NPD-„Flaggschiff“ säuft in Regensburg ab
Breiter Protest auf allen Plätzen vermasselte der NPD ihren Stopp in Regensburg. Foto: Phil Starzinger
Die Bürgermeister demonstrieren: „Als Privatpersonen“
Im Gegensatz zu früheren Demonstrationen ist die komplette Stadtspitze auf dem Haidplatz versammelt. Oberbürgermeister Hans Schaidinger (CSU), zweiter Bürgermeister Gerhard Weber (CSU) und dritter Bürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) gesellen sich zu den Demonstranten. Als Privatpersonen freilich – darauf legt vor allem Schaidinger wert. „Die Stadt kann nicht demonstrieren“. Ein Abgesandter der Stadt sei auch nicht da. Aber er als Hans Schaidinger könne sehr wohl gegen Rechts demonstrieren, und sein Beruf ist eben Oberbürgermeister. Ähnliches war von Wolbergs zu hören. Auch Rechtsreferent Wolfgang Schörnig war auf der Gegen-Demo – selbstverständlich auch rein privat, „das erkennt man daran, dass ich keine Krawatte trage. Zu meinen Dienstaufgaben gehört es sicherlich nicht zu demonstrieren, aber als Privatmann möchte ich dagegenstehen“.
Er wolle zeigen, wofür diese Stadt stehe, so Schaidinger. „Offenheit, Toleranz, Miteinander, nicht Ausgrenzung.“ Warum er ausgerechnet an dieser Demonstration teilnehme, wo er doch sonst auch nicht an der Speerspitze des Protests stehe? „Mir ist es wichtiger, einen Standpunkt zu haben, als ihn wie eine Monstranz vor sich herzutragen. Außerdem gehe ich nicht auf eine Demonstration mit Organisationen, die im Verfassungsschutzbericht stehen“. Und wer im Bericht des Verfassungsschutzes stehe, stehe da auch zu Recht, sagt der Oberbürgermeister, vielleicht auch nur der Privatmann Hans Schaidinger. Man weiß nicht, was angesichts der formaljuristischen Argumentation der Stadtspitze nun korrekt ist.
Formaljuristische Haarspaltereien
Formaljuristerei herrscht nämlich auch und vor allem im Regensburger Ordnungsamt. Das hatte im Vorfeld mit Verweis auf „Neutralität“ keinerlei Informationen zum Aufmarsch der NPD herausgegeben. Im Gegensatz zu vielen anderen Städten. Auch die – bei anderen Themen durchaus nicht ungewöhnlichen – undichte Stellen in der Stadtverwaltung gab es dieses Mal nicht. Wenn die NPD in die Stadt kommt, wird dies mittlerweile traditionell als geheime Staatssache behandelt. Sich gegen Nazis zu positionieren ist man unter Ägide von Amtsleiter Alfred Santfort – der weilte am Mittwoch bereits in Urlaub – nicht gewohnt. Und diese Linie ist vom Oberbürgermeister durchaus gedeckt: „Die Verwaltung muss gesetzmäßig handeln, auch wenn das manche nicht verstehen“, sagt er.Verwaist: Der Kassiansplatz. Foto: as
Polizei von NPD-Route überrascht?
Völlig überraschend scheint die Einsatzkräfte die Nachricht zu erreichen, dass die NPD es sich auf dem Bismarckplatz gemütlich gemacht hat. Ohne Not. Blockiert wird dort nicht. Es ist eigentlich so gut wie niemand dort. Und angemeldet hat die NPD am Bismarckplatz gar nichts. „Wir waren ständig mit den Anmeldern im Truck in Kontakt“, sagt ein Polizeisprecher auf Nachfrage. „Aber sie haben uns nie mitgeteilt, dass sie auf den Bismarckplatz fahren.“Keine Polizei, keine Gegendemonstranten, kein Interesse: Der NPD-Truck blieb einfach am Bismarckplatz stehen. Foto: as
Fast alle NPDler hatten Schirme mit Stahlspitze. Foto: Jürgen Huber
NPD-Chef in Amberg: Heidrich Klenhardt. Foto: as
Eingekreist: Der NPD-Truck am Bismarckplatz. Foto: as
Prügeltrupp im Kofferraum
Nur Schutz vor Eier-Würfen? Alle NPDler trugen Schirme mit Metallsspitze. Foto: as
Eier, Tomaten, Luftschlangen
Gefrustet: der Brandenburger Neonazi Ronny Zasowk. Foto: Herbert Baumgärtner
Sitzblockade: „Aufstehen ist keine Option“
Eine Stunde dauern die Ansprachen, die sich von Ferne wie alte Schallplatten mit Adolf-Hitler-Reden anhören. Vom Tonfall, ansonsten versteht man allenfalls Wortfetzen. Schließlich scheinen die Neonazis fertig zu sein. Zumindest werden die Lautsprecher abgebaut. Und nun wollen sie weiter. Um 16 Uhr haben sie sich mit ihrem „Flaggschiff“ in Nürnberg angekündigt. Doch das Verlassen des Neupfarrplatzes gestaltet sich schwierig. Etwa 50 Menschen lassen sich zu einer Sitzblockade nieder, unter ihnen Gewerkschaftssekretäre, Mitglieder der Piratenpartei, zwei, drei bekannte Regensburger Geschäftsleute, eine junge Frau und ein älterer Mann, beide mit Krücken.Redet auf die Blockierer ein: Einsatzleiter Wolfgang Mache. Foto: as
USK-Beamte räumten die Blockade. Foto: Phil Starzinger
Das USK blieb ungewohnt friedlich
Schließlich – nach einer halben Stunde Verhandlung – beginnt das USK den Platz zu räumen. Das geschieht – betrachtet man die gewalttätigen Eskalationen, mit der diese Polizeitruppe immer wieder Schlagzeilen macht – erstaunlich reibungslos. Nur zwei, drei Mal brüllt einer der Blockierer vor Schmerzen, als ihn Beamte wegtragen und dann doch mal aufs Auge oder die Fingerknöchel drücken. Unschön, aber das hat man schon ganz anders erlebt. Abgesehen von einigen Blutergüssen, die man später an mehreren Oberarmen sehen kann, gibt es keine Verletzungen. Auch Personalien werden nicht aufgenommen.Mit gut einstündiger Verspätung verließ der NPD-Truck Regensburg. Foto: Phil Starzinger