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Wie viele Nazis verträgt eine öffentliche Diskussion über „Erinnerungskultur und die Causa Flick“? Antwort: Keinen. Doch um dem „Bildungsauftrag“ genüge zu tun, verzichtete Chris Humbs, Vorsitzender der „Projektgruppe Zwangsarbeit“, bei einer Podiumsdiskussion in Schwandorf auf die Durchsetzung seines Hausrechts. Zwanzig junge Nazis, NPD-Mitglieder aus Schwandorf und Amberg, durften bleiben. Den Kritikern der Friedrich-Flick-Straße verschlug es die Sprache.

1. Akt: Städtedreieck – Burglengenfeld, Maxhütte, Teublitz

Chris Humbs (40), Initiator der Projektgruppe Zwangsarbeit, ist beides: geborener Oberpfälzer und Journalist beim angesehenen ARD-Magazin Kontraste in Berlin. Vor gut einem halben Jahr konfrontierte er in seinem Geburtsort Maxhütte die Menschen in seiner Heimat mit einem dunklen Kapitel nicht aufgearbeiteter Geschichte: die Causa Flick. In der „Hüttenschänke“ der einstigen Maxhütte präsentierte er die vielbeachtete Ausstellung „Städtedreieck unterm Hakenkreuz – Zwangsarbeit im ländlichen Raum“. Im Mittelpunkt stand der als Kriegsverbrecher verurteilte Großindustrielle und Milliardär Friedrich Flick. 130.000 Zwangsarbeiter schufteten während des Krieges in den Betrieben des Flick-Imperiums und hunderte der Arbeitssklaven ließen ihr Leben. Aber auch im ländlichen Raum profitierten viele kleinere Unternehmen, Bauern, Dörfer und Städte vom System der Zwangsarbeit. Das belegten die bisher unbekannten Dokumente aus den Archiven auf zwanzig Schautafeln. Und das sagten die Zeitzeugen, die aus Tschechien und Polen gekommen waren. Neben Historikern und Politologen hatte Chris Humbs eine Menge kompetente Helfer aus der Region und die gemeinsame Stiftung von Bund und Wirtschaft „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ für das Pilotprojekt gewonnen. Und dafür gab es einen triftigen Grund: Bis heute ehrt das Städtedreieck und die große Kreisstadt Schwandorf den Kriegsverbrecher Flick mit Straßennamen. Vermutlich wird es dabei auch bleiben. Entgegen der großen Zusagen des Schwandorfer Landrats Volker Liedtke (SPD) und Burglengenfelds Bürgermeister Heinz Karg (SPD), sich für die weitere Präsentation der Ausstellung im Kreis einzusetzen, geschah nichts. Vergebens beantragte die Projektgruppe Zwangsarbeit bei den Stadträten im Städtedreieck je 6.000 Euro für die Herausgabe eines Katalogs. Alle drei Kommunalparlamente lehnten ab. Strikt auf Distanz zur Projektgruppe Zwangsarbeit ging CSU-Bürgermeisterin Plank in Maxhütte.

2. Akt: Große Kreisstadt Schwandorf

Gut ein halbes Jahr nach der Premiere im Städtedreieck präsentieren die Ausstellungsmacher ihre Arbeitsergebnisse seit 12. November im Beruflichen Schulzentrum Oskar-von-Miller in Schwandorf. Erneut ist es eine faktenreiche Sammlung auf 116 Plakattafeln, die in drei Teile gegliedert ist. Da sind die Profiteure vor Ort wie die Konservenfabrik, das Aluminiumwerk und das Fronberger Eisenwerk, das Flick gehörte. Alle drei Betriebe gibt es noch heute. Eine wichtige Ergänzung sind die Informationen über das System der NS-Zwangsarbeit. Etwa 2.800 Zwangsarbeiter – Männer, Frauen und Kinder – aus Osteuropa wurden in den Kriegsjahren nach Schwandorf verschleppt. Dreißig von ihnen überlebten die Fronarbeit nicht. Berührend in dieser zweiten Ausstellung sind die dokumentierten fünfzig Einzelschicksale von Zwangsarbeitern. Da ist der 81-jährige Tadeusz Dworakowski, der mit Eltern und Geschwister als Fünfzehnjähriger verschleppt wurde und in der Konservenfabrik von früh bis spät schuften musste. 1990 kam er von Polen erneut nach Schwandorf, weil er den Nachweis seiner Fronarbeit brauchte. Die Konservenfabrik „Okis“ wies ihn ab. „Man hat mich abserviert und ich bekam noch nicht einmal einen Händedruck.“ Der Internationale Suchdienst verschaffte ihm 1995 die Bestätigung.

