Prozess um Baupleite: Alles nochmal von vorn?
Der Prozess um die Millionenpleite des Bauunternehmers Karl S. steht vor einer Neuauflage. Hintergrund sind unterschiedliche Einschätzungen von Kammer und Staatsanwaltschaft zum Vorwurf der Insolvenzverschleppung.
Hat sich der Unternehmer Karl S. Der Insolvenzverschleppung schuldig gemacht, als er im Frühjahr 2014 bei einem großen Bauauftrag am Candis-Quartier eine Millionenpleite hinlegte? Seit annähernd zwei Monaten beschäftigt sich die 7. Strafkammer am Landgericht Regensburg mit dieser Frage. Dutzende Zeugen wurden vernommen, deren Ladung sich – wohl auch aufgrund der lange zurückliegenden Ereignisse – oft schwierig gestaltete. Und nun sieht es ganz so aus, als müsste der Fall noch einmal komplett neu verhandelt werden.
Wann war das Unternehmen zahlungsunfähig?
Die Vorwürfe der Anklage gegen den 61jährigen und dessen Sohn, der „auf dem Papier“ als Geschäftsführer der GmbH & Co KG fungierte, wogen schwer: Gemeinsam sollen sie insgesamt über 850.000 Euro an Steuern hinterzogen habe. Den strafrechtlich relevante Schaden bei der Millionenpleite beziffert die Staatsanwaltschaft auf 1,5 Millionen Euro – insgesamt 33 Millionen an offenen Forderungen waren bei Eröffnung des nach wie vor nicht abgeschlossenen Insolvenzverfahrens angemeldet. Es ist nicht die erste Pleite des umtriebigen Unternehmers, die kleinere Handwerksfirmen an den Rand ihrer Existenz brachte (unser Bericht zum Prozessauftakt). 428 Auftragsvergaben und Bestellungen, die Karl S. noch nach der Zahlungsunfähigkeit seines Unternehmens vorgenommen haben soll, wertet die Anklage als einzelne Betrugsfälle.
Doch bei der Datierung der Zahlungsunfähigkeit auf Ende Oktober 2013 – also Monate vor der offiziellen Insolvenz – und dem daraus folgenden Vorwurf der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung hat das Gericht nach den Zeugenvernehmung und dem Gutachten eines Sachverständigen zwischenzeitlich erhebliche Zweifel. Hintergrund: Kaum einer der zahlreichen Gläubiger hat seine ausstehenden Forderungen „ernsthaft eingefordert“, also Mahnungen geschrieben, Mahnbescheide erwirkt oder gar geklagt.
Warum Handwerker selten Mahnungen schreiben
„Es kommt öfter vor auf Baustellen, dass das Zahlungen schleppend eingehen“, beschreibt ein Handwerker die Hintergründe vor Gericht. Mal warte ein Unternehmer noch auf die Abschlagszahlung des Bauherrn, mal kämen mehrere größere Rechnungen auf einmal. Da sei man es schon gewohnt, mal etwas länger zu warten. Außerdem habe Karl S. stets zugesichert, dass das Geld auf jeden Fall fließen werde. Und auch, um es sich mit einem so lukrativen Auftraggeber nicht zu verderben, so beschreiben es mehrere der vernommenen Handwerker, habe man auf förmliche Mahnungen verzichtet, oft gleich noch den nächsten Auftrag angenommen, und auf Vertrauensbasis weitergearbeitet.
Doch ohne das ernsthafte Einfordern fehlt dann auch die letztendliche Zahlungsverpflichtung des Unternehmens und vor diesem Hintergrund geht das Gericht von stillschweigenden Stundungen, einem „Stillschweigeabkommen“, aus. Laut dem vom Gericht bestellten Sachverständigen verschiebt sich das Datum der Zahlungsunfähigkeit damit nach hinten – von Ende Oktober 2013 auf Ende Januar 2014. Da Karls S. im Februar 2014 damit noch rechtzeitig Insolvenz angemeldet hätte, läge – so die momentane Einschätzung der Kammer – auch keine Insolvenzverschleppung vor.
Ohne Staatsanwaltschaft keine Teileinstellung
Einen Freispruch oder eine Verfahrenseinstellung in diesem Punkt aber kann das Gericht unter den momentanen Voraussetzungen nicht von sich aus vornehmen. Für ein Urteil müsse laut BGH-Rechtsprechung auch überprüft werden, ob gegebenenfalls eine Überschuldung des Unternehmens vorlag, erläutert die Kammer. Denn auch dann hätte Karl S. Insolvenz anmelden müssen und könnte sich in diesem Fall zumindest einer fahrlässigen Insolvenzverschleppung schuldig gemacht haben.
