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Betroffene berichten

Post Covid – krank nach Krankheit

Permanent müde, abgeschlagen und massive Konzentrationsprobleme. Das sind nur drei von zahlreichen Symptomen, die auf das sogenannte Post Covid-Syndrom hinweisen können. Ein normaler Alltag ist für Betroffene kaum denkbar und medizinische Hilfe bislang nur schwer möglich. Eine Gesprächsrunde im Evangelischen Bildungswerk.

Der Betroffene Karl Baumann (Mitte) und Lungenfacharzt Michael Pfeifer berichten im ebw von ihren Erfahrungen mit Post Covid (links im Bild: Moderator Carsten Lenk). Die Nürnbergerin Birgit Birner ist online zugeschaltet. Foto: bm

„Stellen Sie sich vor, ihr heiß geliebter Kaffee am Morgen, den Sie seit Jahren trinken, schmeckt einfach nicht mehr.“ Professor Michael Pfeifer, Lungenfacharzt bei den Barmherzigen Brüdern, spricht am vergangenen Dienstag im Evangelischen Bildungswerk (ebw) über die möglichen Folgen einer Corona-Erkrankung. Während in vielen Fällen die Krankheitssymptome spätestens nach einigen Wochen wieder abklingen und auch der Geschmackssinn wiederkehrt, leiden andere bis heute an den Folgen. Das Phänomen Post Covid beschäftigt seit nunmehr zwei Jahren weltweit die Medizin. Der Ekel vor Kaffee sei dabei keine Seltenheit, sagt Pfeifer, der 2020 am Aufbau einer der ersten Post Covid-Ambulanzen am Krankenhaus in Donaustauf beteiligt war. „Das führt zu einer extremen psychischen Belastung.“

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Wenzenbacher gründete eine der ersten Selbsthilfegruppen

Neben Pfeifer sind auch der Wenzenbacher Karl Baumann und die aus Nürnberg online zugeschaltete Birgit Birner Teil der Gesprächsrunde. Sie haben eine der ersten Selbsthilfegruppen für Post Covid-Patienten in Deutschland ins Leben gerufen. Aus eigener Erfahrung wissen sie vom beschwerlichen Alltag der Betroffenen zu berichten. Und wie neben den körperlichen Beschwerden oft auch die Psyche unter den Folgen der Krankheit leidet.

Immer wieder streut Pfeifer zur Verdeutlichung von ihm behandelte Fallbeispiele ein. Eine seiner Patientinnen rieche ständig Zwiebelgeruch und befürchte, dass das an ihr liege. „Überlegen Sie, sie gehen in die Öffentlichkeit und haben ständig Sorge, Sie riechen nicht gut.“ Manchmal sei es da schon ein Fortschritt, wenn wie bei einer anderen Patientin die Mango zumindest keinen Ekel mehr hervorruft. „Das ist eine Verarbeitung im Kopf, die jetzt gestört ist“, erklärt Pfeifer.

Für die meisten bedeute Post Covid aber vor allem ständige Erschöpfung, Konzentrationsschwierigkeiten und Atemnot. So auch für Karl Baumann. Der hatte sich Anfang März 2020 wohl in einer Gaststätte infiziert. „Nach vier Tagen kamen die ersten Symptome“, berichtet er. Kurze Zeit später musste er ins Klinikum Donaustauf eingeliefert werden. Drei Wochen lag der Maschinenbauer im Koma, musste künstlich beatmet werden. Erst weitere vier Wochen später konnte er entlassen werden. Baumann war einer der ersten Corona-Patienten von Dr. Pfeifer, der ihn in der Folgezeit weiter betreute.

Drei bis vier Prozent der bisherigen Corona-Fälle betroffen

Damals war Post Covid, die Krankheit nach der Krankheit, noch kaum bekannt. Zwei Jahre später ist das anders. Pfeifer sieht auf die Gesellschaft große Probleme zukommen. Drei bis vier Prozent der bisherigen Corona-Fälle sind laut dem Mediziner von Post Covid betroffen, würden also auch noch viele Monate nach der Erkrankung an den Folgen leiden. Viele wie auch Baumann seien arbeitsunfähig, müssten frühverrentet werden. „Das verursacht enorme Kosten für die Kassen“, sagt Pfeifer.

Und bei den Betroffenen? „Wir haben hier Menschen in der Mitte ihres Lebens, voll im Berufsleben, die plötzlich herausgerissen werden.“ Zuvor gesunde Personen hätten mit extremer Atemnot zu kämpfen, so Pfeifer weiter, mit Traumata und Erschöpfungszuständen. „Man ermüdet so schnell“, sagt auch Baumann. „Nach einer halben Stunde bin ich bereits komplett ausgelaugt.“

Ähnlich ergeht es Birner. Sie hatte sich vor zwei Jahren über ihren Mann mit Corona infiziert. Schlagartig habe sich ihr Leben verändert. Auf Reha lernte sie später Baumann kennen. Vier Gruppen mit insgesamt 140 Mitgliedern habe man mittlerweile. Menschen aus ganz Deutschland seien dabei, weshalb die Treffen bisher nur online stattfinden. „Aus Solidarität den Betroffenen gegenüber“, sagt Baumann. Die wolle man nicht alleine lassen, sondern dabei helfen, die Krankheit anzunehmen und einen Umgang damit zu entwickeln. Gegenseitig gebe man sich Tipps und Halt.

