08 Apr.2013
"Frau müller muss weg" am Theater am Haidplatz
Perfekter Ausnahmezustand
Auf der kleinen Haidplatzbühne des Theaters Regensburg ist die Schulwelt noch so, wie sie die letzten Jahre konstant war: Der Übertritt als perfekter Ausnahmezustand. Bei der Premiere von „Frau Müller muss weg“ (Fotos: Juliane Zitzelsberger).
Dann ist da noch der arbeitslose Wolf (mit hilfloser Aggressivität: Michael Lämmermann), der seiner Tochter mit Aufmerksamkeit und schulischer Förderung zusetzt, so dass diese gar nicht mehr in die Schule gehen will. Katja (tupperboxbewaffnet: Silke Heise), deren Sohn zwar gute Noten mit heimbringt, aber nicht erzählt wie’s ihm geht. Und natürlich Frau Müller (Gabriele Fischer), die anfangs noch versucht die Eltern ernstzunehmen, aber doch ganz andere (und mitunter ehrlichere) Ansichten auf die Kinder der 4. Klasse hat.
Der Übertritt ist hier kraftvoll, knackig und kurz als Spirale einer Katastrophe erzählt – was kurzweilig und mitunter sehr lustig ist. Mit „Frau Müller muss weg“ zeigt sich erneut, dass die echten Juwelen des Theaters Regensburg am Haidplatz gegeben werden. Der Applaus ist am Ende fast endlos. Zu Recht.
Frau Müller muss weg. Schauspiel von Lutz Hübner. Regie: Sahar Amini. Bühne und Kostüme: Anna Schurau. Mit: Sebastian Ganzert, Janina Schauer, Silke Heise, Pina Kühr, Michael Lämmermann, Gabriele Fischer, David Weiss.
„So hat noch nie jemand über mein Kind gesprochen und so darf niemand über mein Kind sprechen. Das lasse ich nicht zu.“ Marina JeskowFürs bayerische Bürgertum gibt es nur zwei Wege fürs eigene Kind: das Gymnasium, oder die Orte, über die man lieber nicht spricht (Realschule oder – luftanhalt – Hauptschule). Die strengen Übertrittsregeln, gerade im bayerischen Schulsystem sorgen regelmäßig dafür, dass sich liebende Muttis und Vatis ab dem neunten Lebensjahr des Nachwuchses in Monster verwandeln: Das liebe Kleine ist nicht gut genug? Wird’s halt mit Ritalin ruhiggestellt und auf Gedeih und Verderb mit Förderunterricht eingedeckt. Weil Bildung ja der wichtigste Grundstein einer erfolgreichen Existenz ist, und ohne gymnasiale Bildung ist man ja nichts mehr in dieser Welt, nicht wahr? Glücklicherweise gibt es gerade jetzt den Anfang eines Umdenkens in der Gesellschaft: Gymnasien müssen um ihre Klassenauslastung kämpfen, der Bildungsweg Realschule – BOS – Fachoberschulreife und FH-Studium wird für viele Familien attraktiver, was auch am Druck liegt, den die Bayern sich und ihren Kindern machen und der nicht mehr unbedingt als Weisheit letzter Schluss verstanden wird. Es rumort in Bayerns Schulen. Aber auf der kleinen Haidplatzbühne des Theaters Regensburg ist die Welt noch so, wie sie die letzten Jahre konstant war: Der Übertritt als perfekter Ausnahmezustand.