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Pustet-Verlag: 200 Jahre Kulturgeschichte

Pustet öffnet sein Archiv

Vom Buchhändler zum Verleger: Friedrich Pustet I. (1798 – 1882).

Eigentlich gehört das Archiv des knapp 200 Jahre alten Verlags Friedrich Pustet ins Regensburger Stadtarchiv. So sieht es auch die engagierte Patriarchin Elisabeth Pustet. Vor Jahr und Tag sondierte sie pragmatisch kühl die Archivlage in Regensburg und wägte ab. Zu guter Letzt wanderte 2011 der umfangreiche Pustet-Archivbestand in die Bischöfliche Zentralbibliothek. Hier nahmen sich Peter Haberl und die DFG (Deutsche Foschungsgemeinschaft) des Archivguts an. Das Ergebnis: Ein kommentierter Bestandskatalog mit dem Titel „Das Verlagsarchiv Friedrich Pustet in Regensburg“.

Das kiloschwere Werk, von der DFG finanziert, erarbeitete der Musikwissenschaftler Dieter Haberl (52) im Rahmen eines dreijährigen Projekts. Nun ist der mit Signaturen versehene Archivbestand für die wissenschaftliche Forschung in gut einem Dutzend Fachbereichen aufbereitet. Den umfangreichsten Teil, einst eine tragende Säule des Verlags, stellen die Kirchenmusik und deren Geschichte dar. Das gedruckte kirchenmusikalische Repertoire des 16. und 17. Jahrhunderts aus Regensburg erreichte nicht nur die deutschen Bistümer, Abnehmer fanden sich in allen Ländern des katholischen Europa. Nicht minder bedeutsam wie ertragreich waren für den Pustet-Verlag, mit dem Signum des „päpstlichen Druckers“, die liturgischen Werke.

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In die Verlagsgeschichte ging der 2. September 1852 ein. Da übergab Friedrich II. das in Regensburg gedruckte Missale Romanum persönlich an Papst Pius IX. in Rom.

Eine Familiendynastie entsteht

Prunkmissale von 1858: Von dieser Prachtausgabe existieren – soweit bekannt – nur zwei Exemplare. Im Vatikan und in der Diözesanbibliothek in Regensburg.

Begonnen hatte die Erfolgsgeschichte der Verleger- und Druckerfamilie Pustet am 8. Juli 1820 in Passau. Da verlieh der Magistrat dem Buchbindersohn Friedrich Pustet die Buchhandelskonzession und er begann sein überaus erfolgreiches Wirken. Bereits 1826 eröffnete er in Regensburg eine Sortiments- und Verlagsbuchhandlung nebst Druckerei. Sieben Jahre später griff er zu, als das Haus Nr. 48 in der Gesandtenstraße zum Kauf anstand. Damit war der Grundstock für ein erfolgreiches katholisches Verlagshaus mit Druckerei und Papierfabriken gelegt.

Was außerdem noch dazugehörte, erledigte der Gründer der Familiendynastie Friedrich I. Pustet als er 1830 Therese Freiin von Schmid, Tochter eines Münchner Apothekers, heiratete. Neun Kinder, fünf Söhne und vier Töchter, gingen aus dieser Verbindung hervor. Dazu merkt Dieter Haberl an:

“Sie sind die familiäre und personelle Basis, auf der sich, durch den Geschäftseintritt der Söhne und die geschickte ‚Heiratspolitik‘ bei den Töchtern, die wachsende Entwicklung vom Familienbetrieb zum Großunternehmen vollziehen kann.”

Mit 62 Jahren übergab der Gründer ein prosperierendes Unternehmen an die Söhne Friedrich II. und Karl Pustet in Regensburg und etablierte sich neu München. Nicht als Pensionär. Er fing noch einmal neu an, erwarb in München den Centralschulbuchverlag samt Druckerei und setzte sich mit 75 Jahren zur Ruhe. Er wurde 84 Jahre alt.

Unter Friedrich II., sprachbegabt und reisefreudig, entwickelte sich der Pustet-Verlag zur Nummer Eins in der katholischen Welt. 1865 erfolgte die Gründung einer Filiale in New York, später kam eine zweite in Cincinnati in Ohio hinzu. Es folgten Niederlassungen in Rom, Valencia und Sao Paulo in Brasilien.

Wie der I. Weltkrieg und die darauf folgende Inflation und wirtschaftliche Depression auch das Verlagshaus Pustet ins Wanken brachte, was zu einer riskanten Fusion mit der Firma Kösel führte, die von Friedrich III. nach sieben Jahren wieder gelöst wurde, kann im Detail nun im Pustet-Archiv erforscht werden. Auch wie in den 1920er Jahren der Weimarer Republik die wirtschaftliche Stabilisierung wieder gelang und neue Auslandsfilialen gegründet wurden.

Schwieriger Anfang nach der NS-Zeit

Kiloschwer: der kommentierte Bestandskatalog zum Verlagsarchiv Friedrich Pustet.

Ab 1933, als die NS-Reichsschrifttumskammer über das gedruckte Wort wachte und jeder Verlagstitel zur Überprüfung vorgelegt werden musste, konnten die Bücher für die katholische Welt problemlos erscheinen. Da diese weltweit exportiert wurden, brachten sie dem NS-Staat die begehrten Devisen in die stets klamme Kasse. Unter die Zensur der Nazis fiel dagegen eine geplante Publikation gegen den NS-Ideologen Alfred Rosenberg. Nach dem Vorbild eines von evangelischen Theologen herausgegebenen Buches Die Nation vor Gott. Zur Botschaft der Kirche im Dritten Reich wollten katholische Kirchenleute gleichziehen. Was die katholischen Theologen mit Sitz quer durch Deutschland zu sagen hatten, durfte nicht erscheinen, ist aber im Verlagsarchiv aufbewahrt.

