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Rauschende Partys und ordentlich viel zu trinken: Theodora Varga als Violetta Valéry. Fotos: Juliane Zitzelsperger
La Traviata, die große Oper von Guiseppe Verdi, stellt die Doppelzüngigkeit der männlich dominierten Gesellschaft im 19. Jahrhundert aus. „Die vom Wege Abgekommene“ ist nämlich eigentlich keine: Mätresse ist damals in der Tat eine der wenigen – wenn auch nur halbwegs geduldeten – Möglichkeiten für Frauen, dem Fluch einer reichen Heirat oder der sonst zwingend folgenden Armut zu entkommen. Wenn schon ökonomische Abhängigkeiten, so die Logik von La Traviata, dann doch bitte mild gedämpft durch rauschende Partys der Pariser Elite und ordentlich viel zu trinken. Der Preis, der dafür zu zahlen ist, ist selbstverständlich alles andere als gering: Gefühle haben in dem Leben einer käuflichen Dame nichts zu suchen.
Privates Liebesglück, finanzieller Ruin
Umso pikanter ist es denn, dass sich Violetta Valéry (gesungen von Theodora Varga) vom jungen Adligen Alfredo (Enrico Lee) umgarnen lässt, der sie wider allen besseren Wissens zur Liebe verleitet. Sehenden Auges rennt Violetta in ihr privates Liebesglück, das gleichzeitig ihren finanziellen Ruin bedeutet: Ohne die finanzielle Unterstützung ihrer Gönner gehen die Geldvorräte zusehends zur Neige. So muss sie ihren Hausrat verhökern, während ihr privilegierter Lover auf Wolken geht und erst von der Haushälterin (Ruth Müller) darauf hingewiesen werden muss, dass er vielleicht auch mal etwas zum Familieneinkommen beitragen könnte.
Die Bühne, entworfen von Marie-Luise Strandt, kann getrost als in Beton gegossene Verbildlichung der allgemeinen grauen Wirklichkeit gelesen werden, gegen die die Partygänger vergeblich versuchen, Stimmung zu machen. Vergeblich raschelt auch Violettas Kleid gegen die unnachgiebigen Stufen und Kanten an, dessen blutroter Stoff sie in der farblosen Masse von Anzugträgern und vor der Mauer wie ein Makel herausstechen lässt. Die Frau ist hier das Andere, untergeordnet der von Männern gemachten und dominierten Gesellschaft, der sie sich bitteschön zu unterwerfen hat – aber mit Stil.
Die ungleichmäßige Verteilung von Geld und Macht und die damit verbundenen Freiheiten und Abhängigkeiten sind dann auch zentrale bildliche Motive der von Arila Siegert inszenierten Oper, die am Theater Regensburg noch bis zum 21. Juli zu sehen ist.
Violetta hat eigentlich gar keine andere Wahl, als stetig und beständig die Opferrolle anzunehmen, weil sie ohne die Männer und deren Geld nicht überleben kann. So abhängig ist sie, dass sie ihre Motive gar nicht mehr hinterfragt, sondern geduldig die Zerstörung ihres Lebens als gegebene Konsequenz und als eigentlich irgendwie ihre Schuld hinnimmt. Wieder und wieder beugt sie sich ihrem vermeintlichen Schicksal, erst in Gestalt von Alfredos Vater (Adam Kruzel), der die Verbindung der beiden Liebenden unterbinden will, und dann in Form des eifersüchtigen Alfredo, der sie öffentlich schasst und ihr das Geld, das sie liebend für ihn aufgewandt hat, als Bezahlung für ihre angebliche Dienstleistung um die Ohren pfeffert.
…endlich sterben
Natürlich besinnen sich die Herrschaften kurz vor dem Tode Violettas noch eben rasch auf ihre gute Erziehung und eilen an das Krankenbett. Violetta kann Alfredo noch selbstlos an die nächste Braut empfehlen, bevor sie – endlich und verdient – sterben darf. Denn erst im Tod, das macht das letzte kraftvolle Bild in dieser Inszenierung klar, ist Violetta wirklich frei: Hier gibt es keine Abhängigkeiten, kein Geld und keine sozialen Doppeldeutigkeiten.
Während die Männer sich jammernd auf ihre sterblichen Überreste werfen und beteuern, wie sehr sie sie dann doch lieben und brauchen, steht sie auf und geht davon – alleine, ohne Bedauern und ohne sich noch einmal nach den Menschen umzudrehen, die ihr das Leben zur Hölle gemacht haben. Sie braucht sie jetzt nicht mehr.