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Verwaltungsgericht Regensburg

Die Waffen des Oberst Eder, des Jagdaufsehers und die Frage, wie viel Reichsbürger erlaubt ist

Bewaffnete Reichsbürger haben nicht erst seit der Razzia gegen die „Patriotische Union“ Behörden, Justiz und Medien beschäftigt. Am Dienstag sollten zwei Fälle vor dem Verwaltungsgericht Regensburg verhandelt werden: Der ob der Razzia prominente „Oberst Eder“ und ein christlich-sozial engagierter Jagdaufseher, der seltsame Briefe verschickt hat.

Maximilian Eder bei einer Querdenken-Kundgebung im Januar 2022 in Nürnberg. Foto: Witzgall

Großer Auflauf vor dem Verwaltungsgericht Regensburg. Im Innenhof warten schon seit dem Morgen mehrere, teils schwer bewaffnete Polizeibeamte. Die Sicherheitsvorkehrungen sind am Dienstag generell deutlich strenger als sonst. Und draußen auf dem Haidplatz trudeln ab kurz nach halbzehn mehrere Journalisten und Kameraleute des BR ein, ein Reporter der Bild-Zeitung und Vertreter weiterer Medien.

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Gericht und Polizei bauen vor gegen einen möglichen Auflauf von Anhängern des Klägers, dessen Fall heute verhandelt werden soll. Und alle warten angesichts widersprüchlicher Aussagen, ob dieser Kläger denn nun überhaupt persönlich kommt. Die Rede ist von Maximilian Eder, 63 Jahre alt, Bundeswehroberst a.D. und mutmaßliches Mitglied der „Patriotischen Union“, einem Sammelsurium aus Rechtsextremen, Reichsbürgern und Verschwörungstheoretikern („QAnon“) um Heinrich XIII. Prinz Reuß.

Verfahren hat mit Eders Verhaftung nichts zu tun

Seit einer Razzia im vergangenen Dezember wegen mutmaßlicher Umsturzpläne und Verdachts auf Rechtsterrorismus sitzt Eder in Untersuchungshaft. Zuletzt machte er Schlagzeilen, weil er sich in einem 35 Tage währenden Hungerstreik zu Tode fasten wollte. Doch mit all dem hat das heutige Verfahren nichts zu tun.

Es geht um vier, schon lange vor Razzia und Verhaftung verschwundene Waffen, über deren Verbleib das Landratsamt Freyung-Grafenau genauer Bescheid wissen wollte und zu dem Eder offenbar nur unzureichende Angaben machte. Deshalb gibt es mehrere Zwangsgeldbescheide über insgesamt 54.000 Euro, gegen die Eder klagt. Zur Verhandlung kommen wird der pensionierte Oberst am Ende nicht.

Zwei Stunden zuvor: Jagdaufseher mit Faible für Reichsbürger

Knapp zwei Stunden vorher. Bibliothekssaal des Verwaltungsgerichts, wo die vierte Kammer unter Vorsitz von Richter Andreas Fischer den ersten Fall des Tages verhandelt. Eine Zuschauerin hat sich hierher verirrt. Und immerhin ist dieser Kläger gekommen.

Er ist zwar nicht ganz so prominent wie Oberst Eder. Doch auch er soll zur Reichsbürgerbewegung gehören – oder „sich deren Ideologie für sich verbindlich zu eigen gemacht“ haben. Davon ging zuletzt jedenfalls das Landratsamt Kelheim aus und forderte den Mann auf, seinen Jagdschein, mehrere Waffenbesitzkarten und den Feuerwaffenpass zurückzugeben. Zudem sollte er seine Waffen abgeben und vorhandene Munition unbrauchbar machen.

Das Verwaltungsgericht Regensburg sowie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sahen das im Rahmen einer ersten Entscheidung (hier ging es im Kern um die aufschiebende Wirkung der nun verhandelten Klage) ähnlich.

