30 Tagessätze wegen vorsätzlicher Körperverletzung – so lautet das Urteil des Amtsgerichts Regensburg gegen den 25jährigen Stefan S. (Name geändert). Er soll einem Polizeibeamten mit der Hand ins Gesicht geschlagen und ihn dabei an Stirn und Oberlippe verletzt haben. Zwei Jahre hatten sich die Ermittlungen in diesem Fall hingezogen, der sich im Oktober 2009 bei einem eigentlich harmlosem Polizeieinsatz in einer McDonalds-Filiale abgespielt hat. Regensburg-Digital hat mehrfach darüber berichtet.
Erst kein Tatnachweis, dann Strafbefehl
Ein Überwachungsvideo des Lokals, das Bilder im Sekundentakt aufzeichnet, zeigt den Schlag nicht, die Zeugenaussagen sind widersprüchlich. Außer dem betroffenem Beamten will lediglich dessen Streifenkollege gesehen haben, wie der Angeklagte zuschlug. Auch dass die Verletzungen des Polizisten von einem Schlag mit der flachen Hand herrühren könnten, war vom Rechtsanwalt des Angeklagten, Tobias Richter, angezweifelt worden.
Das Verfahren war angesichts dessen von der Regensburger Staatsanwaltschaft zunächst eingestellt worden, weil, so der damalige Beschluss, eine Strafverfolgung „mangels Tatnachweis“ nicht möglich sei. Der betroffene Beamte legte Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft in Nürnberg ein. Die Regensburger Staatsanwaltschaft verschickte daraufhin einen Strafbefehl. Stefan S. legte dagegen Widerspruch ein.
Am Dienstag zeigte sich Richter Dirk Schulz nach knapp achtstündiger Verhandlung von dessen Schuld überzeugt.
Einen faden Nachgeschmack hinterlässt unterdessen die Vorgeschichte des Einsatzes, die von einem Mangel an Kommunikation gekennzeichnet ist.
Auslöser: Angebliche Randale
Die Polizei war am 3. Oktober 2009 gegen 5.30 Uhr vom Schichtleiter des Lokals gerufen worden, weil zwei Männer – Stefan S. und ein zwei Jahre jüngerer Freund – dort randalieren würden. Ein Vorwurf, der sich im Nachhinein als falsch herausstellte. Tatsächlich wurde die Atmosphäre im Lokal von allen Zeugen übereinstimmend als friedlich und ausgelassen beschrieben.
Der Schichtleiter hatte die beiden Männer nach einem kurzen – von keinem Beteiligten als aggressiv beschriebenem – Wortwechsel an der Verkaufstheke aufgefordert, das Lokal zu verlassen. Als diese sich stattdessen an einen Tisch setzten und dort zu essen begannen, rief er die Polizei mit den Worten: „Hier bei McDonalds randalieren zwei und schlagen alles kaputt.“
Am Dienstag bestritt er zunächst, dies so gesagt zu haben. Erst nachdem er vom Gericht darauf hingewiesen wurde, dass sein Anruf aufgezeichnet worden sei, räumte er ein, sich „nicht mehr daran erinnern“ zu können.
Tatsächlich scheint dieser Anruf die Weichen für einen Polizeieinsatz gestellt zu haben, den Rechtsanwalt Richter als „total versaut“ bezeichnet. „Mit Deeskalation oder Bürgernähe hatte das nichts zu tun.“
„Ewig lange Diskussion“ dauerte keine Minute
Die angeforderten Polizeibeamten schienen – ob des Anrufs – unter erheblichem Druck zu stehen. Was genau vorgefallen war, wurde nicht geklärt. „Wenn der Geschäftsführer sagt, dass die beiden das Lokal verlassen sollen, dann reicht mir das“, so einer der Beamten am Dienstag. Mehrere von ihnen sagen aus, es habe „eine ewig lange Diskussion“ mit den beiden jungen Männern gegeben. Diese seien „mehrfach über die Rechtslage informiert“ worden. Das Video zeigt: Zwischen dem Eintreffen der Polizei und dem Entschluss der beiden Männer, das Lokal freiwillig zu verlassen, vergeht knapp eine Minute.
Geschubse, Gedrängel, Handgreiflichkeiten
Warum es beim Hinausgehen schließlich zu einem Gerangel kam, währenddessen der Angeklagte nach Überzeugung des Gerichts zugeschlagen hat, schildern Zeugen unterschiedlich. Sie seien mehrfach von hinten geschubst worden, so Stefan S. und sein Begleiter. Auf dem Video ist zu erkennen, wie S. sich zu dem später verletzten Beamten umdreht. „Ich hab ihn gefragt, was das soll“, sagt er. Man erkennt eine Ausweichbewegung des Polizisten, aber auch wie zuvor dessen Hand nach dem Hals von Stefan S. greift. Schließlich wird der 25jährige in einem wilden Durcheinander zur Tür hinaus gedrückt, wo er von den anderen Beamten auf einen Tisch gelegt, einige Zeugen sagen „geschmissen“, und festgenommen wird.
Neben den Zeugenaussagen der beiden Polizeibeamten stützt sich das Gericht am Dienstag im Wesentlichen auf die Aussagen des Sachverständigen Professor Peter Betz. Die Verletzung des Polizeibeamten – eine Beule am Kopf und ein leichte Blutung unter der Oberlippe könne zwar kaum von einem Schlag mit der flachen Hand – von einem solchen spricht der Verletzte selbst – herrühren, so Betz, sehr wohl aber von einem mit den Knöcheln oder angewinkelten Fingerkuppen. „Da müssen Sie nur mal einen Kung-Fu-Film anschauen.“ Dass der Beamte sich im Gerangel mit dem Kopf an der Ausgangstür gestoßen und dabei verletzt haben könnte, schloss Betz – der seine Einschätzung auf Basis von Fotos getroffen hat – kategorisch aus. „Dann müssten auch das Kinn oder die Nase verletzt sein.“
„Polizisten nicht per se glaubwürdiger“
„Polizisten sind nicht per se glaubwürdiger als andere Zeugen“, so Richter Schulz in seiner Urteilsbegründung. Allerdings gebe es genügend Anknüpfungspunkte, die bestätigten, dass der Angeklagte zugeschlagen habe. Auf dem Video sei zu sehen, dass sich der Beamte geduckt habe, es gebe Fotos von den Verletzungen sowie die Aussage des Sachverständigen. Die Hintergründe, wie es zu dem Einsatz und schließlich zu dem Schlag gekommen ist, seien nicht Gegenstand der Verhandlung.
Neben einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen á 30 Euro und den Verfahrenskosten muss Stefan S. ein Schmerzensgeld von 300 Euro an den verletzten Polizeibeamten bezahlen. Ein kurzes Zwiegespräch zwischen dem Verurteilten und dem Polizeibeamten im Anschluss an die Verhandlung verlief friedlich.