„Wenn wir so weiter machen, sind wir überregional wieder toll dabei.“ SPD-Stadträtin und Altoberbürgermeisterin Christa Meier ist grau im Gesicht. Seit bald einer halben Stunde debattiert der Regensburger Stadtrat am Donnerstag nun schon über ein Thema, das man heute endgültig vom Tisch haben wollte: die Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers. Und eben gab es den Vorschlag der Grünen, den entsprechenden, „gut gemeinten“, Antrag der CSU zu vertagen, um sich noch einmal über den genauen Wortlaut zu unterhalten.
Die Stimmung ist aufgeheizt und unruhig. Nicht nur Meier, auch andere Stadträte werden bleich im Gesicht, schauen betreten zur Pressebank oder auf den Boden.
„Bei Gedenktagen sind Sie ja nie da!“
Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Ludwig Artinger, hat Oberbürgermeister Hans Schaidinger eben vorgeworfen, dass er „beim Umgang mit den dunkelsten Kapiteln unserer Geschichte wieder einmal herumeiern“ würde, anstatt „klare Kante“ zu zeigen.
Als Reaktion darauf bezeichnet CSU-Fraktionschef Christian Schlegl Artingers Ausführungen als „primitiv“, spricht von „traditionellen Entgleisungen“ und „Verbalinjurien“ und hält Artinger vor: „Bei Gedenktagen sind Sie ja nie da.“
Wie geht man um mit einem Ehrenbürger Adolf Hitler?
Einige Städte und Kommunen haben Hitler diese Würde posthum aberkannt, andere haben sich davon distanziert, die Verleihung verurteilt oder ein anderweitiges öffentliches Bekenntnis dazu abgelegt. Die Stadt Regensburg hat in den vergangenen 66 Jahren jede öffentliche Aussage dazu tunlichst vermieden und sich, so es doch Anfragen gab, darauf zurückgezogen, dass die Ehrenbürgerschaft mit dem Tod erlösche. Das holt sie heute ein.
Ein „klares Bekenntnis“?
Oberbürgermeister Hans Schaidinger hatte kürzlich – es gab zuvor mehre Anfragen bei der Stadt – via Pressemitteilung verlauten lassen, dass Regensburg bereits vor Jahrzehnten ein „klares Bekenntnis“ abgelegt habe. Schließlich werde Hitler „zumindest seit 1966“ in keiner offiziellen Liste mehr geführt.
Ein öffentlichkeitswirksamer Beschluss sollte nun aber doch her, meinte man bei der CSU. „Sonst kommt das Thema in zehn Jahren wieder auf den Tisch“, so Schlegl am Donnerstag. Sein Vorschlag im kompletten Wortlaut:
„Die bisherige seit Jahrzehnten geübte Verwaltungspraxis der Stadt Regensburg, die offenbar auf einer früheren, internen Verwaltungsentscheidung beruht, Adolf Hitler aus der Liste der Ehrenbürger zu entfernen und nirgends zu führen, wird durch den Stadtrat der Stadt Regensburg ausdrücklich begrüßt und bestätigt. Analoges gilt für den NSDAP-Gauleiter Adolf Wagner.“
Formaljuristisches Geplänkel
„Damit wären Verwaltung und Stadtrat in homogener Weise bei der Bewältigung der damaligen Entscheidung vereint“, führt der städtische Rechtsreferent Dr. Wolfgang Schörnig zu dieser Formulierung aus. Flankierend zitiert Schörnig aus der Bayerischen Gemeindeordnung und den einschlägigen Kommentaren in Sachen Ehrenbürgerschaft. Nein – posthum aberkennen geht nicht. Das sei „juristisch absolut unstrittig“. Und dass andere Kommunen dies dennoch getan hätten, sei eben „eine rein politische Entscheidung“ gewesen. Rechtliche Folgen hätte dies nicht. „Wer klagt schon dagegen.“
Artinger, gleichfalls Jurist, sieht das anders. Das Thema werde offenbar „unterschiedlich gehandhabt“. Es gebe dazu keine Rechtssprechung. Und ein schlichtes Streichen aus allen Listen bedeute „nicht anderes, als so zu tun, als wäre es nie passiert“. Artinger stellt den Antrag, Adolf Hitler und Adolf Wagner die Ehrenbürgerwürde abzuerkennen. Falls dies keine Mehrheit finde, werde er notgedrungen auch dem CSU-Antrag zustimmen.
„Ziehen wir einen Schlussstrich.“
Währenddessen wird es immer unruhiger im Sitzungssaal. Die Fraktionen besprechen sich.
Zwischenzeitlich lässt Oberbürgermeister Hans Schaidinger das Plenum wissen, dass er in seiner Presseerklärung nur geschrieben habe, „was zu schreiben ist“, dass bereits seine Vorgängerin Christa Meier so wie er argumentiert habe und dass ein „sachlicher Umgang“ mit dem Thema mehr Wirkung entfalte als „wirkungslose politische Deklarationen“.
„Ziehen wir einen Schlussstrich. Stimmen wir endlich ab“, sagt Christa Meier. „Bitte keine juristischen Streitereien mehr“, sekundiert Jürgen Pätz (FDP). „Wir können das jetzt nicht mehr von der Tagesordnung nehmen“, ergänzt Horst Meierhofer (FDP). „Wie kann man ein Thema nur so zerreden“, meint Thomas Burger (SPD).
Schließlich meldet sich Christian Schlegl noch einmal zu Wort. Erhat sich zu einer Änderung durchgerungen. „Der Stadtrat distanziert sich von der damaligen Fehlentscheidung und verurteilt sie aufs Schärfste“, wird nun noch ergänzt. Artinger zieht darauf seinen Antrag zurück, man stimmt ab und bringt es nach knapp 45 Minuten zur erhofften einstimmigen und formaljuristisch korrekten Entscheidung.