VGH: Dieser Mann sollte keine Waffen besitzen

Der Kläger – immerhin Funktionär im Bund bayerischer Jagdaufseher – habe den Verdacht auf seine Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene nicht entkräftet, heißt es in einer Entscheidung vom April dieses Jahres. Seine Erklärungen dazu wertete der VGH als unglaubwürdige Schutzbehauptungen. Und weiter heißt es:

„Es bestünden keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Waffenbesitzkarten und des Feuerwaffenpasses, an der Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheines sowie des Erwerbs- und Besitzverbotes hinsichtlich erlaubnisfreier und erlaubnispflichtiger Waffen und Munition und deren Rückgabeverpflichtung.“

Flapsig ausgedrückt: Dieser Mann sollte keine Waffen besitzen und führen dürfen.

„Deutlich von den üblichen Gepflogenheiten im Briefverkehr abgewichen“

Hintergrund sind zwei Schreiben, die der Mittsechziger im Mai 2022 verschickt hatte – an einen Gerichtsvollzieher und an das Finanzamt. Was genau in diesen Schreiben stand, wird am Dienstag nicht näher thematisiert. Sie seien, so viel lässt Richter Fischer durchblicken, „deutlich von den üblichen Gepflogenheiten im Briefverkehr abgewichen“.

In der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshof ist festgehalten, dass der Verfasser „typisches Vokabular und sprachliche Wendungen“ der Reichsbürgerszene verwendet habe. Unter anderem fanden sich in den weitgehend inhaltsgleichen Briefen Zusätze wie „Mensch mit Natürlicher Person entsprechend § 1 des staatlichen BGB, Stand 1896“ oder „without prejudice UCC 1-308“. Zudem habe der Verfasser eine notarielle Beglaubigung der Gründungsurkunde des Staates und des Bundeslandes gefordert und ein „privates und kommerzielles Pfandrecht“ angedroht.

Der Gerichtsvollzieher, dem in dem Schreiben (ebenso wie dem Finanzamt) mit Konsequenzen gedroht wurde, erstattete Strafanzeige. Das Verfahren wurde später gegen Zahlung einer Geldauflage (§153a, Abs. 2) vorläufig eingestellt.

Kläger spricht von nervlicher Belastung, Anwalt vom christlich-sozialen Engagement

Das alles ist gerade einmal ein Jahr her. Und dass ihm seine Waffen und Berechtigungen nun erst einmal weggenommen werden sollen, empfindet der Kläger als höchst ungerecht. Er habe das Schreiben ja einfach nur aus dem Internet heruntergeladen, gibt er in Regensburg zu Protokoll. Auf den „Hinweis eines Bekannten“.

Dass es sich um typisches Reichsbürgervokabular gehandelt habe, das sei ihm „nicht bewusst“ gewesen. Damit habe er nichts zu schaffen. Außerdem habe er als Selbständiger, der damals gerade einen „finanziellen Absturz“ hingelegt habe, unter „erheblichen nervlichen Belastungen gelitten.

Der Anwalt des Jagdaufsehers verweist zudem darauf, dass sein Mandant „tief in Staat und Gesellschaft“ verwurzelt sei und auf dessen „christlich-soziales Engagement“. Tatsächlich ist der Mann CSU-Mitglied und hatte in dieser Eigenschaft auch schon verschiedene Funktionen inne. Kann so jemand ein Reichsbürger sein? Sollte so jemand Waffen besitzen dürfen?

Oberst Eder: Eine bürgerliche Karriere in der Bundeswehr

Auch Oberst Eder war lange Jahre tief verwurzelt in Staat und Gesellschaft. Er war an der Gründung des Kommandos Spezialkräfte beteiligt und diente dort zuletzt als Chef des Stabes. Sechs Jahre lang arbeitete der Mann im NATO-Hauptquartier in Brüssel, war NATO-Verbindungsoffizier im georgischen Tiflis.

