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Ausstellung

Re-represent Walter Boll!

In den Stadtraum gequetscht, zertrümmert und rekonstruiert haben Jakob Friedl und Max Erl Repliken der Büste des NS-Karrieristen und Regensburger Ehrenbürgers Walter Boll. Am Donnerstag eröffnet ihre Ausstellung „Broken Boll“.

Bollfacing: Jakob Friedl und Max Erl mit der Büste von Walter Boll.

Wie sich die Zeiten ändern. Im vergangenen Jahrhundert wurde in Regensburg niemand mit so vielen Ehren bedacht wie der 1985 verstorbene Museumsdirektor, Kulturdezernent, Stadtarchivar und NS-Karrierist Walter Boll. Angehöriger der Funktionselite der Regensburger Stadtverwaltung quer durch alle Systeme.

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Ehrenbürger, Kulturpreisträger, Inhaber der Albertus-Magnus-Medaille, der goldenen Bürgermedaille, des Bayerischen Verdienstordens, des Großen Bundesverdienstkreuzes, beerdigt in einem städtischen Ehrengrab, noch zu Lebzeiten gewürdigt mit einer eigenen Büste, die seit 1970 bis heute unkommentiert im Historischen Museum steht.

Aktuell allerdings wird im Rahmen des kulturellen Jahresthemas „Höhenflug“ eine Ausstellung städtisch gefördert, die sich kritisch mit der Causa Boll auseinandersetzt, „Broken Boll“ genannt. Das Duo Jakob Friedl und Max Erl hat die Boll-Büste dreidimensional erfasst, sich selbst eine Patina verpasst und die Repliken verschiedentlich bearbeitet. Boll-Büsten wurden in den Stadtraum gequetscht, zertrümmert und rekonstruiert. Von der Regensburger Freibier CC haben Friedl und Erl sich mit „Boll-Hype“ sogar ein eigenes Bier zur Ausstellung brauen lassen, die am kommenden Donnerstag, 1. Juni, um 19 Uhr im Neuen Kunstverein (Schwanenplatz) eröffnet wird.

Angereichert werden die Exponate mit Texten von Robert Werner, der sich schon seit längerem Walter Boll beschäftigt und dazu maßgebliche Recherchen veröffentlicht hat, insbesondere bei regensburg-digital und zuletzt für die Buchreihe „Helfer, Täter, Trittbrettfahrer“. Werner wird am Dienstag, 6. Juni, 19 Uhr einen Vortrag zum Werdegang des NS-Karrieristen halten. Der Regensburger Kunsthistoriker Dr. Daniel Rimsl spricht am Mo. den 5. Juni , 19 Uhr  zur Bauweise des Heimatschutzstils.

Den Boll-Schädel betrachten Friedl und Erl nach eigenen Worten als „Schlüssel und Einladung für eine Kontaktaufnahme und weitere Ideenfindung mit den betroffenen Institutionen“.

Das Ausstellungsprogramm liest sich spannend bis kryptisch. Eine in Bronze gegossene Hoheit, die über ihre Sammlung wacht, wird spielerisch in Luft aufgelöst ohne dabei der Aura ihres Abbildes aus dem Weg zu gehen. Parallel zur Ausstellung im Neuen Kunstverein werden über eine Live-Webcam durch die Augen Bolls seine eigenen Scherben auf dem Diskurstisch im Historischen Museum betrachtet. Boll fällt samt Sockel aus dem verglasten Eingang auf den Dachauplatz und dockt im Welterbekernbereich an den historischen Randsteinen ausgewählter Wirkungsstätten an.


„Broken Boll“ biete Gelegenheit, die Ikonografie einer solchen Büste im Spektrum zwischen Geniekult und Antiquariat zu hinterfragen und schaffe anhand von Prototypen und Modellen weiteren Raum für den Themenkomplex Stadtverwaltung im Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit und einer Kommunikation über geeignete Herangehensweisen zur notwendigen Aufarbeitung, zum Beispiel im Rahmen der Neukonzeption des Museums.

Ende 2022 begann die Regensburger Stadtverwaltung, sich im Rahmen eines internen Workshops erstmals systematisch mit dem Wirken Bolls auseinanderzusetzen. Auch beim diesjährigen Herbstsymposium soll die Rolle des Kulturfunktionärs und Denkmalpflegers eingehender beleuchtet werden. Mehr Infos zur Ausstellung gibt es hier und hier.

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Kommentare (9)

  • Xyz

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    Ich bin doch glücklich die Freiheit der späten Geburt erlebt zu haben. Über mich wird es vermutlich auch nie ein „Xyz-Hype“ geben.
    Aber ich frage mich jedoch, ist es richtig mit einem „Boll-Hype“ anzustoßen. Wäre eine sachliche Diskussion nicht zielführender ?

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  • Andreas

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    Ja, ist denn schon Saure-Gurken-Zeit?

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  • xy

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    Ich komme mit dem Titel “Re-represent Walter Boll!” nicht klar. Ich suche jemand, der mir mit einer Erklärung weiterhelfen kann. Arno Schmidt und Ernst Jandl sind nichts dagegen.

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  • Daniela

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    Man darf gespannt sein, wie kritisch die Auseinandersetzung dann doch wirklich stattfinden kann.

    Aber ich stimme dem Kommentar von xy zu, mit “Re-represent Walter Boll!”, kann ich auch noch Nichts anfangen.

    ” Broken Boll, Täter, Helfer, Trittbrettfahrer” ist besser aussagefähig.

    Jedoch das Konzept scheint schlüssig, auch die Verwendung der Büste und deren Inszenierung gefällt mir zum ersten gut.

