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„Zeugen sind das schlechteste Beweismittel überhaupt.“ Der Strafverteidiger des 40jährigen Jens K. hat sich gerade in Rage plädiert. Er fordert für seinen Mandanten einen Freispruch. Die Staatsanwaltschaft mache es sich viel zu leicht. „So kann man, jedenfalls derzeit, kein Urteil begründen – mit Phantasie.“

Anwalt: Opfer hat sich „unklug“ verhalten

Jens K. ist einer der fünf Neonazis, denen die Staatsanwaltschaft vorwirft, am 30. Juni 2010 das Lokal Picasso überfallen zu haben und dort gemeinsam den Barkeeper verprügelt zu haben. Wenigstens ein Zeuge hat gesehen, wie Jens K. einen Barhocker geworfen haben soll. Dem Barkeeper, der den Neonazis Alkohol verweigert und sie aufgefordert hatte, das Lokal zu verlassen, attestiert der Rechtsanwalt von Jens K., sich „riskant und eigentlich unklug“ verhalten zu haben. „Vielleicht wird er sich bei anderer Gelegenheit anders verhalten.“
Nach sieben Verhandlungstagen fällt im Neonazi-Prozess kommende Woche das Urteil. Foto: as
Der Überfall auf das Picasso ist wesentlicher von mehreren Anklagepunkten, über die seit mittlerweile sieben Tagen vor der Jugendkammer des Landgerichts Regensburg verhandelt wird. Der Hauptangeklagte Daniel S. war wenige Wochen vor dem Überfall mit dem 22jährigen Barkeeper aneinandergeraten, weil dieser in zur Rede stellte, als er sich vor dem Lokal lautstark darüber ausließ, „warum Neger überhaupt Kinder kriegen dürfen“. Am 30. Juni kam S. im Zuge einer Sauftour in Begleitung von vier Kameraden ins Lokal und begrüßte den Barkeeper mit den Worten „Da bist du ja. Jetzt bist du dran.“

Wer hat geschlagen und geworfen?

Während der anschließende Angriff auf den Barkeeper – der erlitt Prellungen und Schürfwunden – dem Hauptangeklagten Daniel S. (25) im Lauf der Verhandlung klar nachgewiesen wurde, geht es bei seinen mutmaßlichen Mittätern – die sich für den Tatzeitpunkt auf Erinnerungslücken berufen oder die Aussage komplett verweigern – insbesondere um die Glaubwürdigkeit der Zeugen. Die meisten von ihnen – nicht alle – haben zwar gesehen, dass mehrere Männer auf den Barkeeper losgegangen sind, auch konnte das Opfer bereits bei der polizeilichen Vernehmung alle Angeklagten auf Fotos identifizieren, allerdings scheint es schwierig, den einzelnen Angeklagten konkrete Taten nachzuweisen. Insbesondere die Glaubwürdigkeit jener Zeugen, die ausgesagt haben, dass mehrere Männer auf den Keeper eingeprügelt und mit Barhockern geworfen haben sollen, zweifeln die Verteidiger der Neonazis an. Zwar flogen Barhocker, es gingen auch Gläser und Flaschen zu Bruch, es gibt mehrere Schäden im Lokal und es gibt einen Verletzten, aber: Die Verteidiger können auf ihre schweigenden Mandanten und zum Teil widersprüchliche Zeugenaussagen bauen.

„Lebensinhalt Alkohol“

„Es war nur eine Verabredung zum Trinken. Dass man im Picasso landete ist absoluter Zufall“, so die Argumentation von Rechtsanwalt Matthias Trepesch. Er vertritt den 31jährigen Rainer E.. Wer außer dem Hauptangeklagten konkret geschlagen habe, sei anhand der Beweise nicht nachzuvollziehen, so Trepesch. Und nur, weil die fünf Angeklagten gemeinsam unterwegs und schließlich im Picasso gewesen seien, könne man daraus „keine Sippenhaft konstruieren“. Sein Mandat sei zwar mehrfach vorbestraft, auch wegen Körperverletzung, allerdings gehöre das der Vergangenheit an. Rainer E. sei zu so etwas „körperlich gar nicht mehr in der Lage“, so Trepesch, der den 31jährigen aus mehreren Verfahren kennt. „Ich konnte seinem Verfall über die lange Zeit deutlich zusehen. Wir haben es mit einem kranken Menschen zu tun, dessen Lebensinhalt in der Aufnahme von Alkohol besteht.“ Eine gemeinsame Sauftour sei das gewesen, ansonsten sei nichts zu beweisen. Insofern sei sei Mandant – im Zweifel für den Angeklagten – freizusprechen. Oberstaatsanwalt Edgar Zach fordert am Mittwoch Haftstrafen zwischen einem und fünf Jahren für die Mitangeklagten von Daniel S., zum Teil verbunden mit Therapien. Alle Angeklagten sind schwere Alkoholiker.

