Provinz-Rock trifft Hip-Hop-Folk
Desmond Myers und Ibrahim Lässing servierten im W1 am gleichen Abend sehr unterschiedliche Musik. Ob das gut gehen konnte?
Musikalisch passte das auf den ersten Blick nicht unbedingt zusammen: Ibrahim Lässing und Desmond Myers. Dort ranziger Provinz-Rock mit Deutschpunkattitüde, hier metropolitaner Hip-Hop-Folk. Konnte man hierüber anfänglich skeptisch sein, zerschlug sich diese Skepsis recht schnell, denn das Konzert war trotz dieses Stilbruchs – ganz ohne Umschweife – ziemlich gut. Da passt sogar gut ins Bild, dass es bei Ibrahim Lässing gelegentliche Soundprobleme, falsche Einsätze und verstimmte Instrumente gibt. Wer Perfektion will, sollte besser woanders suchen. Wer wiederum Sympathien für spaßiges Geschrammel hat, ist bei Lässing goldrichtig. Das Songwriting ist übrigens vortrefflich, Worte und die Bilder meist originell, der Humor wagt sich allerdings nur selten aus der Pubertät und ist stellenweise furchtbar nah an Joachim Deutschland (kennt den Vogel überhaupt noch jemand?). „Sie war wieder nicht auf meiner Party / Nur Behinderte auf meiner Party“ (Kleiner Gatsby). Saudumm. Lässing, der an eben diesem 08.05. das 7-Song-Album Kaugummiautomat veröffentlicht, ist ein gewiefter Entertainer, der mit Sprache umzugehen und geschickt von den peinlichen Momenten in seinen Songs abzulenken weiß. Ja, nach ein paar Bier kann man das ziemlich gut finden.
Der Weltenbummler und Singer/Songwriter Desmond Myers, derzeit in Paris zuhause, bringt eine ganz eigene musikalische Mischung auf die W1-Bühne. Man müsste es eigentlich Crossover nennen, müsste man beim Lesen dieses Wortes nicht schon schmerzverzerrt die Zähne zusammenbeißen. Hip Hop wechselt sich ab mit Chansons, Folk mit Blues, Pop mit Rock. Singer/Songwriter ist für diese ungewöhnliche und gleichermaßen beeindruckende Mélange ein viel zu dünner Begriff. Myers, unterstützt von Bass und Schlagzeug, schickt seine Akustische durch so ziemlich alle Genres und Stile dieser Welt und reißt dabei auf ungemein talentierte Weise alle möglichen Grenzen ein. Er spricht deutsch, singt englisch, gelegentlich französisch. Er rapt, singt, fuchtelt, tanzt, kämpft, schwitzt und bewahrt sich dabei stets eine unnachahmliche Eleganz. Großartig.
Und die anfängliche Skepsis bezüglich Line-Up? Die bleibt anfänglich.