Schulleiter: „Verschieben von Verantwortlichkeiten“
Schulleiter Franz Feldmeier hat unterdessen heute in einem Brief an Schulbürgermeister Gerhard Weber gefordert, mehrere Aussagen auf der Internetseite korrigieren. Sie entsprächen nicht der Wahrheit. Für die Schule sei die Behauptung, dass nicht ordentlich gelüftet worden sei „in keinster Weise nachvollziehbar“. Und Feldmeier wird deutlich: „Es kann für die Schule nicht weiter hingenommen werden, dass Verantwortlichkeiten verschoben werden.“ Mittlerweile wurde die Schlösser der Halle ausgetauscht – Zutrittsverbot für Lehrer und Schulleitung.
Doch das ist bei Weitem nicht die einzige Ungereimtheit bei der städtischen „Informations-Offensive“.
Gemeinsam mit einem Diplomingenieur für technische Chemie, Schwerpunkt Umweltschutz, hat unsere Redaktion die präsentierten Informationen unter die Lupe genommen.
Keine Messung zu vorgeschriebenen Bedingungen
Der Experte moniert, dass offenbar zu keinem Zeitpunkt bei 23°C gemessen wurde. Diese Temperatur ist aber Bestandteil der Messbedingungen, die das Umweltbundesamt festgelegt hat und auf deren Basis auch der Eingreifwert von 120 gilt.
Wird bei niedrigeren Temperaturen gemessen, kann – mit einigen Unsicherheitsfaktoren – hochgerechnet werden. Unserer Redaktion liegen dazu einschlägige Berechnungen vor. Grob gesagt verdoppelt sich demnach der Formaldehyd-Wert bei jeweils zehn °C Temperaturanstieg.
Oberbürgermeister Hans Schaidinger sprach bei der Pressekonferenz anlässlich der Sperrung der Halle davon, dass es „Unfug“ sei, bei 23°C zu messen. In der Halle herrsche schließlich eine Durchschnittstemperatur von 18,5 und nicht 23°C. Das hört sich nur auf den ersten Blick vernünftig an. Der Eingreifwert wurde für Messungen bei 23 und nicht 18,5°C festgelegt. Und eines dürfte auch klar sein: Es gibt Tage, an denen die Temperatur in der Halle höher war und höher sein wird.
Ein Bild mit Symbolcharakter: Die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung geraten zunehmend in Erklärungsnöte.
Eingreifwert immer überschritten
Das Fazit: Bereits die neuerliche Freigabe der Halle nach dem Ausbau der belasteten Prallschutzwände im April 2010 war auf Basis der gestern veröffentlichten Messwerte wenigstens fahrlässig. Bereits bei einer Temperatur von 21 °C wäre der Eingreifwert erreicht gewesen.
Ähnliches gilt für die Messung vom 3. Januar. Hier wäre der Eingreifwert bereits bei einer Temperatur von etwas mehr als 18 °C erreicht gewesen.
Und: Hochgerechnet auf die vom Umweltbundesamt festgelegten Messbedingungen (23 °C) wäre der Eingreifwert stets überschritten worden – deutlich.
Die Stadt versucht auf ihrer Internet-Präsentation aber weiter, die Messwerte schön zu reden und die offensichtlichen Fehler hinter einer Flut von zum Teil nutzlosen, zum Teil nicht aussagekräftigen Informationen untergehen zu lassen.
Dagegen fehlen mal Angaben darüber, wie die Werte hochgerechnet wurden, mal dazu, welche Lüftungsbedingungen in der Halle geherrscht haben, mal fehlen Temperaturangaben, etwa bei der Messung am 16. Dezember und dem bisherigen Rekordwert von 171 µg/m3 Luft.
Unser Experte: „Was hier bislang veröffentlicht wurde, gleicht eher einer Bankrotterklärung als einer transparenten Darstellung der Fakten. Man wird mit sinnlosen Informationen zugemüllt, während die wichtigen fehlen.“
Wo kommt das Formaldehyd her?