Und auch wenn es bereits während seiner Bundeswehrzeit verschiedentlich Kritik an Eders Verhalten gab, etwa in Zusammenhang mit der Hohmann-Affäre, nahm er 2016 in allen Ehren seinen Abschied. Anschließend arbeitete er für die „Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit“, die im Auftrag mehrerer Bundesministerien tätig ist, in Afghanistan als stellvertretender Leiter des Sicherheitsbüros. Augenscheinlich eine bürgerliche, bundesrepublikanische Karriere – bis dahin.

Corona-Pandemie: Oberst a.D. driftet ab

Mit Beginn der Corona-Pandemie begann Eder dann offenbar mehr und mehr abzudriften. Bei Querdenken-Protesten drohte er unter anderem damit, Regierungsmitglieder als Kriegsverbrecher nach Den Haag zu bringen und zog Parallelen zu den Nürnberger Prozessen. Beim Hochwasser im Ahrtal gab er den Einsatzleiter in Uniform, flog deshalb aus dem Reservistenverband.

Schließlich gelangte Eder zu der Verschwörungsideologie „QAnon“, wetterte regelmäßig gegen das „verrottete System“ und kündigte letzten November, kurz vor der späteren Razzia und seiner Verhaftung, als „General Eder“ einen „epochalen Aufstand“ für eine neue Rechtsordnung an.

Aktuell sitzt Eder nach seinem „Todesfasten“ in der JVA Stadelheim. Laut den Schilderungen seines Rechtsanwalts Alois Fuggenthaler am Dienstag wird er dort strengstens bewacht. Allein drei Kripobeamte befänden sich rund um die Uhr direkt in Eders Zimmer. Weitere stünden davor.

Der Kläger will nicht vor Gericht erscheinen

Obwohl das Verwaltungsgericht Regensburg Eders Erscheinen beim Prozess angeordnet hat, ist er am Dienstag nicht gekommen. Er könne nur mutmaßen, warum sich sein Mandant dazu entschieden habe, so Fuggenthaler. Der schlechte gesundheitliche Zustand nach 35 Tagen Hungerstreik und einem Gewichtsverlust von 17 Kilo vielleicht. Der Unwille, sich in Handschellen vor aller Öffentlichkeit vorführen zu lassen, könne ein Grund sein. Und ob dieses Weigerung dauerhaft sei oder nur vorübergehend, sei unklar.

Entsprechend ratlos ist man bei der vierten Kammer. Die Möglichkeit, Eder vorführen zu lassen, gebe es am Verwaltungsgericht nicht, so Vorsitzender Richter Fischer. Allenfalls ein Ordnungsgeld könne man verhängen. Aber das sei auf Dauer ein stumpfes Schwert.

Und so wird die Verhandlung nach wenigen Minuten vertagt – die Medienvertreter und wenigen Zuschauerinnen verlassen den Saal. Wann es wie weitergeht, bleibt unklar. Vielleicht, wenn irgendwann der Haftbefehl gegen Eder aus Vollzug gesetzt werden sollte, wenn dieser wieder bei Kräften ist – oder eben auch nie, wie Rechtsanwalt Fuggenthaler spekuliert.

Jagdaufseher lehnt Vergleichsvorschlag ab – und verliert

Zurück beim christlich-sozial engagierten Jagdaufseher. Hier scheint Richter Andreas Fischer zumindest etwas irritiert zu sein. Das bayerische Innenministerium habe sich, so sagt er, „in nicht unerheblichem Maße“ an dem Verfahren beteiligt. Von dort sei auch der ausdrückliche Wunsch gekommen, nicht auf eine mündliche Verhandlung zu verzichten. Doch der „dringenden“ Bitte des Gerichts, auch einen Vertreter zu der Verhandlung zu entsenden, habe das Innenministerium nun nicht entsprochen.

