„Wir sind ein christliches Krankenhaus, wir machen so etwas nicht.“ Das war die trockene Antwort, die die 26jährige Susanne T. (Name der Redaktion bekannt) bekam, als sie an einem Samstag, zwei Uhr morgens, in die Ambulanz der Barmherzigen Brüder kam und ein Rezept für die „Pille danach“ haben wollte. Keine Frage nach dem warum, keine Frage, ob sie sonst Hilfe braucht, keine Information darüber, welche anderen Anlaufstellen es stattdessen geben könnte. Die Schwester gab lediglich den Hinweis, dass Susanne T. es woanders versuchen solle, nur nicht in der Hedwigsklinik. „Die gehören nämlich auch zu uns.“
Ingrid Pfreimer, seit sieben Jahren Beraterin bei pro familia Regensburg für Schwangerschaft, Verhütung und Prävention, kennt diese Situation aus vielen Gesprächen mit betroffenen Frauen. Pfreimer spricht mit Blick auf Regensburg von einer „unzumutbaren Situation“. „Hier gibt es kein staatliches Krankenhaus mit eigener Gynäkologie. Und die katholischen Häuser haben in Regensburg das ausdrückliche Verbot, die ‘Pille danach’ zu verschreiben.“
Im Zweifel für die Eizelle
„Wir entscheiden uns klar für das Leben“, sagt Svenja Uihlein, Pressesprecherin der „Barmherzigen“, als wir sie mit dem Fall von Susanne T. konfrontieren. Dieses Leben beginne nun mal „schon mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle“. Und ob so eine befruchtete Eizelle durch die Pille von der Einnistung in die Gebärmutter abgehalten werde, wisse man nicht so genau. Deshalb vertrete man im bundesweit größten katholischen Krankenhaus klar die oben zitierte „katholische Grundhaltung“.
Diese Haltung mag katholisch sein, jedoch steht sie im Widerspruch zur Gesetzeslage in Deutschland: zwei verschmolzene Zellen gelten nicht als Mensch.
Darüber hinaus ist es medizinisch höchst umstritten, ob die „Pille danach“ nach Verschmelzung von Ei und Samen überhaupt noch wirkt. „Die neusten Erkenntnisse sind eindeutig“, sagt uns die Münchner Ärztin Eva Schwarz. „Die ‘Pille danach’ unterdrückt oder verschiebt den Eisprung. Wenn Samen und Eizelle verschmolzen sind, wirkt sie nicht mehr.“
Auch, dass die Interessen einer erwachsenen oder minderjährigen Frau unter Umständen höher einzustufen sind, als die einer befruchteten Eizelle scheint in katholischen Krankenhäusern (zumindest in Regensburg) keine Rolle zu spielen.
Im Caritas-Krankenhaus St. Josef und in der Hedwigsklinik lautet die mantraartige Antwort bei mehreren Anrufen: „Wir sind ein christliches Haus. Wir machen so etwas nicht.“ Einen Arzt, der uns diese Haltung näher begründen könnte, bekommen wir trotz mehrfacher Nachfrage nicht an den Apparat.
Staatliche Förderung, katholische Lehre
„Wir haben das Jahr 2011, leben in einer Demokratie und haben einen säkularen Staat“, sagt Eva Zattler vom Landesverband der pro familia. „Da kann man als Krankenhaus, das staatliche Fördermittel in Anspruch nimmt, den Bürgerinnen nicht die reine katholische Lehre verordnen.“
Tatsächlich finanzieren sich die Barmherzigen Brüder, wie jedes andere Krankenhaus übrigens auch, zu nahezu 100 Prozent aus staatlichen Geldern. Investitionsmaßnahmen übernimmt fast vollständig der Freistaat – von zwei Millionen, die dort etwa für den Umbau und die Erweiterung der Notaufnahme anfallen, zahlt das Land 1,9 Millionen. Die Behandlung der Patienten finanzieren die Krankenkassen.
Katholisch ist nicht gleich katholisch
Übrigens ist es nicht so, dass alle katholischen Krankenhäuser in Deutschland oder Bayern eine derart dogmatische Haltung hätten. Im Klinikum der Schwestern des 3. Ordens in München erfahren wir, dass die „Pille danach“ dort „selbstverständlich“ verschrieben werde.
Zurück zu Regensburg. Im eigentlich weltlichen Uniklinikum beißen betroffene Frauen auch auf Granit, wenn sie dort wegen eines Rezepts vorstellig werden. Man zieht sich elegant aus der Affäre: „Wir haben keine eigene gynäkologische Abteilung, sondern kooperieren dazu mit St. Josef und der Hedwigsklinik“, teilt die Pressereferentin mit. Deshalb: Keine „Pille danach“ am Uniklinikum; die Haltung der Kooperationspartner ist bekannt.
