Agilolfinger meets Messerschmitt
Etwas berauscht vom Weltkulturerbe-Ruhm liest sich die kürzlich veröffentlichte Bewerbungsschrift Regensburgs für das „Museum für Bayerische Geschichte“. Als Symbiose aus wirtschaftlichem Fortschritt und Demokratie finden sich darin die Messerschmitt-Werke.
Tabula Rasa: Am Donaumarkt wird für das neue Museum aufgeräumt. Foto: as
War es „Königin Theodolinde [sic], eine Baumeisterin des christlichen Abendlandes“? „Königin Gisela, Nationalheilige im europäischen Donauraum“? War es die hier vorgenommene Gründung der Jungen Union? Nicht nur enttäuschte Mitbewerber fragen sich, was Regensburg als Standort des designierten Museums für Bayerische Geschichte (MBG) ausgezeichnet haben könnte. Dass gerade die Münchner Entscheidungsträger „die volle Dimension bayerischer Authentizität, von den Agilolfingern, Ottonen, Welfen und Wittelsbachern“ empfanden, die laut der Bewerbungsschrift in Regensburg spürbar sei, kann man sich kaum vorstellen.
Am Ende werden es hauptsächlich zwei Aspekte gewesen sein, die den Ausschlag gaben: die 20 Millionen Euro, welche Regensburg großzügig für den Bau des 70-Millionen-Projekts beisteuert – nicht zuletzt, um damit auch das städtebauliche Dauerthema Donaumarkt zu erledigen – und die Übernahme der anfallenden Gebäudebetriebskosten, des mit dem Titel „energieautark“ schöngeredeten Museums.
Symbiose aus Fortschritt und Demokratie: ein Nationalsozialistischer Musterbetrieb
Regensburg ist laut der vom Kulturreferat verfassten Bewerbungsschrift nicht zu toppen: „750 Jahre Demokratie, 350 Jahre Europäischer Parlamentarismus“, „ein identitätsstiftender Ort für ganz Bayern“, „Stadt der Ideen und Synergien“, „Zentrum einer Kulturregion“. Eine eitle Reihung pseudo-historischer Superlativen und leerer Floskeln, die da präsentiert wird. Würde man der Propaganda von Kulturreferent Klemens Unger folgen, dann beweisen die „Erfindung des Papiers und der Waschmaschine, die bayerische Dampfschifffahrt und die Flugzeugindustrie Messerschmitt, heute Biopark und Mikrochip (…), dass wirtschaftlicher Fortschritt, politisch demokratische Stabilität und kulturelle Identität symbiotisch in Regensburg zusammenwirken und geeignet sind, ein Spiegelbild Bayerns zu demonstrieren“.
Gedankenlosigkeit oder Berechnung – was führt dazu, dass das Regensburger Kulturreferat den Flugzeug-Pionier Willy Messerschmitt bzw. den Nationalsozialistischen Musterbetrieb Messerschmitt in den feinen Dreiklang von Kultur-Demokratie-Fortschritt einbetten will? Wie berauscht vom Weltkultuerbe-Ruhm muss man sein, um vereinnahmende Umdeutungen dieses Kalibers im Namen einer Universitätsstadt vorzutragen und sich darüber zum „Ideengeber“ für ein staatliches Museum aufschwingen zu wollen?
Ein Exempel fürs Museum?
Dennoch: Wenn auch in einem gänzlich anderen Sinne, als es Ungers Bewerbung es vorgibt, könnte der kriegswichtige Flugzeugkonzern Messerschmitt als Regensburg-spezifischer Museumsbeitrag dienen: als Beispiel für den Aufstieg eines bayerischen Industriebetriebs im Nationalsozialismus, als Exempel für die Geschichte einer ehemaligen (freien) Reichsstadt, die sich jahrhundertelang vehement dagegen wehrte, von den Herzögen und Kurfürsten an Bayern angeschlossen zu werden, nach ihrer Annexion als Provinzstadt dahin dümpelte und sich erst in der Nazizeit bzw. im Zuge der Vorbereitung des Angriffskriegs „zum boomenden Wirtschaftsstandort an der Donau entwickelt“.
Logo der Messerschmitt GmbH Regensburg um 1938. Foto: Wikipedia
Die aus den Bayerische Flugzeugwerken hervorgegangenen Messerschmitt-Werke haben für Regensburg eine zentrale Bedeutung – eine Erkenntnis, die spätestens seit der Studie von Helmut Halter (Stadt unterm Hakenkreuz, 1994) wissenschaftlich erschlossen vorliegt. Mit ihrer Ansiedlung entwickelte sich die Stadt an der Donau zu einem modernen nationalsozialistischen Standort für Rüstungsindustrie. Regensburg wurde seinerzeit zu einer Großstadt, deren politische Führung und städtische Verwaltung sich zusammen mit der überwiegenden Mehrheit der Stadtgesellschaft auf Gedeih und Verderb den Interessen des Rüstungskonzerns auslieferten. Die städtebauliche Entwicklung richtete man gänzlich an den Vorhaben der Flugzeugbauer aus, die an der Eroberung Europas bzw. der Welt maßgeblich teilhaben wollten. Aufstieg und partielle Zerstörung der Stadt waren somit unmittelbar an Messerschmitt gekoppelt.
Nur den präzisen und begrenzten Abwürfen von alliierten Fliegenbomben ist es zu verdanken, dass das „mittelalterliche Wunder“ Regensburg nicht, wie z.B. Augsburg, zusammen mit den Messerschmitt-Werken zerstört wurde bzw. nicht noch mehr Bombenopfer zu beklagen sind. Da der musterhafte Rüstungskonzern in der Zeit des Nationalsozialismus auch im bayerischen bzw. im kriegsgeschichtlichen Rahmen eine bedeutsame Stellung innehatte, die sich nicht zuletzt an den Schicksalen mehrerer zigtausender Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge festmachen lässt, dürfte er die Relevanzkriterien erfüllen, um einen Platz im Museum für Bayerische Geschichte zu erhalten.
Messerschmitt: Aktuelles Forschungsprojekt
Die bislang zwar vorgesehene, aber noch nicht im Detail geplante Thematisierung der Epoche Bayerns im Nationalsozialismus ließe sich durch die Verbindung Regensburg und Messerschmidt substanziell aufwerten. Ein solcher, zeitgemäßer und wissenschaftlich grundierter Museumsbeitrag würde auch dem Bildungsauftrag gerecht werden, den das Haus der Bayerischen Geschichte innehat, und den weit verbreiteten bzw. ungebrochen-geschönten Willy-Messerschmitt-Legenden entgegentreten. Die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg entwickelt derzeit zusammen mit dem renommierten Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien und der KZ-Gedenkstätte Mauthausen ein umfangreiches Projekt zur Erforschung der Teileproduktion der Regensburger Messerschmitt-Werke in diversen nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Die Ergebnisse dieses Projekts „könnten und sollten“, so Jörg Skriebeleit, der Leiter der Flossenbürger Gedenkstätte, „dann auch in das neue Museum für Bayerische Geschichte einfließen“.