Einigungsvorschlägen des Gerichts, etwa ob der Betroffene denn nicht seine Klage zurückziehe, wenn ihm das Landratsamt im Gegenzug eine Wiederteilung seiner Berechtigung nach Ablauf von fünf Jahren in Aussicht stellt, lehnt der passionierte Jäger kopfschüttelnd ab. Er hofft auf ein für sich positives Urteil – und geht damit baden.

Wie ein Sprecher des Verwaltungsgerichts Regensburg unserer Redaktion am heutigen Mittwoch auf Nachfrage mitteilt, wird die Klage des Mannes abgewiesen. Die Berechtigungen werden demnach eingezogen und die Waffen muss abgegeben bzw. unbrauchbar gemacht werden.

Wie schnell wird jemand zum Reichsbürger?

Ein Vertreter des Landratsamts Kelheim hatte bereits im Vorfeld der Entscheidung darauf hingewiesen, dass man ein für den Kläger positives Urteil nicht akzeptiert hätte und in Berufung gegangen wäre. Reichsbürger wiesen oft einen bürgerlichen Lebenslauf auf, sagt einer der anwesenden Prozessvertreter. Und nicht nur die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass sie dennoch irgendwann in dieses Milieu abdriften könnten oder ihm schon immer zugeneigt waren.

Bei Oberst Eder könnte man zumindest vordergründig den Eindruck gewinnen, dass manch bürgerliche Fassade recht brüchig sein kann.

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Kommentare (6)

  • SPD4ever

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    Kommentar gelöscht. Hier geht es nicht um Corona.

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  • joey

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    Eder war bei Spezialkräften und weiß, wie man ohne Waffen tötet.

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  • Mr. T.

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    “christlich-sozial engagiert” oder ein KSK-Hintergrund sollten eigentlich ausreichend sein, um jemanden zur Abwehr von möglichen Straftaten vorbeugend in Haft zu nehmen.

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  • Paul

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    Hallo

    Der Meister Eder und sein Pumuckl :-))

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  • Spartacus

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    Genauso gefährlich wie Menschen die sich auf Straßen kleben, nach Logik dieses Staates.

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  • Hthik

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    Gerichte behaupten ja gerne, alles mögliche sei “nur eine Schutzbehauptung”. Seien wir mal nett und glauben den Hergang. Wenn man auf berufliche Probleme damit reagiert, irgendwas, was man nicht versteht, aus dem Internet runterzuladen, zu unterschreiben und an Behörden zu senden, statt, tja ich weiß nicht was, vielleicht einen Anwalt fragen? stellt sich schon die Frage, ob derjenige Waffen haben sollte.

    “Allenfalls ein Ordnungsgeld könne man verhängen.”

    Wie gut, dass es ein extra Sozialgerichtsgesetz gibt, damit die eh schon Belasteten stärker geschützt werden. Man stelle sich mal vor der Richter dort könne nix gegen unbotmäßige Arme unternehmen, die ihm nicht ihre Aufwartung machen wollen. Da wird einfach der Anwalt rausgeschmissen und dann kann ungestört von Realität und Recht “verhandelt” werden. § 118 Abs 3 SGG

    “Reichsbürger wiesen oft einen bürgerlichen Lebenslauf auf, sagt einer der anwesenden Prozessvertreter. Und nicht nur die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass sie dennoch irgendwann in dieses Milieu abdriften könnten oder ihm schon immer zugeneigt waren.”

    Wenn man einsehen muss, dass man gar nicht an die Werte glaubt, an die man meinte zu glauben, glauben viele eben lieber irgendwas. Da dachte man, wir sind die Freunde der Naturwissenschaften, die sich wirklich an den harten Fakten orientieren, die notwendigen einschneidenden Maßnahmen treffen, nicht so wie diese rumwinselnden Sozialpädagogen und Gutmenschen. Stellt sich raus, wir wollten bloß dicke Autos, fünfmal im Jahr in Urlaub fliegen und Strom der aus der Steckdose zu kommen hat. Ja, ich bin schon wieder beim Klimawandel. Ich hör ja schon auf.

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Kommentare sind deaktiviert

drin