Die Regensburger Stadtverwaltung gerät wegen der Bodenplatte vor dem ehemaligen KZ-Außenlager Colosseum in Stadtamhof immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik – vor Ort, aber auch überregional.
Die Tageszeitung „Neues Deutschland“ etwa berichtete Ende August über das Thema und bescheinigt Regensburg ein „Sonderformat der Anti-Erinnerungspolitik“.
Und auch hier wird die Kritik immer lauter. Nach dem SPD-Ortsverein Stadtamhof und einzelnen Stadträten melden sich jetzt auch immer mehr Initiativen zu Wort. Mittlerweile beginnt die Stadtspitze zurückzurudern – wenngleich etwas zaghaft.
Wie berichtet wurde die Bodenplatte am 23. April in aller Stille verlegt. Eine offizielle „Einweihung“ hatte Oberbürgermeister Hans Schaidinger zunächst abgelehnt. Fragt man zwischenzeitlich bei der Stadt nach, erhält man die Auskunft, dass eine solche Veranstaltung zu einem „geeigneten Zeitpunkt“ nachgeholt werden solle.
Offener Brief, Kundgebung
Allerdings gerät nun zunehmend der Text der Platte in den Fokus. Mehrere Organisationen, unter anderem der DGB und die Sozialen Initiativen, haben einen offenen Brief an Oberbürgermeister Hans Schaidinger und die Stadtratsfraktionen verfasst (hier als PDF).
„Müssen sich die Überlebenden nicht verhöhnt fühlen?“, fragen sie darin und fordern eine Gedenktafel, die „der historischen Wahrheit gerecht“ wird. „Die Stadt sollte an das Leiden und Sterben der Menschen im KZ Außenlager Colosseum (…) und an die Ermordeten des Todesmarsches in Würde erinnern. Die Bodenplatte tut das nicht.“
Weder werden in dem Text die mindestens 65 Todesopfer erwähnt, noch erfährt man, dass es sich beim Colosseum um eine Außenstelle des Konzentrationslagers Flossenbürg gehandelt hat und die 400 Gefangenen dort eigens zur Zwangsarbeit auf dem Regensburger Hauptbahnhof angefordert worden waren.
Für den 16. September (15 Uhr) haben die Unterzeichner des offenen Briefs zu einer Kundgebung vor dem Gebäude aufgerufen. Dabei sollen unter anderem die Namen der Toten verlesen werden.
„Historische Fälschung“
Unterstützung erhalten die Organisatoren auch aus dem Stadtrat. Der Vorsitzende der ödp-Fraktion, Dr. Eberhard Dünninger, hat seine Teilnahme bereits zugesagt. Dünninger, der vor einigen Jahren den ehemaligen Colosseum-Gefangenen Tadeusz Sobolewicz kennengelernt hat, bezeichnet den Text auf der Bodenplatte als „historische Fälschung und Verhöhnung der Opfer“. Verantwortlich dafür sei Kulturreferent Klemens Unger.
Ins gleiche Horn stoßen die Freien Wähler, die allerdings auch auf SPD-Bürgermeister Joachim Wolbergs zielen, der den Text in einer Runde aller Referenten mit abgesegnet hatte. Vor diesem Hintergrund sei die nachträgliche Kritik an dem Text, wie sie etwa SPD-Stadträtin Christa Meier gegenüber unserer Redaktion geäußert hatte, „unglaubwürdig“, so Fraktionschef Ludwig Artinger.
Bürgermeister Wolbergs wollte sich gegenüber unserer Redaktion nicht zu dem Thema äußern.
SPD-Fraktionschef Norbert Hartl weist dafür Artingers Kritik in Bausch und Bogen zurück. „Nachhilfeunterricht in Sachen Wachsamkeit gegen Nationalsozialisten“ bräuchten die SPD-Fraktion und Joachim Wolbergs nicht. „Wir waren es, die z.B. die Umbenennung der Florian-Seidl-Straße gegen erbitterten Widerstand durchgesetzt haben“, sagt er und erinnert an längst vergangene „Ruhmestaten“.
„Wanderwitz hat wieder Blödsinn geschrieben“
Gleichzeitig lässt Hartl aber auch durchblicken, dass man mit dem Vorgehen der Stadtverwaltung nicht besonders glücklich ist. „Wir hätten vor allem den zweiten Satz anders formuliert und auf die Ermordung von Häftlingen und ihren Todesmarsch hingewiesen“, so Hartl. Mit deutlicherer Kritik hält er sich zurück – wenigstens offiziell.
Innerhalb der SPD-Fraktion rumort es allerdings vernehmlich – einerseits wegen des Textes, andererseits wegen der Kritik an Wolbergs. Der Leiter des Amts für Archiv- und Denkmalpflege, Heinrich Wanderwitz, ist es, den man dort als Hauptverantwortlichen ausgemacht hat. „Wolbergs hat Wanderwitz einfach vertraut und er hat so einen Blödsinn geschrieben – wieder einmal“, sagt ein Fraktionsmitglied. Bereits in den 90ern ist die SPD heftig mit Wanderwitz aneinandergeraten.
Als es seinerzeit die Forderung gab, die Florian-Seidl-Straße umzubenennen – der Nazi-Dichter hatte die Ermordung Behinderter aus Kostengründen befürwortet – hatte sich die CSU jahrelang dagegen gesperrt. Eine Stellungnahme, die der CSU dabei den Rücken stärkte und traurige Berühmtheit erlangte, stammt aus der Feder von Heinrich Wanderwitz. Tenor: Wenn Seidl aus dem Straßenverzeichnis gestrichen werde, müssten auch die Straßen, die nach Martin Luther, Berthold Brecht oder Kurt Tucholsky benannt sind, andere Namen erhalten. Die Straße wurde schließlich – auch auf öffentlichen und überregionalen Druck hin – 1999 umbenannt.
Ob es in Sachen Colosseum ein früheres Umdenken gibt? Bei der nächsten Sitzung des Koalitionsausschusses von SPD und CSU steht die Bodenplatte jedenfalls auf der Tagesordnung.