Feierlich: Das König-Ludwig-Denkmal wird zur Sanierung gebracht. Brauereidirektor Hermann Goß, Kulturreferent Unger und OB Schaidinger im Kreis der Bierköniginnen. Foto Staudinger
Er sei nicht gekommen, um Salz in offene Wunden zu streuen. Nein, er wolle „Wunden salben”. Gut gelaunt, wenngleich nicht ganz freiwillig kam Generalkonservator Egon Greipl am Mittwochabend in den Regensburger Spitalgarten, um zur Frage „Napoleon und Bayern – kann man über das Jahr 1809 streiten?” zu referieren. Vorneweg: Greipls Antwort lautet „Nein”. Die historischen Fakten seien eindeutig.
Gestritten wird dennoch heftig – (nicht nur) in Regensburg über die Gedenkinschrift, die Kulturreferent Klemens Unger in Stadtamhof hat anbringen lassen. „1809 Schreckenstage durch Napoleon Zum Gedenken an die Opfer” steht dort seit geraumer Zeit in Stein gemeißelt. Völliger Blödsinn, sagen Historiker. Völlig korrekt, sagt Klemens Unger.
„Eigentlich tut es mir leid, dass ich heute darüber reden muss”, bekennt Greipl am Mittwoch. Immerhin war er einer von Ungers Vorgängern im Amt des Kulturreferenten – und Kollegenschelte liegt Greipl nicht. Doch die Einladung des Heimatvereins Stadtamhof steht bereits seit Monaten. „Wir wollen damit unserer Verantwortung gerecht werden”, sagt der Vorsitzende und Greipl-Spezl Alfred „Jet” Hofmaier. Und so nimmt Greipl Stellung. Ungers Name fällt dabei kein einziges Mal. Das Urteil über die Inschrift ist – wenn auch moderat im Ton – fachlich eindeutig. Was Greipl beschreibt, stellt Unger in eine fragwürdige Tradition und wirft ein neues Licht auf die vom Kulturreferenten betriebene Versetzung des König-Ludwig-Denkmals auf den Domplatz.
Gekommen, um “Wunden zu salben”: Generalkonservator Egon Greipl. Foto: Stadt Regensburg
Ludwig I. war es, der nach den Befreiungskriegen 1813 bestrebt war, die eigene Vergangenheit umzudeuten, alles was vor dieser Zeit lag, abzuschneiden. Das bayerische Königstum von Napoleons Gnaden, der gemeinsame Krieg gegen die Österreicher, der gemeinsame Russlandfeldzug sollte der Vergessenheit anheim fallen, an seine Stelle nur und ausschließlich der antinapoleonische Befreiungskampf treten. Mit Bauten wie der Befreiungshallen in Kelheim oder dem Obelisken am Münchner Karolingerplatz erfuhr diese Umdeutung ihren baulichen Ausdruck. Ludwig I. begründete eine Tradition deutschnationaler, antifranzösischer und königstreuer Geschichtsschreibung.
Greipl macht diese Tradition – neben anderen Ursachen – verantwortlich für die beiden Kriege von 1866 und 1871. Auch zu den beiden Weltkriegen habe diese propagandistische Geschichtsschreibung ihren Beitrag geleistet.
Wenige Jahre vor dem ersten Weltkrieg war es der Regensburger Pfarrer Johann Hiederer, der die Tradition Ludwigs I. bei einem Vortrag vor dem katholischen Männerverein Stadtamhof weiterführte. Seine daraus entstandene, von Franzosenhass geprägte Publikation erschien 1909 unter dem Titel „Die Schreckenstage von Stadtamhof im April 1809”.
Weitere 100 Jahre später ließ Kulturreferent Unger diese Publikation neu auflegen – ohne Hinweis, dass es sich dabei um einen Neudruck handelt. Den darin erstmals verwendeten Begriff „Schreckenstage” übernahm er kurzerhand und ließ ihn in Stein meißeln. Gegenüber dem Bayerischen Fernsehen behauptete Unger gar, der Begriff sei zeitgenössisch, stamme aus der Zeit der Beschießung Stadtamhofs.
Darüber, dass die Inschrift (Foto) historisch falsch sei, gebe es nichts zu streiten, so Greipl. Regensburg habe sich damit das Leben unnötig schwer gemacht. Es gebe eine Diskussion über eine Frage, bei der es eigentlich nichts zu streiten gebe. Genüsslich warf der Generalkonservator als Beleg entsprechende Karikaturen von Joachim Weller an die Wand. Die Frage, wer eigentlich hinter der Inschrift stehen soll, sparte Greipl wohlweislich aus. Dann hätte er, mangels anderer Verfechter der Napoleon-Schreckenstage-These, Ungers Namen nennen müssen. Das hätte nicht zum „Wunden salben” gepasst.
Die Frage sei: Wie geht man jetzt damit um? Einer von Greipls, wohl nicht ganz ernst gemeinten und als Überleitung zum anschließenden Freibier gedachten Vorschläge, die Gedenkinschrift in „Schreckenstage – unter anderem – durch Napoleon” umzuwandeln, sorgte für einige Erheiterung bei den Zuhörern, zu den auch der städtische Archivleiter Heinrich Wanderwitz gehörte – spiritus rector der historischen Ergüsse Ungers.
Wichtig sei es, falsches zu korrigieren, eine Gedenkinschrift zu finden, die den Anforderungen von historischer Korrektheit und versöhnlichem Inhalt gerecht werde und keine Unwahrheiten ins kollektive Gedächtnis zu brennen, so Greipl. Bemüht um ein versöhnliches Ende stellte Greipl heraus, dass die Inschrift immerhin zu einer intensiven Diskussion über das Jahr 1809 und die historischen Zusammenhänge geführt habe. „Viele haben daraus etwas gelernt.” Leider nicht alle. Im Mai wird das Denkmal von Ludwig I. auf den Domplatz versetzt.
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