Staatsanwalt: Bedrohungspotential reicht aus

„Mangelnde motionale Wärme und Einfühlungsvermögen für Mitmenschen“: Der Hauptangeklagte Daniel S.. Foto: as
Die Beweisaufnahme habe klar belegt, dass der Barkeeper von mehreren Männern geschlagen worden sei, so Zach. Ob alle geschlagen hätten, sei zwar unklar, aber, so Zach: Für eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung reiche der gängigen Rechtssprechung zufolge auch eine „psychische Unterstützung“, die schiere Anwesenheit, das Aufbauen eines gemeinsamen Bedrohungspotentials. Das sei zweifellos gegeben. „Keiner hat sich rausgehalten. Keiner der Angeklagten hat das Lokal verlassen, bevor das Opfer flüchten konnte.“ Für Daniel S. fordert Zach eine Haftstrafe von neun Jahren und sechs Monaten. Der bereits mehrfach einschlägig vorbestrafte Neonazi ist inklusive dem Überfall auf das Picasso – gefährliche Körperverletzung – wegen einer ganzen Latte von Straftaten angeklagt: mehrfach Volksverhetzung und Beleidigung, Sachbeschädigung und gefährliche Körperverletzung, weil er einem 16jährigen bei der Herbstdult einen Maßkrug ins Gesicht geschlagen haben soll. Insgesamt sieben Mal rückte die Polizei zwischen Mai und Oktober 2010 aus, um Daniel S. festzunehmen, mal allein, meist zusammen mit einem oder mehreren der Mitangeklagten. Er habe eine „Spur des Schreckens und der Straftaten hinterlassen“, so Zach. Zusammen mit einer Verurteilung vom August 2010 (gefährliche Körperverletzung) ergibt sich das geforderte Strafmaß.

Kehrtwende des Gutachters

Der Pflichtverteidiger von Daniel S., Markus Baron von Hohenau, räumt die Vorwürfe weitgehend ein, bezeichnet aber die geforderte Haftstrafe als „deutlich zu hoch“. Es handle sich „zum Glück nur um kleine, wenn auch sehr viele Delikte“, so Hohenau. Maximal sei eine Strafe von fünfeinhalb Jahren tat- und schuldangemessen. Verbaut haben dürfte sich Daniel S. die Chance, seine Haftstrafe durch eine Unterbringung zum Alkoholentzug zu erleichtern. In einem Brief an seine Frau, den er vor wenigen Tagen aus der U-Haft verschickte, hat Daniel S. angekündigt einen eventuellen Entzug abzubrechen. Unterzeichnet war das mit neonazistischen Liedtexten ausgeschmückte Schreiben mit „besten deutschen Volksgrüßen 14 88“, Zahlen-Codes für den rassistischen Glaubenssatz „14 Words“ („Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft für die weißen Kinder sichern.“) und „Heil Hitler“. Der hinzugezogene Gutachter Dr. Georg Lotter, der Daniel S. am vorhergegangenen Verhandlungstag noch eine „Suchterkrankung mit Reifedefiziten“ attestiert und ein Therapie empfohlen hatte, vollzog angesichts dessen am Mittwoch eine 180-Grad-Wende. Lotter gibt nun einer Entziehungskur „keinerlei Erfolgsaussichten“ mehr und tendiert dazu, Daniel S. eine „dissoziale Persönlichkeitsstörung“ zu attestieren. „In seiner Persönlichkeit fehlt es an einer Ansatzmöglichkeit“, so Lotter. Es mangele dem Angeklagten an „emotionaler Wärme und Einfühlungsvermögen für Mitmenschen“. Am Mittwoch nächste Woche will die Kammer die Urteile verkünden.

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