Was ergibt sich aus den bisher veröffentlichten Daten noch?
Auf der Internetseite der Stadt heißt es:
Nach dem Austausch der Prallwand wurde in der leeren Halle an zwei Standorten gemessen. Ergebnis: 69 µg/m3 pro Kubikmeter Raumluft und 32 µg/m3 pro Kubikmeter Raumluft bei 21°C. Der Wert bei der Freigabe der Halle nach Abschluss der Baumaßnahme belief sich auf 87 bzw. 91 µg/m3 pro Kubikmeter Raumluft bei 17,4°C.
Zwischen dem Ausbau der Wände und der Freigabe der Halle hat sich der Formaldehyd-Wert demnach im Mittel mehr als verdoppelt. Seltsam, wo man doch die vermeintliche Quelle Prallschutzwand entfernt hat.
„Man muss annehmen, dass eine größere Schadstoffquelle bislang ungehindert Formaldehyd abgibt“, so unser Experte.
Doch wo ist diese Quelle?
Wie stark ist die Formaldehyd-Belastung in der Halle tatsächlich von der Temperatur abhängig?
Um das festzustellen, wäre eine Messung bei den vorgeschriebenen Bedingungen von 23 °C notwendig.
Weiter keine Messung unter Normbedingungen
Doch selbst die nun anstehenden Messungen, die laut Stadt „der vorgeschriebenen Norm entsprechen“ sollen, werden erneut nur bei 18 °C Temperatur durchgeführt und erneut soll hochgerechnet werden.
Entweder die Stadt schafft es nicht, die Halle auf 23 °C aufzuheizen oder man fürchtet die tatsächlichen Messergebnisse bei einer solchen Temperatur.
Einziges Gegenmittel im Kampf gegen die Schadstoffbelastung ist bislang eine verbesserte Lüftung. Der traut man bei der Stadt aber selbst nicht und hat nun die Fraunhofer Gesellschaft mit deren Überprüfung beauftragt hat. Wo das Formaldehyd aber herkommt, ist weiter ein Geheimnis.
Nachtrag
Der Stadt Regensburg hat unsere Redaktion folgende Fragen zugeschickt (Update: Die Stadt hat diese Fragen mittlerweile auf ihrer Internetseite beantwortet):
Warum wird von dem Temperatur- Kriterium (23°C) der BGA zur Beurteilung und Messung einer Formaldehyd-Belastung abgewichen?
Welcher Baustoff emittiert Formaldehyd, welche Lösungsstrategie hat die Stadtverwaltung zur Auffindung der belastenden Formaldehyd-Quelle?
Wie lautet die Erklärung für die weiterhin hohen Formaldehyd-Konzentrationen in der Turnhalle, trotz Austausch der Prallwände?
Welche physikalischen Gesetzmäßigkeiten sind der „Hochrechnung“ von Formaldehyd -Werten auf höhere Temperatur zugrunde gelegt? Wie lautet der hierbei angewandte mathematische Rechenvorgang?
Wie will die Verwaltung sicherstellen, dass die Raumtemperatur der vorgeblichen „normalen Nutzung“ von 18°C nicht überschritten wird. Gibt es eine Klimaanlage in der Turnhalle?
Hat die Stadtverwaltung erwogen, zur Lösung des Formaldehyd-Problems, das seit Eröffnung der Turnhalle unverändert besteht, externen und unabhängigen Sachbeistand in Anspruch zu nehmen?
Wie gedenkt die Stadtverwaltung mit Turnhallen-Nutzern umzugehen, die bereits ab einer Formaldehyd-Konzentration von 30 µg/m3 Reiz- und möglicherweise Vergiftungserscheinungen zeigen?
Wurden bzgl. der flüchtigen organischen Verbindungen Messungen für womöglich vorhandene toxische Einzelstoffe vorgenommen, wenn ja welche Ergebnisse liegen vor?
Beantwortung am 22. Februar, 16 Uhr, Neues Rathaus.
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