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Verwaltungsgericht

Pauschales Demoverbot in der Altstadt gekippt

Wer in den letzten Monaten versuchte, in der Regensburger Altstadt eine Demonstration anzumelden, hatte stets das Nachsehen. Das Ordnungsamt untersagte solche Veranstaltungen regelmäßig und verwies auf den Infektionsschutz. So leicht darf es sich die städtische Behörde künftig nicht mehr machen. Das Verwaltungsgericht urteilte: Infektionsschutz ist kein Freibrief.

Wer nicht anmeldet, hat mehr von der Demo: Montagsspaziergang im letzten Winter. Foto: om

Wer in der Vergangenheit eine angemeldete Demonstration in der Regensburger Altstadt durchführen wollte, der biss beim hiesigen Ordnungsamt in aller Regel auf Granit. Während die nicht angemeldeten Montagsspaziergänge von Corona-Maßnahmen-Gegnern unbehelligt im Kernbereich der Altstadt unterwegs waren, wurden andere Demonstrationen in diesem Gebiet regelmäßig untersagt – Begründung: Infektionsschutz.

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Fridays for Future hatte sich in der Vergangenheit mehrfach über diese Ungleichbehandlung beklagt. Und zuletzt stand nach Informationen unserer Redaktion auch der alljährliche Gedenkweg für die Opfer des Faschismus am 23. April zunächst auf der Kippe. Doch nun scheint dieses pauschale Demonstrationsverbot vom Tisch zu sein. Ende März beurteilte das Verwaltungsgericht Regensburg diese Praxis des Ordnungsamts bzw. des dafür verantwortlichen Rechtsreferats als rechtswidrig (die Entscheidung als PDF).

„Den Kernbereich der Altstadt von Aufzügen freihalten“

Geklagt hatte ein Regensburger, der für den 2. April einen Aufzug zu dem Thema „Kein Milliarden für den Krieg“ angemeldet hatte. Die schlussendliche Route, zu der maximal 50 Teilnehmerinnen erwartet wurden, sollte vom Georgenplatz (Eiserne Brücke) über die Thundorfer- und Keplerstraße zum Arnulfsplatz und von dort durch die Ludwigstraße zum Haidplatz führen. Doch das Ordnungsamt stellte sich quer und untersagte eine Demonstration auf Ludwigstraße und Haidplatz. Die Behörde begründete das damit, „dass der Kernbereich der Altstadt Regensburg aufgrund des nach wie vor hohen Infektionsgeschehens von Aufzügen freigehalten werde“.

Dies gelte trotz der milder verlaufenden Omikron-Variante und insbesondere an Samstagnachmittagen, wo es ohnehin schon ein hohes Besucheraufkommen in der Regensburger Altstadt gebe. Deshalb bleibe der Aufzug über Ludwigstraße und Haidplatz, wo montags unangemeldet auch schon bis zu 1.000 Maßnahmengegner unbehelligt spazieren gingen, untersagt. Die Mindestabstände könnten dort nämlich nicht eingehalten werden.

Verwaltungsgericht: Rechtsreferat verletzt Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Das Rechtsreferat stützte sich dabei insbesondere auf Art. 15 Abs. 1 des Bayerischen Versammlungsgesetzes. Demnach können Kundgebungen und Demonstrationen untersagt oder eingeschränkt werden, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährdet wäre – in diesem Fall durch die Infektionsgefahr, die von einer solchen Veranstaltung ausgehe.

Dieses pauschale Verbot hat das Verwaltungsgericht Regensburg nun am 31. März als rechtswidrig eingestuft. Zwar geht die Kammer davon aus, „dass insbesondere sich bewegende Versammlungen grundsätzlich Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen haben können“. Auch rate das Robert-Koch-Institut trotz eines weitaus geringeren Risikos schwerer Corona-Verläufe als noch bei den ersten Wellen dazu, auch im Freien einen Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten und größere Menschenansammlungen zu vermeiden. Doch auch vor diesem Hintergrund verstoße das städtische Verbot gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Selbst der Freistaat sieht das nicht mehr so eng

„Insbesondere das grundsätzliche Verbot von sich fortbewegenden Versammlungen in der Altstadt der Stadt Regensburg aus Infektionsschutzgesichtspunkten ist aus Sicht des Gerichts nicht mehr gerechtfertigt, vielmehr ist für jede Versammlung eine gesonderte Einzelfallprüfung vorzunehmen“, so die Richter. Und diese Prüfung falle klar zu Gunsten des Anmelders aus – allein schon, weil „eine (zwangsläufige) Unterschreitung der Mindestabstände in diesem Bereich angesichts der räumlichen Verhältnisse, von denen das entscheidende Gericht eigene Kenntnis hat, bereits zweifelhaft“ sei. Die Ludwigstraße könne schließlich auch unproblematisch durch Busse bzw. den Lieferverkehr passiert werden. Von einer „engen Gasse“, wie es das Rechtsreferat behaupte, könne man also hier keinesfalls ausgehen.

Zudem nehme selbst der Freistaat Bayern die derzeitige Infektionslage nicht mehr zum Anlass für generelle Einschränkungen der verfassungsrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit. Die Veranstaltung durfte also stattfinden.

Rechtsreferat wollte städtische Veranstaltung untersagen

Folgen hat das auch für den Gedenkweg am 23. April, der jedes Jahr von Stadtamhof über Dom- und Neupfarrplatz zum Minoritenweg (heuer zum Georgenplatz), Jüdischer Gemeinde und Dachauplatz führt – also ebenfalls durch den Kernbereich der Altstadt. Noch vergangene Woche machten im Organisationskreis der Veranstaltung, die auch von der Stadt Regensburg getragen wird, Mails die Runde, denen zufolge das Ordnungsamt den Gedenkweg aus Infektionsschutzgründen nicht zulassen wolle. Erst Anfang dieser Woche gab es nun Entwarnung und Hintergrund dürfte insbesondere die aktuelle Schlappe des Rechtsreferats vor dem Verwaltungsgericht sein.

Noch bei der Veranstaltung am Montag, der „Topografie des letzten Weges“, hatten sich Anwesende gewundert, weshalb die Oberbürgermeisterin dort mehrfach erwähnt hatte, dass jeder der 150 Teilnehmer sich den Weg zur nächsten Station „individuell“ suchen solle. Hintergrund all dessen: Zwar waren die einzelnen Kundgebungsorte als solche angemeldet, allerdings nicht der Weg von einer Station zur nächsten. Ein etwas anderer Montagsspaziergang also…

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