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Hans Schaidinger wirbt in der Turnhallen-Affäre um Vertrauen. Die Stadtverwaltung lügt weiter.
„Wir haben zurecht Vertrauen verloren.“ „Ich glaube nicht, dass in dieser Halle jemand in nächster Zeit Abitur schreibt.“ „Wir haben Fehler gemacht, aber das war keine kriminelle Energie.“ 16 Tage nach dem ersten Bericht über die Formaldehyd-Belastung in der Turnhalle des Regensburger Goethe-Gymnasiums und Monate, nachdem es die ersten Beschwerden gab, ist Oberbürgermeister Hans Schaidinger am Donnerstag mit diesem deutlichen Eingeständnis an die Öffentlichkeit gegangen. Der Oberbürgermeister spricht von einer „mangelhaften Zusammenarbeit verschiedener Teile der Verwaltung“, von Fehlern in der „Kommunikationsstrategie“ und beim „Krisenmangement“. Und er gesteht zu: Es gibt neben der unzureichenden Lüftung offenbar auch eine bislang nicht auffindbare Formaldehyd-Quelle in der Halle. Sie wird damit wohl länger als bislang angekündigt gesperrt bleiben.

Schaidinger: „Eine giftige Turnhalle“

„Ich ärgere mich darüber, dass wir eine giftige Turnhalle haben“, sagt Schaidinger zu der versammelten Journalisten-Schar im Regensburger Presseclub, während er versucht, das Verhalten seiner Verwaltung zu erklären. Der Name des verantwortlichen Schulbürgermeisters Gerhard Weber fällt kein einziges Mal. „Ich werde niemanden in der Öffentlichkeit rüffeln“, sagt Schaidinger nur.

Leitender Mitarbeiter erlitt Zusammenbruch

Dann geht er zum Angriff über: „Fragen Sie doch mal bei der Dömges AG nach, woher das Formaldehyd kommt.“ Für die meisten Journalisten seien immer nur „wir von der Stadt die Bösen“. Dabei hätten sich die städtischen Mitarbeiter sehr bemüht. Einer, der permanent mit der Causa Turnhalle befasst gewesen sei, habe am Mittwoch einen Zusammenbruch erlitten. Die neue Kommunikationsstrategie ist damit klar: Anstelle des lange praktizierten Schweigens und Verharmlosens tritt die Flucht nach vorn. Am Donnerstagabend hat die Stadtverwaltung, genauer gesagt das Amt für Hochbau und Gebäudeservice, denn auch eine umfangreiche Stellungnahme ins Internet eingestellt. Sie dient als Vorlage für die öffentliche Sitzung am Dienstag, 22. Februar (16 Uhr, Neues Rathaus), bei der die Verantwortlichkeiten in der Turnhallen-Affäre diskutiert werden sollen. Und bei allen Eingeständnissen Schaidingers liest man heraus: Die „Bösen“ sind andere.

Die Schuldigen: Dömges, Messlabor, Schulleiter, Gesundheitsamt

Ganz oben auf der Liste steht die Dömges AG. Das Architektur-Büro zeichnet für die Komplettplanung der Halle verantwortlich. Einen Rechtsstreit mit dem Vorzeige-Unternehmen kündigt Schaidinger am Donnerstag deutlich an. „Das wird zu einigen Gutachter-Prozessen führen.“ Bei der Sitzung am Dienstag werde es an den Verantwortlichen von Dömges „einige sehr unangenehme Fragen“ geben. Tatsächlich widersprechen sich die Aussagen von Dömges-Vorstand Thomas Eckert und die des Hochbauamts diametral. Eckert hatte gegenüber unserer Redaktion noch erklärt, nichts von irgendwelchen Beschwerden zu wissen und sich völlig überrascht gegeben. Die Stellungnahme zeichnet ein anderes Bild. Demnach gab es seit Eröffnung der Halle im Mai 2009 einen intensiven Schriftwechsel zwischen Dömges und der Stadt, der sich bis April 2010 hinzog. Insbesondere zu Problemen mit der Lüftungsanlage. Als nächsten Verantwortlichen benennt die Stadt das von ihr beauftragte Messbüro Analytik Aurachtal. Das habe zu keinem Zeitpunkt und trotz ausdrücklicher Nachfrage die Sperrung der Halle empfohlen. Schulleiter Franz Feldmeier gerät gleich mehrfach ins Visier der Stadtverwaltung. Er sei „exakt“ über die Ergebnisse der Messung vom 3. Januar informiert gewesen. Das impliziert, dass Feldmeier wusste, dass beschönigte Messwerte veröffentlicht wurden. Feldmeier sei zudem verantwortlich dafür, dass Anfang Dezember keine ordnungsgemäßen Messungen in der Halle durchgeführt werden konnten, weil er das Lüften „verhindert“ habe. Ebenso klingt durch, dass Feldmeier die Stadt zu spät über gesundheitliche Probleme von Schülern und Lehrkräften informiert habe. Abschließend reiht sich das staatliche Gesundheitsamt in den Reigen der Schuldigen ein: „Bis heute liegt keine Stellungnahme vor, dass die Halle gesperrt werden soll“, schreibt ddas Hochbauamt.

Probleme seit 2009 bekannt

Eines wird anhand der Stellungnahme der Verwaltung deutlich: Seit Eröffnung der Halle im Mai 2009 gab es Probleme. Diese waren bekannt. Es wurde über die Ursachen gerätselt, doch sie wurden unter der Decke gehalten. Eventuelle Gesundheitsgefährdungen der Hallennutzer wurden billigend in Kauf genommen. Man nimmt es Hans Schaidinger ab, wenn er sagt, dass dahinter „keine kriminelle Energie“ gesteckt sei. Es war wohl eher – und das ist noch der harmloseste Vorwurf – das gewohnheitsmäßige Verschweigen, Verharmlosen und Vertuschen von Tatsachen, die nur unangenehme öffentliche Diskussionen auslösen. Motto: Wir wissen es besser. Das geht niemand etwas an. Oder, wie es noch am 1. Februar ein Mitarbeiter des Hochbauamts ausdrückte, als wir wegen Beschwerden von Schülern und Lehrern nachgefragt haben: „Wenn in der Halle jemand Kopfweh hat oder kotzen muss, kommt das nicht von Formaldehyd, sondern vielleicht davon, weil er am Vortag gesoffen hat.”

Messwerte: Das Lügen geht weiter!

Nun soll also das alles anders werden. Schaidinger spricht am Donnerstag von Transparenz, von Offenheit und davon, dass er Schüler, die sich mit einem Brief an ihn gewandt haben, zum Gespräch einladen will. Hehre Worte, aber allein das Schlusswort in der Stellungnahme des städtischen Hochbauamts gibt keinen Anlass dazu, das Vertrauen, um das der Oberbürgermeister wirbt, zu gewähren. „Alle korrekt durchgeführten Messungen lagen (…) unter den zulässigen Leitwerten“, heißt es dort. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Hochgerechnet auf die vorgeschriebenen Bedingungen des Umweltbundesamtes wurde dieser „Leitwert“ des Umweltbundesamtes bei allen maßgeblichen Messungen überschritten (mehr darüber). Diese offensichtliche Lüge macht jede Vetrauensoffensive des Oberbürgermeisters unglaubwürdig.

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