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Simon Blengl ist Familienvater. Seit gut vier Jahren arbeitet er in Regensburg beim privaten Postzusteller Citymail. Dort verdient er pro zugestellter Sendung zwischen acht und 16 Cent. Das Sortieren der Post muss er zuvor ebenfalls übernehmen – unbezahlt. Akkordarbeit am untersten Level der Lohnskala. In einem „guten Monat“ kommt Blengl auf etwa 1.100 Euro. Citymail ist keine Ausnahme.

In der Zustellbranche sind Slogans wie „Geiz ist geil“ oder „Billig ist besser“ offenbar Geschäftsprinzip. Schuld daran ist nicht zuletzt eine Schlamperei des früheren Arbeitsministers Olaf Scholz. Weil er es versäumt hatte, bei einem Gesetz zum Mindestlohn für Postzusteller die Unternehmer anzuhören, wurde das Gesetz vor Gericht gekippt. Die aktuelle Bundesregierung bleibt bei dem Thema untätig. Seitdem dreht sich die Lohnspirale nach unten.

Am Montag ist Aktionstag der Gewerkschaft verdi vor dem Gebäude der Mittelbayerischen Zeitung – Citymail ist eine 100prozentige Tochter des Medienkonzerns. Damit ist man hier mit der Forderung nach einem Tarifvertrag im Zustellwesen genau richtig. Es ist ein kleines Häuflein, das sich um Gewerkschaftssekretärin Nicole Rufin versammelt hat. Die knapp 20 Leute kommen aus Rosenheim, München oder Augsburg. Einige wenige aus Regensburg sind auch dabei.

Der Kampf für verbindliche tarifliche Regelungen in der Zustellbranche stößt auf wenig Resonanz – sowohl bei den Beschäftigten, wie auch bei den Medien. In München, wo vor zwei Wochen 150 Leute auf der Straße waren, um für eine vernünftige Bezahlung der Zusteller zu demonstrieren, sei überhaupt keine Zeitung vor Ort gewesen, erzählt ein Teilnehmer. Wen wundert’s: Als Billigzusteller in Konkurrenz zur Post zu treten, gehört mit zum Geschäft der größeren Verlagshäuser. Und hier zählt vor allem eines: Der Preis.

Der wird auf dem Rücken der Beschäftigten gestaltet. Während bei der Post derzeit noch bis zu 14 Euro die Stunden gezahlt werden, liegt der Lohn bei privaten Zustellern teils nur bei sechs Euro. Dazu passt eine Meldung der Financial Times vom Wochenende, derzufolge die Post ihre Billigtochter First Mail weiter ausbauen will. Dort werden 9,80 Euro die Stunde bezahlt.

Einen verbindlichen Stundenlohn für die Zusteller von Citymail in Regensburg – sie werden pro Stück bezahlt. Da haben vor allem ältere Mitarbeiter das Nachsehen. Simon Blengl kommt auf etwa acht Euro die Stunde. „Damit bin ich wahrscheinlich der am besten verdienende Zusteller bei Citymail Regensburg.“

160 Angestellte arbeiten in Regensburg bei Citymail, 60 von ihnen sind Zusteller. Sie haben nahezu alle Teilzeitverträge, arbeiten zwischen sieben und zehn Stunden täglich. Viele haben einen Zweit- und Drittjob. Über die Hälfte von ihnen beantragt in regelmäßigen Abständen Hartz IV, manchmal „nur“ Wohngeld, um über die Runden zu kommen. „Ohne Hartz IV würde es nicht gehen“, sagt auch Simon Blengl. Immer wenn er Urlaub nimmt, stellt er einen entsprechenden Antrag bei der ARGE. Bizarr: Bei zwei Wochen Urlaub fällt der Hartz IV-Satz im entsprechenden Monat fast drei Mal so hoch aus, wie das Gehalt für die verbliebenen beiden Arbeitswochen.

Die Betriebsratsvorsitzende Elvira Dalen befindet sich im Vergleich dazu in einer fast schon privilegierten Position. Sie arbeitet seit acht Jahren in der Erfassung und bekommt in der Stunde immerhin neun Euro – gestiegen ist dieser Stundenlohn nie. Dalens Urlaub beschränkt sich auf die gesetzlich vorgeschriebenen 20 Tage im Jahr. Weihnachts- oder Urlaubsgeld gibt es nur für die Angestellten in der Verwaltung. Wer aktuell bei Citymail in der Erfassung anfängt, verdient laut Dalen noch einmal 60 Cent die Stunde weniger.

Mit ein Problem für dieses Lohndumping sind in Dalens Augen die Großkunden, die fürs Verteilen ihrer Infopost den günstigsten Anbieter suchen. „Dann werden entsprechende Angebote gemacht und am Ende bekommt der Zusteller für schwere Kataloge, die er verteilen muss acht Cent pro Stück.“ Das Ende vom Lied: Ein Großauftrag fürs Unternehmen, Lohndruck für die Beschäftigten.

Fünf Betriebsräte gibt es bei Citymail, zwei weniger als eigentlich zulässig. „Es haben sich nicht mehr bereit erklärt, zu kandidieren“, so Dalen, die dafür auch die Angst der Angestellten vor dem Job-Verlust verantwortlich macht. Die Mitarbeiter-Fluktuation sei extrem hoch. Die Verträge befristet. „Da trauen die Leute sich einfach nicht.“ Auch nicht auf die Straße vors MZ-Gebäude. Wen wundert es da, wenn Citymail-Geschäftsführer Daniel Emmerich die Frage von Gewerkschaftssekretärin Rufin nach Verhandlungen über einen Haustarif im Vorbeigehen mit „So zeitnah wird das nicht passieren“ beantwortet?

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