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In einem Artikel auf regensburg-digital über eine Ausstellung des Regensburger Historischen Museums („Aufbruch in die katholische Tradition“ vom 11.11.2010) wird ohne weitere Begründung angegeben, dass sich Dr. Heinrich Wanderwitz, der Leiter des Regensburger Stadtarchivs, in einem Aufsatz die Position der Folterer des Rtualmordprozesses von 1476 zu eigen gemacht habe. Die kritisierten Ausführungen sind nun auch im Katalog zur gestern eröffneten Berthold Furtmeyr-Ausstellung erschienen. Wir veröffentlichen dazu einen Gastbeitrag von Robert Werner. Werner lebt bei Regensburg und forscht seit mehreren Jahren zu den Regensburger Ritualmordbeschuldigungen.

Der von regensburg-digital erwähnte Aufsatz von Heinrich Wanderwitz mit dem Titel „Regensburg um 1500“ erschien im Katalog der Ausstellung „450 Jahre Evangelische Kirche in Regensburg“ 1 – einer Zusammenarbeit der Museen und der Evangelisch-Lutherischen Kirche der Stadt Regensburg, die von Oktober 1992 bis Januar 1993 im Historischen Museum zu sehen war. Die kritisierten Ausführungen wiederholt Wanderwitz wortgleich und brandaktuell im Katalog der derzeitigen Furtmeyr-Ausstellung (29.11.2010 – 13.2.2011 im Historischen Museum), wo er mit seinem Beitrag „Regensburg zur Zeit Berthold Furtmeyrs“ in die historischen Hintergründe einführt.

Nach einem kurzen Abriss über das 15. Jahrhundert der Reichsstadt zeichnet er, ausgehend von einer angeblich ausgesprochen judenfreundlichen Politik, die weitere Entwicklung nach. Das „Verhältnis zu den Juden“ habe sich u. a. mit aufkommenden Ritualmordgerüchten zusehends verschlechtert. „Dann drang 1476 eine Nachricht von einem angeblichen Kindsmord in Trient durch Deutschland, und als dortige Aussagen auf Verbindungen zu Regensburg deuteten, hier daraufhin verhaftete Juden unter der Folter aussagten, verschiedene Kinder ermordet zu haben, und man auf dem von ihnen bezeichneten Platz tatsächlich Kindergebeine fand, war kein Halten mehr: Es gab weitere Verhaftungen, man besetzte das Getto und beschlagnahmte ihr Vermögen.“2

Schon die im Aufsatz dargebotene Chronologie und die Rede von „kein Halten mehr“ zeugen von sachlicher Unkenntnis und Fehlschlüssen. Denn die Absperrung des jüdischen Viertels und die Beschlagnahme von Eigentum und Pfänder geschahen bereits Ende März 1476, also schon vier Wochen vor dem angeblichen Fund der Gebeine (vom 25.4.). Die von Wanderwitz angeführten „weiteren Verhaftungen“ wurden Anfang April (9.4.) vorgenommen, sprich bereits über zwei Wochen bevor die Gebeine aufgetaucht sind. Darüber hinaus lässt Wanderwitz mit seiner Darstellung die gebotene Seriosität vermissen. Dass man „auf dem von ihnen [den Inhaftierten, d. A.] bezeichneten Platz tatsächlich Kindergebeine fand“, entspringt allein der Phantasie des Archivars, dergleichen haben noch nicht einmal die von der Klägerpartei beauftragten fadenscheinigen notariellen Bestätigungen von 1476 behauptet.

Diese beglaubigten nur die Aussage von hinzugezogenen Ärzten, sie hätten Gebeine von vier bis sechs Kindern vor sich liegen. Ihre Herkunft bzw. der Fundort bleibt dabei ungenannt, zumal der ganze Vorgang des Ausgrabens schon zeitgenössisch angefochten wurde. Wanderwitz leitet das Auffinden der Gebeine als historisch gegebene Tatsache aus den Folteraussagen der verhafteten Juden her und unterstellt somit ein Täterwissen der Angeklagten: nämlich eines über den Vergrabungsort. Hierbei folgt der Archivar ohne Beleg der nicht verifizierbaren Behauptung der Ankläger, die Inhaftierten hätten ausgesagt, verschiedene Kinder ermordet zu haben.

Insgesamt gesehen suggeriert Wanderwitz mit dem Konstrukt, Aussagen und preisgegebenes Täterwissen hätten am „bezeichneten Platz“ zu einem „tatsächlichen“ Fund von Kindergebeinen geführt, dass die rituelle Ermordung von „verschiedenen Kindern“ durch die damals Angeklagten eine historisch belegbare Tatsache sei. Meines Erachtens sind diese Ausführungen in eine weit verbreitete, traditionsreiche judenfeindliche Geschichtsschreibung einzureihen. Als Belegstelle gibt Wanderwitz mit Peter Herde einen ausgewiesenen Fachmann und Kenner für die damaligen Ereignisse an.3

Wer sich jedoch mit dessen Arbeiten zur christlich-jüdischen Geschichte Regensburgs beschäftigt hat, der weiß, dass für Herde an der Unschuld der angeklagten Juden „kein Zweifel bestehen kann“. Angesichts der historischen Tatsache, dass in diesem Zusammenhang kein Christenkind vermisst wurde, spricht er von „Ritualmordpsychose“. Als ein Ergebnis seiner Forschungen, die mittlerweile zum wissenschaftlichen Kanon gehören, schlussfolgert Herde: „Was die herbeigeschafften Skelette anbetrifft, so ist es sehr wahrscheinlich, dass sich einige Ratsherren eines offenkundigen Betruges schuldig gemacht haben.“ (S. 382) Der Vollständigkeit halber sei noch festgehalten, dass Wanderwitz darüber hinaus plagiatorisch vorgeht, da er die oben zitierte Passage, wie auch mehrere Sätze davor und danach, Wort für Wort und ohne Kennzeichnung bei Walter Ziegler abgeschrieben hat.4

Quellen:
1 Wanderwitz, Regensburg um 1500, in: Museen der Stadt Regensburg (Hg.), 450 Jahre Evang. Kirche in Regensburg, 1992, S. 33.
2 H. Wanderwitz, Regensburg zur Zeit Berthold Furtmeyrs, in: Christoph Wagner und Klemens Unger (Hg.), Furtmeyr, 2010, S. 25-26.
3 Peter Herde, Gestaltung und Krisis des christlich-jüdischen Verhältnisses in Regensburg am Ende des Mittelalters, in: ZBLG 22, 1959, S. 359-395.
4 vgl.: Walter Ziegler, Regensburg am Ende des Mittelalters, in: Dieter Henrich (Hg.), Albrecht Altdorfer und seine Zeit, 1981, S. 72.

 

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