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Man muss den Narragonen und Lustcaniern dankbar sein. So im Bewusstsein der Regensburgerinnen und Regensburger war der Holocaust-Gedenktag am 27. Januar noch nie. Als am 2. April letztes Jahr der Termin in einer Tageszeitung zum ersten Mal genannt wurde, war es lediglich Stadträtin Margit Kunc (Grüne) aufgefallen, um welches Datum es sich da handelt. Das hat sich mittlerweile geändert.

Herbert Schlegl wird den Mitgliedern der CSU-Stadtratsfraktion empfehlen, nicht am Faschingszug teilzunehmen, sollten die Narren am 27. Januar festhalten (Schlegl: „An so einem tut man das nicht.”), auch von der SPD kamen entsprechende Aussagen und von der Pressestelle ist zu hören, dass sich OB Hans Schaidinger eingeschaltet hat, um zu vermitteln, was so viel heißen dürfte wie: Die Narren davon zu überzeugen, den Gaudiwurm zu verlegen. Lusticanier und Narragonen tagten gestern bis in den späten abend. Zu einer Entscheidung scheint es – wie verlautet – noch nicht gekommen zu sein.

„Wenn der Umzug an diesem Tag stattfindet, ist das saudumm”, sagt Hans Rosengold, der alte Herr der Jüdischen Gemeinde in ungewohnter Deutlichkeit zu unserer Zeitung.

Dass er „kein Faschingsmuffel” ist, darauf legt Hans Rosengold schon wert, als wir uns kurz vor der offenen Sitzung in der Jüdischen Gemeinde mit ihm unterhalten. Vor 40 Jahren hat er von den Narragonen sogar einen Orden erhalten, erwähnt er lächelnd. Aber über den Faschingszug am Holocaust-Gedenktag mag sich Rosengold nicht so richtig freuen. Und vor allem über die Diskussion, ob es überhaupt notwendig sei, diesen Faschingszug zu verschieben.

Während sich der Gemeindesaal langsam füllt, muss Rosengold viele Hände schütteln. Es kommen Gäste vom Buddhistischen Zentrum und der Muslimischen Gemeinde, Protestanten und Katholiken, Stadtrat Eberhard Dünninger ist da oder Patrizia Wehrmann von der SPD, Gustav Rosenstein von der Regensburger Gruppe von „Religions for Peace”, die sich gestern in einem Brief deutlich dafür ausgesprochen hat, den Termin zu verlegen. Später will man gemeinsam über das Sterben in allen Religionen sprechen, die Kontroverse um den Faschingszug findet allenfalls in Zwiegesprächen Erwähnung.

Rosengold wählt eigentlich selten scharfe Worte und auch die Jüdische Gemeinde in Regensburg ist für ihre versöhnende und offene Art bekannt. Nicht zuletzt anlässlich des Todes von Otto Schwerdt wurde dies von verschiedensten Seiten immer wieder hervorgehoben.

Aber mit dem geplanten Faschingsumzug für den 27. Januar sieht Rosengold „etwas berührt, wo es nichts zu vermitteln gibt”, sagt er, als wir ihn auf die Vermittlungsversuche von Oberbürgermeister Hans Schaidinger ansprechen.

„Man bedenke, dass von Regensburg aus über 250 Frauen, Männer, Greise, Kranke und Kinder deportiert wurden. Da kann es für mich kein Amüsement sein, am Abend über Luftschlangen und Konfetti-Teppiche zur Gedenkveranstaltung zu gehen. Für wen kann es das sein? Wie gedankenlos muss man dafür sein?”

Ein Brief, den Rosengold zusammen mit seiner Vorstandskollegin Ilse Danzinger vor drei Tagen an die Faschingsgesellschaften geschrieben hat schloss mit: „Sie müssen diesen Brief nicht beantworten, es sei denn, Sie machen uns Mitteilung, dass der Faschingszug an einem anderen Sonntag veranstaltet wird.” Danach gab es einige Anrufe. Zuletzt von Hannelore Goppel, Stadträtin, Senioren-Faschingsprinzessin der Narragonia. Sie habe ihr Bedauern ausgedrückt und betont, dass die Terminwahl „keine böse Absicht” gewesen sei. „Ich unterstelle keine böse Absicht. Ich mache niemandem einen persönlichen Vorwurf”, hat Rosengold zu ihr gesagt. Er würde sich auch über einen Faschingsumzug freuen – aber nicht an diesem– weltweit begangenem – Tag. Punktum.

Sicher: Die Lusticanier und Narragonier feiern beide – für Faschingsgesellschaften – herausragende Jubiläen. Sicher: Eine Verschiebung zum jetzigen Zeitpunkt wird schwierig, kostet Zuspruch und Gäste (vorher will man es ja nicht gewusst haben), aber für die jüdische Gemeinde als Ganzes und für Rosengold als Einzelnen gehört es zum „Common Sense” am Holocaust-Gedenktag keinen Faschingsumzug zu veranstalten. „Ebenso wie man nicht mit einer lustigen Blasmusikkapelle über den Friedhof zieht”.

„An diesem Tag sind mir die Jubiläen wurscht.” Rosengold sagt all diese deutlichen Botschaften sehr ruhig und bedächtig und auf die Frage, warum er, den man ansonsten eher als keinen Freund harscher Worte kennt, hier kompromisslos bleibt, antwortet er nur: „Ich bin 84 Jahre alt. Ich habe Einiges erlebt und ich habe das Recht hier eine deutliche Meinung zu haben.” Von Entschuldigungen und Bedauern hat Rosengold nichts.

Und auch wenn er während des ganzen Gesprächs immer wieder lächelt, muss es bitter für ihn sein, dass er gerade einen guten Freund und letzten seiner Generation verloren hat und dass die Diskussion um den Gaudiwurm nach dem Motto läuft: „Entschuldigung, aber mein Gott, warum müssen uns ,die’ unseren schönen Fasching versauen. Es ist doch schon so lang her.” Wir beenden das Gespräch, die Sitzung beginnt, nach einer Gedenkminute für Otto Schwerdt wird über den Tod geredet.

Heute treffen sich die Faschingsgesellschaften mit der Stadtverwaltung. Danach soll eine Entscheidung fallen.

Nachsatz: Tags darauf haben die Faschingsgesellschaften ihren Umzug um eine Woche auf den Faschingssonntag verschoben. Die Red.

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