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Plädoyer für den deutschen Bußgeldkatalog oder: Von der Donau mit dem Auto an den Don

Sind Sie schon in der Ukraine von der Verkehrspolizei kontrolliert worden? Wir hatten im Rahmen einer Hilfslieferung aus Regensburg das Vergnügen, täglich in intensiven Kontakt mit den Verkehrsordnungshütern zu kommen. Über manche der Begegnungen berichten wir hier. ukraine1In die Denkweise der ukrainischen Behörden wurden wir gleich an der Grenze eingeführt, als sich ein Mitarbeiter der Zollbehörde für unsere Ladung interessierte. Für unser Projekt hatten wir einige Säcke Bettwäsche dabei. Wir dachten, dass eine solche Menge keine besonderen Papiere erfordern würde, zumal die Säcke sichtbar im Auto lagen. Der Zöllner fragte, ob wir die Bettwäsche gewogen hätten, und teilte uns mit, dass wir gegen die ukrainischen Zollbestimmungen verstoßen würden, da man nur 50 Kilogramm pro Person einführen dürfe. Unser Argument, dass es sich nur um den kleinen Rest einer Hilfslieferung handle – die Hauptladung wurde ordnungsgemäß verzollt mit einem LKW verschickt – beeindruckte ihn nicht besonders. „Gesetz ist Gesetz und ich habe meine Anweisungen. Also wie viel wiegt die Bettwäsche?“ Unser Versuch, ihm schmunzelnd beizubringen, dass wir drei Personen seien, unsere Ladung also 150 Kilo wiege, erfreute ihn keineswegs. Im Brustton der Überzeugung teilte er uns mit, dass ein Protokoll geschrieben werden müsse und dass wir am nächsten Tag vor dem Bezirksgericht in Vinnica vorstellig werden sollten. Wir baten ihn, nicht so kleinlich zu sein, wir würden doch humanitäre Hilfe für seine Mitbürger leisten und hätten eine lange Fahrt durch die ganze Ukraine vor uns. Darüber hinaus boten wir ihm freundlich an, ihn selber im Staatsgefängnis in Vinnica zu besuchen, wenn er wegen uns dort hin kommen sollte. Dort kennt man uns bereits, dorthin haben wir schon Hilfslieferungen gebracht. Ob der freundlichen Unterstützung verlor er die Fassung und zog sich mit dem Argument, er müsse sich beraten, in sein Häuschen zurück. Nach einer Weile kam er heraus und sagte: „Fahren Sie weiter!“ Wir haben gesehen, dass er mit niemandem gesprochen hat. Gerichtsdrohung Nr. 1 ukraine3Nach einer stundenlangen Fahrt von Mariupol nach Vinnica (circa 600 Kilometer Landstraße mit 60 Zentimeter tiefen Schlaglöchern) freuten wir uns über einen überraschend gut ausgebauten Straßenabschnitt. Da gerade keine Kuh auf der Fahrbahn in Sichtweite war, überholten wir einen langsameren Wagen. Bei dieser Gelegenheit fuhren wir an einer Polizeistreife vorbei, die in einem uralten Privatauto am Straßenrand lauerte. Unser erfahrener Reiseleiter (die 91. humanitäre Reise nach Osteuropa) erkannte aber das Stoppzeichen der Polizei und hielt nach einer entsprechend langen Bremsspur an. Damit der junge dünne Mann in der schmutzigen Uniform nicht zu weit zu Laufen hätte, setzte er zurück. Zur Begrüßung teilte der Polizist uns mit, wir hätten gegen die Verkehrsregeln verstoßen, wir seien zu schnell gefahren, nämlich exakt 113. „Wirklich so schnell? Haben Sie es gemessen?“, fingen wir unsere Konversation an. „Sie haben ein Auto überholt. Man darf 90 fahren, also sind sie logischerweise schneller gefahren. Nämlich 113.“ Wir hatten keine Zeit, uns über seine verblüffend kompetente Einschätzung zu wundern, denn er forderte den Fahrzeugschein und wollte unseren Kofferraum sehen. Als Konsequenz unseres vermeintlichen Verstoßes bot er uns an, einen Gerichtstermin in Kirovograd (etwa 100 Kilometer entfernt) zu organisieren. Da widersprachen wir aber, während er ratlos in den Fahrzeugpapieren blätterte. Es war nicht zu erkennen, was er suchte. Er hätte gerne gewusst, wo wir herkommen, was wir dort gemacht haben. „Wir haben humanitäre Hilfe nach Mariupol gebracht“, sagen wir. Im Kofferraum unseres Kleinbusses liegt nur noch unser Privatgepäck – er aber möchte die humanitäre Hilfe sehen. „Die haben wir ja da gelassen“, antworten wir wahrheitsgemäß. Sein Blick wandert enttäuscht durch den Kofferraum und bleibt an zwei Kasten Wasser hängen. „Wo haben Sie das Wasser her? Kommt es aus Deutschland?