Auch an der Uniklinik: Keine Pille danach
Verschreiben könnte das Uniklinikum die „Pille danach“ übrigens problemlos, auch ohne eigene Gynäkologie und ohne Gynäkologen. Jeder Arzt kann das Rezept ausstellen. „Eine Untersuchung ist eigentlich unnötig“, sagt Ärztin Eva Schwarz. Der gängige Wirkstoff Levonorgestrel wirkt sich – so die einhellige medizinische Meinung – nicht negativ auf eventuell bestehende Schwangerschaften aus.
Offenbar will man sich aber an der Universitätsklinik die gute Kooperation mit den katholischen Partnern nicht verderben. Ganz nebenbei hält man sich so aus einer Debatte heraus, die in Deutschland seit Jahren ein Politikum ist.
In 17 28 Ländern in Europa – dazu gehören etwa Großbritannien, Spanien, Frankreich und Österreich – ist die „Pille danach“ in Apotheken rezeptfrei erhältlich – entsprechend den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation. In Deutschland stoßen solche Forderungen seit Jahren auf taube Ohren. Betroffene Frauen sind damit dem Gusto von Ärzten und Kliniken ausgesetzt, die eine Verschreibung entweder aus ideologischen Gründen verweigern oder an eine verpflichtende Untersuchung knüpfen können.
Zwangsuntersuchung und Kosmetik-Tipps
In Regensburg ist Letzteres im Evangelischen Krankenhaus der Fall. Immerhin: Dort wird die „Pille danach“ verschrieben, allerdings nur mit flankierender Untersuchung. „Wir dürfen die Pille nicht verschreiben, wenn eine Schwangerschaft besteht“, heißt es zur Begründung, als wir dort nachfragen. Susanne T. beschreibt die Bedingungen dieser Untersuchung als „entwürdigend“.
Nach der Abfuhr bei den Barmherzigen wandte sie sich an das Evangelische Krankenhaus und wurde zunächst auf den folgenden Morgen vertröstet. Was sollen schon ein paar Stunden hin oder her.
Tatsächlich wirkt die „Pille danach“ mit dem gut verträglichen Wirkstoff Levonorgestrel bis zu 72 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr. Doch je später man sie einnimmt, desto mehr erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft.
Bei Susanne T. waren etwa zehn Stunden vergangen, ehe sie beim Evangelischen Krankenhaus vorstellig werden durfte.
„Als erstes wurde ich dann darüber informiert, dass ich 40 Euro zahlen muss, zusätzlich zur Pille.“ Sie wurde weg geschickt – Geld holen. „Danach wurde ich ins Untersuchungszimmer gebeten.“ Dort wurde Susanne T. erklärt, wie unsicher Kondome seien und gefragt, ob sie sich denn nicht eine Hormonspirale zulegen wolle. Danach folgte die Untersuchung.
„Die Ärztin tastete mich ab und monierte dabei ein unsymetrisches Stück Gewebe.’Das sieht aber komisch aus. Das würde ich weg machen lassen’, meinte sie.“ Auf die erschrockene Frage, ob es einen medizinischen Grund dafür gebe, ob es sich gar um Krebs handle, habe die Ärztin geantwortet, das sei ein rein kosmetischer Eingriff, „weil es doch so komisch aussieht“.
„… als ob man etwas verbrochen hätte.“
Anschließend folgte eine Ultraschalluntersuchung. Die Fotos wurden mit dem Vermerk „postkoitale Verhütung“ an die Patientendatei geheftet – von Anonymität keine Spur. „Nach der Untersuchung musste ich einen Zettel unterschreiben, auf dem stand, dass diese auf meinen eigenen Wunsch stattgefunden habe“, so Susanne T.. „Dabei wollte ich eigentlich nur das Rezept.“
Ingrid Pfreimer kennt diese Praxis. In der Vergangenheit haben sie und ihre Kolleginnen häufiger mit den Gynäkologen des evangelischen Krankenhauses über diese „eigentlich unnötige Untersuchung“ diskutiert. „Dabei wurde unter anderem gesagt, dass das auch pädagogische Zwecke habe.“
Susanne T. beschreibt ihr Gefühl nach der katholisch-evangelischen Odyssee knapp und deutlich: „Man wird das Gefühl nicht los, als ob man etwas verbrochen hätte.“
„Pille danach“ Infotelefon der pro familia: 01805/ 776326 (14 ct/min aus dem Festnetz)