Das Debakel – Podiumsdiskussion mit Nazis

Tadeusz Dworakowski und Marian Wrobleski (85), beide aus Warschau, sind bei der Ausstellungseröffnung dabei. Auch am nächsten Tag, als über Erinnerungskultur in Schwandorf und die Friedrich-Flick-Straße diskutiert werden soll. Schwandorf entschloss sich übrigens erst 1973, nach Flicks Tod, zur Namensehrung im Ortsteil Fronberg. Erst wenige Besucher haben sich am Samstagmittag eingefunden, als der örtliche Polizeichef aufkreuzt, um „Hausherr“ Chris Humbs vor dem angekündigten Aufmarsch der Nazis zu warnen. Als es eine halbe Stunde später soweit ist und ein sichtlich geschocktes Publikum den martialischen Einzug von etwa 20 gestiefelten und tätowierten Kurzgeschorenen erlebt, bleibt Veranstalter Humbs cool. Das Begehren einiger Besucher, die NPD-Truppe umgehend rauszuschmeißen, damit angstfrei diskutiert werden kann, verweigert er und reklamiert „Bildungsauftrag“. Etliche der „Experten“ auf dem Podium schließen sich ihm an. Es kam, wie es kommen musste: Die Diskussion mit Bürgerbeteiligung gerät zur Farce. Die drei Historiker auf dem Podium bestätigten mehrfach, was längst Stand der wissenschaftlichen Forschung ist. Der Milliardär Friedrich Flick war ein Kriegsverbrecher, der sich einen Dreck um die Entschädigung seiner Opfer scherte. Werner Karg von der Landeszentrale für politische Bildung in Bayern, kam mit selbstgefälligen Plattitüden á la: „Es geht nicht darum, mit dem Thema Umbenennung der Straße dauernd in der Zeitung zu stehen.“ Außerdem solle man sich nicht von außen einreden lassen, dass man großen Nachholbedarf bei der Aufarbeitung habe. Einzig Franz Schindler, SPD-Fraktionsvorsitzender in Schwandorf und Landtagsabgeordneter, nahm Anstoß: „Die Anwesenheit von Nazis ist den ehemaligen Zwangsarbeitern nicht zuzumuten.“ Und die Nazis? Zwei von ihnen kamen als NPD-Mitglieder zu Wort und ließen wissen, was sie machen, wenn sie im Stadtrat von Schwandorf sitzen: „Dann werden ganz andere Straßennamen abgeschafft.“ Als Drohung kam das bei denen an, die sich an den Nazi-Brandanschlag vom Dezember 1988 in Schwandorf erinnerten, bei dem vier Menschen starben.

Fazit

Die zweistündige Anwesenheit der Nazis aus Schwandorf und Amberg hat eine offene, angstfreie Diskussion über die „Causa Flick“ nicht zugelassen. Im Gegenteil. Die Akzeptanz der Nazis befördert eine schleichend Anpassung an rechtsextreme Strukturen. Weder die Schülerinnen und Schüler des Berufsschulzentrums wollten in der beklemmenden Atmosphäre ihre Arbeitsergebnisse zur Erinnerungskultur in Schwandorf thematisieren, noch die Schüler aus der tschechischen Partnerstadt Sokolov. Ganz am Ende, als alles gelaufen war, und ein Reporter vom Deutschlandfunk die Nazis befragte, verhöhnten sie so nebenbei wie selbstverständlich den ehemaligen Zwangsarbeiter Tadeusz Dworakowski. Der Pole solle dahingehen, wo er hergekommen sei, ließen sie den Reporter wissen. Die Ausstellung im Beruflichen Schulzentrum Oskar-von-Miller, Glätzlstr. 29, in Schwandorf dauert bis 14. Dezember. Öffnungszeit: Fr-So 11 Uhr bis 19 Uhr.

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