“ Wir antworten, dass wir es aus Deutschland mitgebracht haben und fragen uns, ob wir somit gegen die Zollbestimmungen verstoßen haben. „Ist das Wasser kalt oder warm?“, ließ der Verkehrspolizist nicht locker. „Leider schon warm“, gaben wir zurück, woraufhin er uns großzügigerweise weiter fahren ließ. Gerichtsdrohung Nr. 2 Offenbar zu Schulungszwecken hatte die Polizei in einer Stadt in der Mittelukraine die Ampel ausgeschaltet. Der Kräftigste von etwa einem Dutzend Beamter stand in der Mitte und regelte mit Inbrunst und Trillerpfeife den Verkehr. Als wir an ihn heranfuhren, und hinter seinem Rücken links abbogen, wurden plötzlich alle greifbaren Trillerpfeifen aktiv und Verkehrszeigestöcke deuteten auf uns. Um nicht den ganzen Verkehr aufzuhalten, hielten wir erst nach einigen Metern. Kaum standen wir, wurden wir beschimpft, wir hätten das Stoppsignal missachtet. Wir ließen den Anpfiff über den nicht sofortigen Stopp über uns ergehen, doch dann kam ein offenbar bedeutenderer und doppelt so starker Polizist hinzu und machte uns auf den verheerenden Verstoß gegen die Genfer Konvention von 1963 aufmerksam. Unser Vergehen: Wir hätten an dem Chef nicht vorbei fahren dürfen. Als Konsequenz verlangte er – nach Beratungen mit seinen Kollegen – eine Strafe von umgerechnet 42 Euro. Als wir uns damit nicht einverstanden erklärten, war er bereit, für uns einen Gerichtstermin in der nächsten Kreisstadt zu vereinbaren. Wir teilten ihm mit, dass wir einen Hilfstransport hinter uns hätten und heute gerne noch 500 Kilometer fahren würden. Als er erfuhr, dass wir humanitäre Hilfe für Häftlinge und Strafvollzugentlassene geleistet und zudem in einer psychiatrischen Klinik in Vinnica übernachtet hatten, äußerte er sich abfällig und ging zum Duzen über: „Fahr weiter!“ Gerichtsdrohung Nr. 3 ukraine2Unser täglicher Kontakt mit der Verkehrspolizei wurde auf einer schön ausgebauten Umgehungsstraße bei Lviv abgerundet. In einer Kurve, bergauf, unübersichtlich nach einer Doppelspur war plötzlich eine Geradeaus- und eine Rechtsabbiegerspur. Dort wartete bereits die Polizei und hielt vorsorglich fast alle Fahrzeuge an. Kaum jemand konnte sich in dieser Situation völlig korrekt verhalten. Von der Rechtsabbiegespur mussten wir in die Mitte und überfuhren dabei mit Tempo 20 die durchgezogene Linie. Die Vernehmung am heruntergekurbelten Fenster erfolgte in einem Sprachgemisch aus Ukrainisch und Russisch. Zuerst wollte der junge Polizist die Papiere sehen, die wir ihm aber nicht sofort gaben. Statt die Papiere einzufordern, schwenkte er um und verlangte Papier und Bleistift. In Sekundenschnelle skizzierte er meisterhaft unser vermeintliches Fehlverhalten, das wir freilich anders erlebt hatten. Als wir nicht sofort freudig seiner Zeichnung zustimmten, kam die obligatorische Gerichtsdrohung: Montag, acht Uhr, Gericht Lviv. Als er merkte, dass wir uns aufs Gericht einlassen würden (was für ihn Schreibarbeit bedeuten würde), lenkte er ein und forderte uns auf, weiter zu fahren und keine Fehler mehr zu begehen, Fazit Ohne Mehrkosten und ohne Fortbildungsprogramm hatten wir täglich innovative Begegnungen mit den Hütern der ukrainischen Verkehrsordnung. Als rechtstreue Menschen gestehen wir zu, dass es ohne kleine vermeintliche Verstöße gegen das Verkehrsrecht in der Ukraine wohl nicht geht. Wir versichern, dass kein Polizeibeamter sofort Geld wollte und dass wir keinem solches angeboten haben. Wie wir hörten, ist die Polizei dabei, ihr Verkehrsrecht zu aktualisieren. Martin Braune Hans-Friedrich Bauer Hana Pfalzová
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Kommentare (11)

