Was Gutachten betrifft, hat die Stadt Regensburg ihre Planungen für eine Ersatztrasse in trockene Tücher gebracht. So scheint es jedenfalls. Sowohl das Welterbeverträglichkeitsgutachten (WEV) wie auch neuerliche artenschutzrechtliche Prüfungen kommen zu dem Ergebnis: Beide Trassen sind machbar. Sowohl im Hinblick auf das Welterbe wie auch im Sinne von Natur- und Artenschutz.
Während das WEV-Gutachten am Donnerstag Thema bei der Sitzung des städtischen Planungsausschusses war (mehr dazu in Kürze), hat Oberbürgermeister Hans Schaidinger mittlerweile und in aller Stille auch die artenschutzrechtlichen Prüfungen zu Ost- und Westtrasse im Internet veröffentlichen lassen (die Prüfung der Osttrasse als pdf). Möglicher Hintergrund: Die ödp hatte angesichts der praktizierten Geheimhaltung mit einer Klage gedroht.
Zuvor hatte Schaidinger den Stadträten eine Einsicht in diese Prüfungen monatelang verweigert. „Warum?“ möchte man fragen, angesichts der Tatsache, dass diese Prüfungen doch keinerlei Bedenken gegen die Brückenbauten formulieren. Möglicherweise liegt es an den offensichtlichen Widersprüchen zu einer ersten artenschutzrechtlichen Prüfung aus dem Jahr 2008. Diese kommt im Hinblick auf die Osttrasse über den Gries noch zu völlig anderen Ergebnissen. Die Stadträte haben dieses Gutachten nie zu Gesicht bekommen. Unserer Redaktion liegt die Untersuchung vor.
Fotomontage zur Grieser Brücke aus dem “Welterbeverträglichkeitsgutachten”. Auch die neue artenschutzrechtliche Prüfung wirkt geschönt. Foto: Stadt Regensburg
Die Artenvielfalt könne durch einen solchen Bau „massiv beeinträchtigt“ werden, heißt es darin unter anderem. Betroffen wären demnach mehrere Fledermausarten, die lokale Eisvogel-Population und mehrere Vogelarten, die auf der roten Liste stehen. Eine Brücke über den Gries würde einen „relativ schweren Eingriff in das Ökosystemgefüge der Stadt Regensburg darstellen“, heißt es abschließend.
Nach einer ersten Veröffentlichung dieser Ergebnisse im August 2008, wurde uns telefonisch von Seiten der Stadtverwaltung mit rechtlichen Schritten gedroht. Als wir uns davon nicht einschüchtern ließen, meldete sich der Gutachter, der die Prüfung im Auftrag der Stadt erstellt hatte. Mehrfach wurden uns nun auch von seiner Seite rechtliche Schritte angekündigt (letztlich folgenlos). Unter anderem klang bei dem betroffenen Gutachter die Befürchtung durch, angesichts der Veröffentlichung durch unsere Redaktion künftig keine Aufträge mehr von der Stadt zu erhalten.
Nimmt man das nun veröffentlichte Gutachten als Maßstab, hatte er recht. Ein neues Büro wurde beauftragt und kommt in seiner Prüfung zu einem Ergebnis, das den Plänen der Stadt weitaus dienlicher ist als das erste Gutachten: Bei entsprechenden Maßnahmen ist eine Brücke über den Gries kein Problem.
Auffällig dabei:
Die aktuelle Prüfung ist nur halb so umfangreich (31 Seiten) wie die erste.
Während sich der erste Gutachter mit seinen Kollegen acht Monate Zeit genommen hatte, um das Gebiet zu untersuchen und zehn „Begehungen“ unternommen hatte, reichten für das neue Gutachten vier Monate und fünf „Begehungen“.
Der erste Gutachter hielt Rücksprache mit mehreren Naturschutz-Experten, zog umfangreiche Fachliteratur heran und führt an, dass genauere Untersuchung mehr Zeit erfordert hätte. Dagegen widmet das neue Gutachten den Methoden und Quellen nur einen kurzen Absatz.
Dem differenziert formulierten und eine Seiten langem Fazit im ersten Gutachten stehen bei der neuen Prüfung gerade mal auf zwei Sätze gegenüber.
Der wesentlichste und für die Stadt wohl wichtigste: „Eine nachhaltige Verschlechterung des Erhaltungszustandes der lokalen Populationen prüfungsrelevanter Arten ist unter diesen Voraussetzungen in keinem Fall zu prognostizieren.“
In Zusammenhang mit dem WEV-Gutachten der Stadt hat Generalkonservator Egon Greipl in einer gestern verbreiteten Mitteilung von „Tendenzgutachten“ gesprochen. Dieses Urteil scheint nicht nur auf das WEV-Gutachten zuzutreffen.
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