    Wir werden sehen, wie das Endergebnis der Aufarbeitung ausfällt. Aber schon einmal gut, dass damit begonnen wurde.

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  • joey

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    ich schlage weiterhin einen Sack vor. Der kommt über die Boll Büste, bevor sie in den Keller getragen wird. Eine Holzkiste ist auch geeignet, da kann man dann “Vorsicht Nazikopf – nur für Endlagerung geeignet” drauf schreiben.

    Die Neukonzeption des Museums wird an die Millionenverdiener aus der Szene vergeben, die sich aus andren Arbeiten dafür präqualifiziert haben. Also: die gut dotierten Aufträge kriegen immer die, die die gut dotierten Aufträge bekommen haben. Keine Chance für Jakob Friedl, sich da rein zu demonstrieren. Für sowas muß man schon ein Top Innenarchitekturprofessor mit 100 gering verdienenden Mitarbeitern sein. Man braucht eine lange Werkliste, eine schöne website und muß die wichtigen Leute aus der Stelle für Nichtstaatliche Museen und so “kennen”. Vielleicht kriegt Jakob Friedl 5.000,- für irgendeine Stele, die er in eine Ecke stelen darf, mehr als ein Trostpreis wirds nicht werden.

    ceterum censeo: es war nicht Einer. Es waren alle.

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  • Hthik

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    @joey 31. Mai 2023 um 11:25

    “… bevor sie in den Keller getragen wird.”

    Da versteckt das Britische Museum schon seine Raubkunst.

    “Es waren alle.”

    Nein.
    Unwahr.
    Ist nicht so.
    Widerstand war oft gefährlich, selten kostenfrei, aber möglich.

    Zudem steht nicht von jedem Mitläufer und Regimegewinnler ein Büste im Museum. Womit wir bei “re-represent” wären. Boll war und ist repräsentativ präsentiert. Sang- und klanglos verschwinden lassen ist nicht das richtig, davon hatten wir seit 45 reichlich. Zumindest kann das nicht alles sein. Eine neu Repräsentation ist zu suchen, die den unangenehmen Fragen und Sachverhalten nicht ausweicht.

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  • joey

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    @Hthik
    das Ding kommt in den Keller, denn eine öffentliche Schändung wird es nicht geben. Sogar Intensivtäter haben Persönlichkeitsrechte. Die Stadt wird sich wegen dem keine negative Gedenkstätte ans Bein binden, soo wichtig war der dann doch nicht.

    Ich bin sicher nicht der Meinung, daß man den NS verschwinden lassen soll. In einer geschichtlichen Gesamtdarstellung im Museum muß 33-45 ausführlich vorkommen. Individuelle Personenbetrachtungen brauchen aber mehr als nur ein Museumtextchen.

    Georg Elser war einer der wenigen, die keine Mittäterschaft hatten, die Rommel / Stauffenberg Frage.

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  • Hthik

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    @joey 31. Mai 2023 um 18:42

    “…. Sogar Intensivtäter haben Persönlichkeitsrechte. …”

    Wer in der Öffentlichkeit stet. muss öffentliche Kritik an seinem Verhalten aushalten können. Umso mehr, wenn er ein öffentliches Amt bekleidet.

    “Die Stadt …”

    Man wird sehen. Die Stadt macht allerhand, womit ich nicht 100% einverstanden bin. HIer gibt es kein Roma locuta, causa finata.

    “… Individuelle Personenbetrachtungen brauchen aber mehr als nur ein Museumtextchen.”

    Dann verstehe ich nicht ganz, wo das Problem ist, denn dieses “mehr” wird ja hier gerade geboten.

    “Georg Elser …”

    Elser war eine herausragende Persönlichkeit. Aber auch er brauchte zumindest für einige Zeit die Tarnung des vermeintlichen Desinteresses.

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  • Jakob Friedl

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    B5 Radiobericht von Bernd Kellermann mit dem Fokus auf den bildhauerischen Umgang mit der 1970 vom Kunst- & Gewerbeverein und den Freunden des Museums gestiftete Boll-Büste des nichtentarteten Bildhauers Hans Wimmer, der in früheren Jahren auch schon Hitler und Mussolini portraitiert hatte: https://www.br.de/nachrichten/bayern/kunstaktion-ueber-nazi-verwicklung-von-ex-museumsdirektor-boll,Tfq3leb

    Sehr lesenswerter MZ Artikel von Florian Sendtner über die laufende Ausstellung “Broken Boll” im Neuen Kunstverein am Schwanenplatz hier im Blog: https://ribisl.org/re-represent-walter-boll/#Presse

    Begleitprogramm:
    Mo 5.6. um 19 Uhr referiert Daniel Rimsl über Heimatschutzarchitektur //
    Di 6.6. um 19 Uhr Vortrag von Robert Werner über neue Recherchen zum Thema Boll //
    Sa 10.6. ab 19 Uhr Boll-Party-Kunstverein-Serenade
    Die Öffnungszeiten werden ausgeweitet und die Ausstellung “Broken Boll” wurde bereits am Eröffnungsabend bis zum Ende des Bürgerfests am Sonntag 18.6. verlängert…. Kommt im Showroom vorbei und trinkt ein “Boll-Hype” solange der Vorrat reicht. Die Bollbüste von einem Luftballon erdrückt erfreut mich persönlich am meisten.

    Anschließend zeigen wir Teile der Ausstellung auf Einladung des Regensbogenpräludiums im Fränkischen Museum in Feuchtwangen und im historischen Museum in Regensburg und bemühen uns um eine Zusammenarbeit mit Regensburger Institutionen. Wir freuen uns auf die Weiterentwicklung des Projektes.

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