  • Roswita Hallhuber

    |

    Das ist ja saukomisch!

    Gibt´s das irgendwo in Buchform?

  • grace

    |

    Bitte Fortsetzung!!!

  • Joachim Datko

    |

    Bei uns wird gerne mit den Fingern auf andere Länder gezeigt. Die deutsche Bürokratie ist aber auch nicht ohne.
    Beispiel (Realsatire) :
    Sie sind in einem Land, das in Bezirke für Bezirksschornsteinfeger eingeteilt ist, wo befinden Sie sich?
    – in England
    – in Deutschland
    – in den USA
    – in Frankreich
    – in Luxemburg

  • big easy

    |

    ***Bei uns wird gerne mit den Fingern auf andere Länder gezeigt. Die deutsche Bürokratie ist aber auch nicht ohne.
    Beispiel (Realsatire) :
    Sie sind in einem Land, das in Bezirke für Bezirksschornsteinfeger eingeteilt ist, wo befinden Sie sich?
    – in England
    – in Deutschland
    – in den USA
    – in Frankreich
    – in Luxemburg***

    eigentlich darf man es dem Herrn Datko nicht übelnehmen. Er ist, was die staatliche Verwaltung angeht, aufgrund eigener Erlebnisse, die auf alles überträgt, was auch nur einen hauch von “Gemeinwesen”, “Regelungen” und Mitarbeiter die für die Allgemeinheit tätig sind, völlig traumatisiert.

    Allerdings nervt sein Tantra langsam.

  • deejay12345

    |

    Ich glaube einige Leute sollten mal eine Zeit lang im Ausland leben… Krank was hier geschrieben wird! So einen Vergleich zwischen einem Land das auf Hilfsgüter angewiesen ist und Schornsteinfegern zu ziehen, entzieht sich meines Begreifens. Was daran komisch sein soll wenn jemand kriminell andere Leute abzockt (um seinen Lebensunterhalt einigermaßen bestreiten zu können) geht mir auch nicht in den Kopf. Hier wird sich auf das übelste über ein anderes Volk lustig gemacht (der Autor inklusive) das auf Deutsch gesagt “nicht mal was zum fressen hat”! Frau Hallhuber, Herr Datko – sie sind beide das allerletzte!

  • Rainer Fröbe & Alla Ehrlich

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    “Saukomisch” ist das alles natürlich erst, wenn man wieder in Deutschland ist.

    Wir wünschen dem humanitären Team viel Erfolg bei der 92. Reise.

    Grüße ans Dream-Team vom Krim-Team!

  • Joachim Datko

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    Zu deejay12345 am 10. Jul 2009, 22:27
    “Hier wird sich auf das übelste über ein anderes Volk lustig gemacht (der Autor inklusive) das auf Deutsch gesagt “nicht mal was zum fressen hat”! Frau Hallhuber, Herr Datko – sie sind beide das allerletzte!”
    ===
    Das im Artikel beschriebene Verhalten kenne ich aus der “innerdeutschen” Erfahrung noch allzu gut. Da hat mich manch ein satter deutscher Vopo schikaniert, der seine persönlichen Machtgelüste über die Uniform abreagiert hat. Einmal hat man mit mir das Spiel rauswinken sogar noch gespielt, als der Laden DDR schon in “Konkurs” war. Meiner Erfahrung nach wird behördliche Macht ausgenützt, egal in welchem Staat man ist.

  • BB

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    @deejay

    Sie halten sich wohl für die letzte Bastion von Anstand und Moral, nicht einmal humanitäre Helfer(=Autoren des Artikels) finden Gnade vor Ihrem Urteil.
    Übernehmen Sie doch die nächste Hilfslieferung, genug zu spenden haben Sie ja: Jede Menge wohlfeile Sprüche,Liebe und Mitgefühl.

    “Krankhafte” Züge sind übrigens eher an Ihrem Kommentar zu erkennen: Erste Anzeichen einer Moralin-Vergiftung.

  • Roswita Hallhuber

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    @deejay12345

    Langsam langweilt Ihre politisch-korrekte Masche hier im Forum.

    Das glaubt Ihnen doch kein Mensch!

    Suchen Sie sich halt ein neues Pseudonym und legen Sie sich eine andere Attitüde zu.

    Vielleicht gehen Sie im nächsten Fasching ja mal als Clown?

  • Ukraine Insider

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    Man kann den Bericht nur bestätigen, das ist noch harmlos was dort berichtet wurde. Es gibt in der Ukraine keinen Polizisten der nicht korrupt ist und sich täglich die Taschen füllt. Deutsche Fahrzeuge sind leicht zu erkennen und werden speziell angehalten. Die Abzocke von Deutschen ist eh in der ganzen Ukraine in allen Bereichen sehr beliebt, egal ob auf der Strasse oder selbst in den hohen Kreisen der Politik. Warum sich die BRD das bieten lässt liegt nicht zuletzt daran das viele Bürger aus den neuen Bundesländern in den entsprechenden Positionen die BRD vertreten. Die alte SU Freundschaft wird da fleissig betrieben und der deutsche Steuerzahler kriegt es kaum mit wo die Millarden bleiben. In der Ukraine lebt die DDR !

  • Bauer

    |

    Endlich, Datko konnte wieder mal seine Schornsteinfeger Phobie zum besten geben.

    Nicht neu aber immer wieder gut – glaubt (nur noch) Datko.

Kommentare sind deaktiviert

drin