Nein – zusammen mit Kommunisten oder solchen, die Kommunisten sein könnten oder solchen, die vielleicht mit Kommunisten zu tun haben oder zu tun gehabt haben oder zu tun haben könnten, kann man nicht an einem Mahnmal stehen. Kommunisten, Christen und Konservative saßen zwar gemeinsam in den Konzentrationslagern, aber nein, gemeinsam der Opfer gedenken kann man nicht. Diese ideologische Linie hat in den 70ern der ehemalige Regensburger Landtagsabgeordnete und CSU-Boss Peter Welnhofer ausgegeben und sie ist für die Stadtspitze bis heute Gesetz geblieben.
Da half nicht einmal die Intervention des vergangene Woche verstorbenen langjährigen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Hans Rosengold: In Regensburg wird der Opfer des Faschismus seit Jahrzehnten bei zwei getrennten Veranstaltungen gedacht.
Seit mittlerweile 40 Jahren gibt es den Gedenkweg für die Opfer des Faschismus, der alljährlich am 23. April stattfindet, dem Tag, an dem die rund 400 Gefangenen des KZ-Außenlagers Colosseum in Stadtamhof 1945 zum Todesmarsch getrieben wurden.
Ein ideologisch sauberes Gedenken
Es ist eine bunten Mischung an Teilnehmern, die sich jedes Jahr zusammenfindet, politisch zu verorten von Linker bis SPD, quer durch alle Religionsgemeinschaften, von Jüdischer Gemeinde bis zu den Zeugen Jehovas. Gut 120 Menschen sind es in diesem Jahr, quer durch alle Altersschichten.
Teil daran nimmt seit 1971 auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), rotes Tuch für die CSU, stets mit fragwürdiger, aber kaum stichhaltiger Begründung im bayerischen (!) Verfassungsschutzbericht zu finden.
Der Holocaust-Überlebende Ernst Grube, Schulpate des Regensburger Albrecht-Altdorfer-Gymnasiums, darf sich in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der VVN gar über eine namentliche Erwähnung im aktuellen Verfassungsschutzbericht „freuen“. „Einen KZ-Überlebenden, der Kontakte zu kommunistischen Organisationen unterhält, als Kommunisten oder Linksextremisten zu bezeichnen, ist keine Diffamierung, sondern eine Tatsachenbeschreibung, die erlaubt sein muss“, heißt es dazu aus dem Ministerium von CSU-Hardliner Joachim Hermann.
„Die Opfer der Nazis hätten im übrigen besseres als eine ‘Ehrung’ durch Polit-Extremisten verdient, zu denen Kommunisten und Faschisten gleichermaßen gehören.“
Peter Welnhofer in einem Leserbrief 1979
Wer also in Regensburg als unbedenklicher Demokrat nach Welnhofer-Hermannscher CSU-Lesart gelten will, der muss am 23. April daheim bleiben. Er darf dafür zur „offiziellen“ Gedenkveranstaltung kommen, die seit über 30 Jahren garantiert an einem anderen Tag stattfindet. Heuer ist es, das Osterfest machte die Terminwahl schwierig – der 28. April, an dem das ideologisch von allem gefährlichen Unrat gesäuberte Gedenken am Dachauplatz stattfindet. Mittlerweile gedenkt man dabei wenigstens aller Opfer, auch das war schon einmal anders in Regensburg.
Gedenken? Für Develey-Boss nicht mal mittelscharf
Zurück zu der ideologisch bedenklichen Veranstaltung, die am Samstag um 11 Uhr in Stadtamhof beginnt. Dort, wo sich im Colosseum eines der Außenlager des Konzentrationslagers Flossenbürg befunden hat, an dem bis heute eine Gedenktafel fehlt, aktuell deshalb, weil der Eigentümer, Develey-Boss Michael Durach, auf eine solche Tafel nicht einmal mittelscharf ist. Der Senf-Fabrikant und CSU-Politiker fürchtet „randalierende Gruppen“, die seine zur Wohn-Oase umfunktionierte KZ-Außenstelle beschmieren könnten.
Immerhin scheint es nach jahrzehntelangem öffentlichen Druck und Protest und zuletzt nach diversen Anträgen der Regensburger Grünen so weit zu sein, dass es in absehbarer Zeit eine Bodenplatte vor dem Gebäude geben wird. Es dürfte aber noch bis nach der Sanierung der Steinernen Brücke dauern, denn auch an einen alten Brückenturm soll via Bodenplatte erinnert werden und es wäre doch Geldverschwendung, das Pflaster zwei Mal aufzureißen.
Pädagogin: NS-Opfer ist „zu schwierig zu erklären“
Aber es sind vor allem aktuelle Ereignisse, die Hans Simon-Pelanda, den Vorsitzenden der „Arbeitsgemeinschaft ehemaliges KZ Flossenbürg“, in seiner diesjährigen Rede beschäftigen. Es geht um die neu gebaute Grundschule in Regensburg Prüfening. Dort lehnt es das Kollegium ab, die neue Schule nach dem NS-Verfolgten und späterem Regensburger Bürgermeister Hans Weber benennen zu lassen. Man präferiert dort den Schwammerlforscher Sebastian Killermann als Namenspatron. Hans Weber zu erklären, sei zu schwierig, Killermann sei dagegen einfacher und passe in den Lehrplan, plauderte Schulrektorin Ingeborg Zankl der Mittelbayerischen Zeitung in die Feder. Die bezeichnete das treffend als „pädagogischen Offenbarungseid“.
„Wenn die Lehrer der Grundschule Prüfening Hans Weber im Besonderen und die Nazizeit in Regensburg im Allgemeinen altersgemäß unterrichten möchten, biete ich ihnen eine kostenlose Lehrerfortbildung an“, sagt Simon-Pelanda am Samstag. Wenn das Frau Zankl und ihrem Kollegium mal nicht zu anstrengend wird.
Hausdurchsuchungen bei Nazi-Blockierern
Der Unterschied zum „offiziellen“ Gedenken wird spätestens am Dachauplatz deutlich, einzige gemeinsame Station der beiden Veranstaltungen. Dort erinnert die Regensburger VVN-Vorsitzende Luise Gutmann zwar zunächst auch an Domprediger Johann Maier, den Polizeibeamten Michael Lottner und Lagerarbeiter Josef Zirkel, für die dort 1975 ein Denkmal aufgestellt wurde. Sie hatten sich für eine kampflose Übergabe der Stadt an die Alliierten eingesetzt und wurden deshalb von den Nazis ermordet. Gutmann belässt es aber nicht beim stillen Gedenken und der Erinnerung.
„Empört Euch“, ruft sie und nimmt dabei Bezug auf Hausdurchsuchungen und Ermittlungsverfahren, die die Staatsanwaltschaft Amberg derzeit bei mehreren Jugendlichen und jungen Erwachsenen durchführt, die einen Nazi-Aufmarsch blockiert hatten (Mehr dazu demnächst). In Gutmanns Augen eine Kriminalisierung engagierter Antifaschisten. „Die jungen Menschen, die sich den Nazis entgegenstellen, verdienen unsere Unterstützung“, so Gutmann. Spätestens hier weiß man, warum Politiker der Couleur eines Peter Welnhofer solche Gedenkveranstaltungen meiden. Wer Nazi-Aufmärsche blockiert, landet schnell als Extremist im Verfassungsschutzbericht.