebedürftigen, die ins Heim müssen: Alte Menschen und Behinderte könnten in Mehrgenerationenprojekten die Hilfe der nachbarlichen Gemeinschaft in Anspruch nehmen.
Der Oberbürgermeister war nicht vor Ort
Doch wie steht die Stadt Regensburg nun dazu? Oberbürgermeister Hans Schaidinger konnte leider nicht erscheinen – er sei diese Woche nicht in Regensburg gewesen, heißt es offiziell. Schade, man hätte vielleicht mehr in einer (so von den Organisatoren ursprünglich geplanten) Podiumsdiskussion erfahren können.
„Es ist Zeit für ein generelles Umdenken“, sagt Carsten Lenk, Geschäftsführer des Evangelischen Bildungswerks. Regensburg wachse und wachse. Doch das allein reiche nicht. „Die Frage ist doch: Wohin wachsen wir?“ Ins selbe Horn stößt Michael Kroll. Menschen wollten nicht alt werden mit der Perspektive, später allein im Heim zu leben. „Es ist wichtig, dass sie die Wohnrauminitiative selbst in die Hand nehmen können.“ Derzeit scheinen die Verhandlungen der NaBau auf dem Alten Schlachthof zu einem erfolgreichen Abschluss zu kommen. Doch für die Nibelungenkaserne hat man sich schon einmal vormerken lassen – sicherheitshalber, sagt Kroll.
cutter
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irgendwie lustig, wenn für alternative wohnformen (aka alternative wirtschaftsformen) die bertelsmann-stiftung zitiert wird.
Michael Kroll
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Schön, dass wenigstens ein Regensburger Medium von der hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion berichtet hat. Wenn sich Experten des Bayerischen Staatsministeriums, des Forums für gemeinschaftliches Wohnen, Architektinnen, kommunale Wohnungsbauunternehmen sowie Vertreter der Kommunalpolitik mit dem Thema befassen, sollten die Ergebnisse und Anregungen nicht unerwähnt bleiben.
Zwei Anmerkungen zum Artikel:
– Die NaBau ist kein Verein sondern eine Genossenschaft
– Die Vorzüge der verschiedenen neuen Wohnformen sind der Regensburger Stadtplanung durchaus bekannt und werden dort auch gut geheissen. Ob aber auf einem Grundstück Flächen dafür reserviert werden oder nicht ist letztlich eine politische Entscheidung und dies wiederum eine Frage von politischen Mehrheiten und dort wiederum die Frage, wer in welcher Partei was zu sagen hat. Ein pauschaler Vorwurf an „die Stadtverwaltung“ trifft nicht wirklich zu.
Letztlich stellt sich auch bei der Wohnraumversorgung die Frage, ob man mit den Mechanismen, die die Missstände verursacht haben, Lösungen herbeiführen kann. Mit einer renditeorientierten Immobilienwirtschaft wird man jedoch mit Sicherheit keine sozialen bzw. städtebaulichen Aufgaben lösen können.
Joachim Datko
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Hochkonjunktur auf dem Bau
Siehe z.B. http://www.n-tv.de/wirtschaft/Euro-Krise-befluegelt-Baubranche-article10347946.html
Das bedeutet aber auch, dass man mit hohen Preisen rechnen muss.
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Aus dem Artikel: “Mit einer renditeorientierten Immobilienwirtschaft wird man jedoch mit Sicherheit keine sozialen bzw. städtebaulichen Aufgaben lösen können.”
Das ist nach den Gesetzen der Marktwirtschaft falsch! Auch Gewinnstreben erhöht das Angebot an Wohnungen und wirkt Preissteigerungen entgegen.
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Man sollte aber grundsätzlich bei entsprechendem Einkommen Wohneigentum anstreben.
Anton Huber
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Neben den bestehenden kommunalen Wohnungsbauunternehmen stellt die Form der Baugenossenschaft eine wichtige Rolle in der Wohnungsversorgung dar. Die Basis dafür ist die Eigeninitiative und sollte Gleichbehandlung bei der Grundstücksvergabe erfahren.