Betroffene wünschen sich mehr Verständnis

Solidarität und Verständnis wünschen sich Baumann und Birner auch von der Gesellschaft. Ihr persönliches Umfeld habe sich in den zwei Jahren merklich ausgedünnt. „Man solle sich nicht so anstellen“, hören die beiden immer wieder. Schließlich sehe man doch gar nicht schlimm aus. „Soll ich schlecht aussehen, weil es mir nicht gut geht“, fragt sich Birner bei solchen Aussagen und merkt an, dass es einem ja vor allem innerlich nicht gut gehe. Auch sie leidet nach wie vor an Erschöpfungszuständen. Dank ihres Arbeitgebers konnte sie innerhalb des Betriebes eine neue Stelle antreten und so trotz ihrer Erkrankung wieder anfangen, zu arbeiten.

Warum es überhaupt zu diesen Langzeitfolgen kommt, das kann die Medizin trotz intensiver Forschung bisher nicht abschließend beantworten. Eine symptombezogene Behandlung ist so nur bedingt möglich. Pfeifer geht am Dienstag auf die mittlerweile bekannten Symptome und deren Häufigkeit ein. Die populär gewordene Fatigue – die signifikante Müdigkeit im Missverhältnis zur vorhergehenden körperlichen Belastung – beschäftigt die Wissenschaft schon über zwanzig Jahren. Dabei ist die Fatigue selbst ein Sammelbegriff für verschiedene, subjektiv oft sehr unterschiedliche Krankheitsbilder und galt lange als psychisches Problem. „Da mussten wir Mediziner in den letzten Jahren viel dazu lernen.“

Kein Phänomen einer bestimmten Gruppe

Die bei Post Covid immer wieder auftretenden lang anhaltenden Muskelschmerzen, oft als ME/CFS bezeichnet, kennt die Medizin schon seit den 1950ern. Infektionskrankheiten wie das Epstein-Barr-Virus (Auslöser des Pfeifferschen Drüsenfiebers) können ME/CFS hervorrufen. Doch Corona übertreffe das bisher Bekannte deutlich. Wie Pfeifer am Dienstag ausführt, sei Post Covid kein Phänomen einer bestimmten Personen- oder Altersgruppe. Zwar seien statistisch vor allem Frauen ab Ende 30 sowie Schwarze am häufigsten betroffen. Letztlich könne es aber jeden treffen.

Mit den Langzeitfolgen von Kindern, die eine Corona-Infektion durchgemacht haben, beschäftigt sich seit längerem Dr. Michael Kabesch, Chefarzt der Kinder-Uni-Klinik Ostbayern (KUNO). Der hatte Mitte Februar bereits im Presseclub zum Thema Post Covid gesprochen. Kabesch ist Projektleiter des Netzwerks Post COVID Kids Bavaria und behandelt am KUNO an einer der ersten Post Covid Ambulanzen für Kinder in Europa immer wieder junge Patienten.

Seit Herbst: Mehr Kinder mit Langzeitfolgen

In den USA und England seien schon in den ersten Wellen zahlreiche Fälle unter Kindern und Jugendlichen aufgetreten, so Kabesch. Aufgrund der massiven Schulschließungen und Maßnahmen in Deutschland habe sich das Thema hierzulande erst mit Delta zum Problem entwickelt. Im Zuge der Omikron-Variante seien die Anmeldungen Anfang des Jahres dann massiv gestiegen. „Wir haben Schulen, in denen zehn Prozent der Schüler binnen einer Woche positiv getestet werden.“

Seit Herbst stellte Kabesch eine deutliche Zunahme bei Kindern mit Langzeitfolgen fest. Gerade das sogenannte Pädiatrische Immunmultisystemsyndrom (PIMS), eine schwere Entzündungskrankheit, spiele hier eine Rolle. Auch die Zahl stationärer Behandlungen sei Anfang des Jahres dramatisch gestiegen. Kabesch macht sich daher für die Impfung möglichst vieler Menschen stark. Wenn auch kein hundertprozentiger Schutz gegeben sei, so lasse sich dadurch aber das Risiko von Langzeitfolgen deutlich senken.