Mitglieder der Nazi-Partei wurden weder Friedrich III. noch sein Sohn Friedrich IV. Pustet. Gleichwohl liefen ab 1942 auch im Verlagshaus Pustet die Druckmaschinen für 200.000 Exemplar von Hitlers Mein Kampf. Im Auftrag des Münchner Zentralverlags der NSDAP (Eher-Verlag). Auch der Nazi-Gauverlag in Bayreuth ließ bei Pustet drucken, wofür sich nach dem Krieg der amtierende Verlagschef Friedrich III. verantworten musste. Die amerikanische Militärregierung verweigerte ihm die Lizenz zum Drucken. Um den Betrieb zu retten, sprang der Regensburger Theologieprofessor Georg Engelhardt als Lizenzträger dem Verlag bei, der vorübergehend Gregorius-Verlag vormals Friedrich Pustet Regensburg hieß. Im Entnazifizierungsverfahren vor der Spruchkammer II Regensburg wurde Friedrich III. Pustet als nicht belastet eingestuft.

Pustet verliert das katholische Monopol

In den „Wirtschaftswunderjahren“, als viel Altes fiel und neue Verlags- und Betriebsgebäude auf dem Eisbuckel entstanden, setzte der Verlag weiter auf den Kernbereich Liturgie und Kirchenmusik. Der wirtschaftliche Einbruch kam mit voller Wucht in den 60er Jahren als Folge der Reformen in der katholischen Welt. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 65) legte fest, dass anstelle der bisherigen Liturgiesprache Latein in jeder Landsprache der Gottesdienst gefeiert wird. Damit kam für Pustet das Produktionsende für das lateinisch-liturgische Verlagsprogramm.

Die Brüder Pustet, Friedrich V. und sein Bruder Paul, mussten den Verlag neu erfinden. Natürlich blieb es bei der Kernkompetenz, der Liturgie und Theologie, aber in geschrumpfter Fassung in deutscher Sprache. Die lateinische Kirchenmusik verlor an Bedeutung, der Musikverlag wurde eingestellt. Dafür kam Neues hinzu: Geschichte und Kunstgeschichte, der Ausbau des Buchhandels und mit zehn Buchhandlungen ist Pustet heute in acht bayerischen Städten präsent. Anerkennend schreibt Dieter Haberl über die beiden Brüder Friedrich und Paul:

“Nach einer jahrelangen Durststrecke gelang beiden Pustets die Bewältigung einer ernsthaften Krise. Dass sie mit Durchhaltewillen und Stehvermögen das Unternehmen sicherte, ist das große Verdienst der fünften Pustet-Generation.”

Die sechste Generation hat übernommen

Nach dem Tod Friedrichs V. im November 1989 erfolgte die Umwandlung der Einzelfirma Pustet in eine familiengeführte Gesellschaft und Friedrichs Witwe, Elisabeth Pustet, Mutter von vier Kindern, übernahm die Geschäftsführung. Diese gab sie 1998 an die sechste Pustet-Generation ab. Seither ist Friedrich VI. Chef des Verlags und seine Schwester, Ursula Pustet, Geschäftsführerin der GmbH und Co. KG.

2006 stellte Friedrich Pustet VI. Papst Benedikt XVI. eine neue Buchreihe zur Liturgie vor.

Das jetzt in der Bischöflichen Zentralbibliothek zugängliche Pustet- Verlagsarchiv dokumentiert in seiner Komplexität 200 Jahre Kulturgeschichte. Mit dem für die Pustets kennzeichnenden Understatement bestätigt Friedrich (VI.) Pustet:

“Wir sind immer noch ein familiengeführtes Unternehmen und gehören damit zu den zehn Verlagen in Deutschland, die von den Gründungsfamilien geführt werden.”

Zum Verlagsprogramm gehört bis heute die offizielle Liturgica für den Katholischen Gottesdienst und ein breites theologisches-wissenschaftliches Fachprogramm. Nicht minder bedeutsam ist das zweite Standbein Geschichte, das sich breit fächert. Von der allgemeinen bis zur bayerischen Regionalgeschichte, inklusive der Wirtshäuser. Mit der Herausgabe der ersten Veröffentlichungen zur jüdischen Geschichte betrat der Pustet-Verlag neues Terrain. Bedeutsam für das Unternehmen mit seinen 400 Beschäftigten – Verlag und Buchhandlungen – ist auch der graphische Großbetrieb, der für etwa 70 Verlage in deutscher Sprache Bücher druckt und bindet.

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Kommentare (2)

  • Eva Zamber

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    Wenn schon keiner was zum Besten gibt, dann schreib halt ich mal was:
    In einer jahrelangen Durststrecke wurde auch ein rotes Büchlein verkauft.
    Die damals so wichtigen ‘Worte des Vorsitzenden Mao Tsetung’ Erste Miniatur-Ausgabe 1968, erhältlich für 1,5O DM im gutsortierten Regensburger Buchhandel.
    Wer es sich antun möchte, einfach mal googlen
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Worte_des_Vorsitzenden_Mao_Tsetung
    Damals schrieb auch der Deutsche Gewerkschaftsbund zu Druck und Papier:
    Mit Wirkung ab 1.2,1968 wird der tarifliche Facharbeiterecklohn von bisher DM l87,40 auf DM 193,96, also um 3,5 vH angehoben.
Damit erhöht sich der Stundenecklohn um 16 Pf. von DM 4,69 auf
DM 4,85.
    https://www.boeckler.de/pdf/p_ta_monb_1968.pdf
    Ach waren das noch Zeiten…

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  • hf

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    hieße das nicht “matriarchin” statt patriarchin?

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Kommentare sind deaktiviert

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