Die Prüfung einer Überschuldung aber war nicht Gegenstand des Gutachtensauftrags für den Sachverständigen. Und diese Prüfung könnte sich laut dessen Aussage als schwierig, wenn nicht gar unmöglich erweisen. So müsste der Buchwert von Grundstückseinlagen bei der GmbH zum Jahr 2013 überprüft werden, ebenso aufgeführte erwartete Bauaufträge und vorhandenes Material.
Staatsanwältin will Überschuldung prüfen lassen
Das sei ein „immenser Aufwand an Zeit, Geld und Ressourcen“, so der Kammervorsitzende Fritz Kammerer. Es sei die Frage, „ob es das wert ist“. Bei der Bildung einer Gesamtstrafe im Falle eines Schuldspruchs – die Steuerhinterziehung hat Karl S. bereits zu Beginn des Verfahrens in vollem Umfang eingeräumt, die Betrugsvorwürfe stehen nach wie vor im Raum und wären von der Teileinstellung nicht betroffen – sei die Insolvenzverschleppung ein vergleichsweise kleiner Posten. Und insofern sei die Frage, ob nicht die Staatsanwaltschaft beantragen wolle, den Vorwurf der Insolvenzverschleppung gemäß §154 einstellen zu lassen, um das Verfahren abzukürzen. Die Verteidigung von Karl S. hatte dies bereits mehrfach angeregt.
Staatsanwältin Sabine Dümmel sieht allerdings am Dienstag keinen Grund, einen solchen Antrag zu stellen. Es habe keine formellen Vereinbarungen zur Stundung mit den Handwerkern und Lieferanten gegeben, argumentiert sie. Dementsprechend sieht Dümmel solche Stundungen auch als nicht gegeben an. Und bei diesem Szenario wiederum wäre, auch laut dem Sachverständigen, die Zahlungsunfähigkeit bereits im Oktober 2013 eingetreten und die Insolvenz deutlich verspätet angemeldet worden.
Komplette Neuauflage?
Sollte es es bei dieser Position bleiben, würde, das kündigt Kammerer an, das Verfahren ausgesetzt werden. Im Klartext heißt das: Ein Großteil des Prozesses müsste zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt werden, dann mit entsprechendem Auftrag für einen Sachverständigen und Prüfung der Überschuldung. Nicht betroffen davon sein würde voraussichtlich der Sohn von Karl S. Nachdem der Seniorchef mehrfach bekundet hatte, dass er für alles die Verantwortung trage und nahezu sämtliche Zeugen erklärt haben, dass sie mit dem Sohn, obwohl formaler Geschäftsführer, quasi nichts zu tun hatten, war das Verfahren gegen den Junior bereits Anfang März vorläufig eingestellt worden – gegen eine Geldauflage von 35.000 Euro.
Für Ende April und Mitte Mai hat die Kammer nun noch einmal zwei Verhandlungstermine angesetzt. Würde die Staatsanwaltschaft die Teileinstellung beantragen, würden der Prozess zu den übrigen Vorwürfen fortgesetzt, andernfalls gibt es eine Neuauflage.
xy
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Kommentar gelöscht. Bitte sachlich bleiben.
Mr. B.
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Betrug, Korruption, Bestechung, Steuerhinterziehung, Vorteilsannahme, usw……. alles rund ums Bauen!
Was wäre Regensburg ohne diese “tollen Macher”, die sich wahrscheinlich schon wie Götter fühlen?
Ich persönlich glaube, dass wir alle diese Leute hier nicht brauchen!
Sollten Sie nicht in die Augustenburg umziehen oder zumindest die Stadt verlassen?
Die Stadt hat das doch alles nicht verdient!!!!!!
XYZ
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Kommentar gelöscht. Ihre Annahmen sind falsch. Sämtliche Informationen, über die Sie hier spekulieren finden sich im verlinkten Artikel zum Prozessauftakt.
Mr. B.
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Zu xy:
Gott sei dank gibt es Staatsanwälte, welche den Weg zur absoluten Bananenrepublik zu meinen o. g. Delikten im Rahmen der Gesetze noch bremsen wollen!! Sie sehen hierbei offensichtlich ein großes Hinderniss?
XYZ
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Kommentar gelöscht. Das Immobilien Zentrum Regensburg ist bei diesem Verfahren in keinster Weise involviert. Die beteiligten relevanten Unternehmen sind in unserem Bericht zum Prozessauftakt benannt. Es wäre hilfreich, wenn Sie die Texte vor dem Kommentieren lesen würden.
Künftig werde ich solche Kommentare ohne größere Anmerkungen löschen.