Auch Pfeifer setzt am Dienstag auf die Spritze. „Dass die Impfung nichts bringe, das ist eine absolute Fehleinschätzung.“ Der Annahme, eine Infektion mit der harmloseren Omikron-Variante könne das Immunsystem ausreichend stärken, erteilt Pfeifer eine deutliche Absage. „Das funktioniert nur, wenn ich vorher geimpft war.“

Omikron könnte auch bei Post Covid harmloser sein

Bezogen auf die Entwicklung der Post Covid-Fälle gibt Pfeifer aber erste Entwarnung. Die aktuellen Zahlen würden daraufhin hindeuten, dass Omikron auch hier harmloser sein könnte. „Genau wissen wir das erst in den kommenden Wochen.“ Aber bislang seien bei Erwachsenen keine Post Covid-Fälle nach einer Omikron-Infektion bekannt.

Den bereits Erkrankten müsse aber weiterhin geholfen werden. Dass Bund und Freistaat zuletzt erneut Gelder für die Post Covid-Forschung freigegeben haben, bewerten Baumann, Birner und Pfeifer deshalb als wichtiges Signal. Baumann und Birner stehen auch über ihre Selbsthilfegruppe in regem Austausch mit der bayerischen Landespolitik und fühlen sich dort mit ihrem Anliegen ernst genommen. Sie hoffen, dass durch intensive Forschung Betroffenen in absehbarer Zeit doch noch etwas besser geholfen werden kann.

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Kommentare (5)

  • M. Brunner

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    Danke für den Bericht.

    Was mir fehlt, sind journalistische Einordnungen der jeweiligen Aspekte und Aussagen.
    Z.B. der Aussage von Habesch, der seit Herbst eine deutliche Zunahme bei Kindern mit Langzeitfolgen festgestellt habe und eine Impfung das Risiko deutlich mindere.

    Ist das wirklich so? Deutliche Zunahme bei Kindern, Schutz durch Impfung?
    M.E. sind solche alarmistischen Behauptungen fehl am Platz.

    Ob bzw. wie sehr gerade Kinder von Long-Covid betroffen sind, ist doch noch Gegenstand von Forschungsprojekten.
    Solche Informationen hätte ich mir von einem rd-Bericht schon erwartet.
    https://dgpi.de/post-covid-19-survey/
    https://www.aerzteblatt.de/archiv/219754/SARS-CoV-2-Long-COVID-in-der-Paediatrie
    https://www.dgkj.de/fileadmin/user_upload/Meldungen_2021/210421_SN_HospitalisierungCOVID.pdf

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  • Gscheidhaferl

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    Ich wünsche niemanden, entsprechend zu erkranken. Aber bei jenen, die am lautesten und am heftigsten gegen eine allgemeine Impfpflicht polemisieren frage ich mich, was außer einer wenigstens mittelschweren Infektion sollte diese Leute sonst zur Besinnung bringen? Ich bin schlicht fassungslos, wie ignorant und verantwortungslos wir (und hier vor allem eine parlamentarische Mehrheit) an dieser Stelle agieren. Aber angeblich sollen ja auch Einige an Corona verstorben sein und haben sich bis zum Schluss geweigert, diese Realität anzuerkennen. Spätestens im Herbst wird uns unsere Realitätsverweigerung wahrscheinlich wieder sehr, sehr teuer zu stehen kommen.

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  • Gscheidhaferl

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    Manchmal sind auch Nebensätze sehr besorgniserregend: Dass statistisch ‘Schwarze’ überzufällig häufig von long covid betroffen zu sein scheinen, lässt bei mir die Alarmglocken schrillen. Gehört doch speziell der afrikanische Kontinent zu den am schlechtesten mit Impfstoff versorgten Weltregionen (während der Impfstoff bei uns aktuell ungenutzt vom Haltbarkeitsdatum her verfällt).

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  • Johna

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    @Gscheidhaferl

    Aber das soll doch bitte jeder für sich entscheiden.

    Wenn man geimpft ist man, deiner Meinung nach,
    ja geschützt und braucht weder eine Impfpflicht noch
    muss man andere bekehren.

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  • Josefin

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    Leider wird im Text nicht thematisiert, dass die zitierten Aussagen der Ärzte mit den Angaben in der letzten RKI- Wochenberichte nicht vereinbar sind. Warum so unkritisch?

    Folgende Aussagen sind gemeint und unvereinbar:
    Habesch spricht hinsichtlich der Impfung von Kindern davon, dass „Wenn auch kein hundertprozentiger Schutz gegeben sei …“ lasse sich das Risiko dadurch deutlich senken.

    Pfeifer meint: „Dass die Impfung nichts bringe, das ist eine absolute Fehleinschätzung.“

    Laut dem aktuellen RKI-Wochenbericht hingegen beträgt die Impfeffektivität hinsichtlich symptomatischer Erkrankung bei 5-11jährigen seit längerem NULL Prozent.
    Auch hinsichtlich der Hospitalisierung lag sie bei den 5-11jährigen zwischendurch bei NULL Prozent. Die Werte schwanken vogelwild.

    Das RKI interpretiert die Lage so: „Besonders niedrige Impfeffektivitäten zeigen sich für die Grundimmunisierung bei den Kindern zwischen 5 und 11 Jahren.“
    Quelle:
    https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-04-07.pdf?__blob=publicationFile

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