„Oh jeh“, murmelt einer der Zuhörer, als er eine weitere Milliardensumme hört, mit der die Kirchen alljährlich vom Staat unterstützt werden.
„Oh jeh ist eine Kurzform von Herrjemineh und das ist eine Abkürzung von Herr Jesus mein Herr. Dafür müssten Sie bei uns einen Euro in die Kaffeekasse zahlen“, erwidert Carsten Frerk. Am Sonntag, zur besten Gottesdienstzeit, ist Frerk zu den Gottlosen ins Freigeistige Zentrum nach Regensburg gekommen, um sein „Violettbuch Kirchenfinanzen“ vorzustellen und mit fröhlicher Leichtigkeit steuert der 65jährige „Ignorist“ (Frerk über Frerk) seine Zuhörer eine Stunde lang durch das Dickicht an Staatszuschüssen, Steuerbefreiungen und anderer staatlicher Alimentierungen, mit der die beiden großen Kirchen in Deutschland alljährlich bedacht werden. 19,3 Milliarden Euro – bezahlt von Steuerzahlern, egal welchen Glaubens – kommen unterm Strich zusammen. Das ist gut zwei Mal so viel, wie die jährlichen Einnahmen aus der Kirchensteuer. Frerks Fazit: „Kirche ist die beste Geschäftsidee aller Zeiten.“
Größere Posten sind etwa der schulische Religionsunterricht (1,7 Milliarden), dazu kommt noch eine halbe Milliarde für die Lehrerausbildung an Hochschulen, private Konfessionsschulen (2,2 Milliarden) oder kirchliche Kitas und Kindergärten, über deren „missionarische Chancen“ der ehemalige EKD-Vorsitzende Bischof Wolfgang Huber einst geschwärmt hat, schlagen mit 3,9 Milliarden Euro zu Buche. Für Stutzen bei den Zuhörern sorgen aber auch vergleichsweise niedrige Beträge, wie etwa die Unterstützung der Militärseelsorge mit jährlich 31 Millionen oder die Bezuschussung von Kirchentagen mit durchschnittlich sieben Millionen Euro pro Jahr.
Allein für die katholische Kirche gibt der Freistaat Bayern pro Jahr mehr als 65 Millionen an Personalkosten aus, die Instandhaltung von knapp 1.800 kircheneigenen Gebäuden und 126 Kirchen in staatlichem Besitz lässt sich Bayern alljährlich rund 51 Millionen Euro kosten.
Um Religionskritik geht es Frerk an diesem Sonntag nicht, es geht ums Geld und die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar sein kann, dass auch Konfessionslose, Juden oder Moslems mit ihren Steuern die Gehälter von Bischöfen wie Gerhard Ludwig Müller oder die Pension von Walter Mixa bezahlen müssen.
Katholische und evangelische Kirche bezeichnet Frerk dabei konsequent als „die Firma“ und eine Erfahrung hat er bei seinen Recherchen für sein Violettbuch gemacht: Selbst ein Großteil der Abgeordneten in den Parlamenten hat von diesem Thema kaum eine Ahnung. „Weder Staat noch Kirche haben ein großes Interesse daran, dass dieses Thema breit diskutiert wird.“ Das soll sich jetzt ändern: Sein Violettbuch will Frerk den Abgeordneten, insbesondere jenen, die im Haushaltsausschuss vertreten sind, kostenlos zur Verfügung stellen.
In diesem Buch räumt Frerk auf mit der allgemein verbreiteten Behauptung, dass die staatlichen Leistungen an die Kirche Ausgleich für die Säkularisation und die damit einhergehenden Enteignungen seien. Er hat im dafür stets herangezogenem Reichsdeputationshauptschluss, der 1803 in Regensburg unterzeichnet wurde, nachgelesen, und kommt zu dem Schluss: „Da steht nichts von Entschädigung.“ Ganz abgesehen davon, dass die damals betroffenen Gebiete der katholischen Kirche nicht gehört hätten. „Es handelte sich um Lehen im Eigentum des Kaiserreichs.“
Lediglich der Erhalt der Döme und eine Apanage für die damals Betroffenen seien damals vereinbart worden. Alle anderslautenden Behauptungen und die aktuelle Praxis bezeichnet Frerk als „Erfolg des kirchlichen Lobbyismus und die Phantasie der Staatskirchenrechtler“. Mehrfach bezeichnet Frerk die derzeitige Praxis als grundgesetzwidrig. Die Kirche mit ihren Privilegien sei ein „feudaler Fremdkörper in einem demokratischen Staatswesen“.
Am 15. November will der „Koordinierungsrat säkularer Organisationen“, dem auch Frerk angehört, mit der Forderung an die Öffentlichkeit gehen, Staatsleistungen an die Kirchen ersatzlos zu streichen. Ob diesem Ansinnen Erfolg beschieden sein wird? Aktuell macht sich da auch Frerk keine Illusionen. „Das eine sind die Gesetze und das andere ist die herrschende juristische Meinung.“ Und die steht derzeit nach wie vor auf Seiten der Kirchen. Doch Frerk ist geduldig. „Es gibt immer mehr Staatskirchenrechtler, die das kritisch sehen.“ Bald werde zudem der Anteil der Konfessionslosen mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Und dann könnte es wohl sein, dass ein lautes „Oh jeh“ aus kirchlich berufenem Munde kommt…
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