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LKWs statt Weinstock-Idyllle

Winzerer darf kein Winzer werden

Wer an den Regensburger Stadtteil Winzer denkt, denkt an Wein. Und an Ruhe im beschaulichen Landschaftsschutzgebiet. Beides ist nur noch beschränkt möglich: Wein, so zitiert ein Anwohner das Umweltamt, sei „keine ortsübliche Kulturpflanze“ in einem Stadtteil namens Winzer. Und statt Ruhe gibt es LKW-Verkehr.

Landschaftsschutzgebiet und Erholungszone für gestresste Städter: die Winzerer Höhen, Blick auf den Stadtwesten. (Foto: hb)

Etwas ab vom Schuss liegt der idyllische Regensburger Stadtteil Winzer. Wer nicht in Winzer wohnt, hat nur wenige Gründe, diese ländlich geprägte Gegend aufzusuchen. Die Gemüsebauern verkaufen ihre Salatköpfe und Rüben auch auf Wochenmärkten, der letzte Getränkeladen hat im Februar geschlossen, und auch ansonsten gibt es hier nicht viel, was es nicht andernorts auch gäbe. Wer nach Winzer kommt, ohne hier ansässig zu sein, wünscht sich im Wesentlichen zwei Dinge: Ruhe in der Natur und/oder Wein.

Wo die Stadt selbst winzert…

Beides glaubt man auf den Winzerer Höhen zu finden. Ein Landschaftsschutzgebiet hoch über der Stadt, darunter Wald, dahinter Wiesen und Felder. Zwischendrin der eine oder andere kleine Weinberg. Dem allgemeinen Verständnis zufolge hat Winzer sogar seinen Namen vom Weinanbau. Das ist naheliegend und wird sowohl durch die dortige Weinkultur im Hier und Heute als auch durch die Geschichte bestätigt: Die Römer sollen hier schon Wein angebaut haben, der Stadtwein „Salutaris“ des Gartenamtes hat seinen Namen nach dem römischen Vermächtnis in Winzer. Ein römisches Steindenkmal in Winzer, das den Vornamen eines Soldaten preisgibt und an den antiken Weinbau erinnert, ist das Vorbild hierfür. Und nicht nur die Weine privater Klein-Winzer gedeihen hier hervorragend, auch dem Stadtwein scheint die sonnige Südhanglage gut zu tun.

…darf das ein Winzerer noch lange nicht

Doch das Privileg, in Winzer Winzer sein zu dürfen, wird nicht jedem zuteil. Karl Brunnbauer zum Beispiel, seit einigen Monaten Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Stadtamhof-Steinweg-Winzer, wäre gern Winzer in Winzer oder würde wenigstens gerne einem potenziellen Pächter seines Hangs im mutmaßlichen Weinanbaugebiet  diese Möglichkeit geben.

Auch dieses kleine Grundstück mit Weinstöcken, das einem Hobby-Winzer aus Regensburg gehört, soll verschwinden, wenn es nach dem Willen der Stadt geht, berichtet Karl Brunnbauer. (Foto: hb)

Brunnbauer ist Winzerer, aber Winzer darf er nicht sein.  Denn er hat einen Fehler gemacht: Er hat seinen Hang freiwillig zur Verfügung gestellt, als der Bezirk nach Flächen suchte, die entbuscht werden können. Brunnbauer hat sich gemeldet, eingewilligt und für die Entbuschung seines Hangs 70 Prozent Fördermittel erhalten. Den Rest – bislang etwas über 5.000 Euro – hat er selbst bezahlt. Was ihm laut seiner Aussage nicht mitgeteilt wurde: Die geförderte Fläche unterliegt nun zehn Jahre lang einer Zweckbindung. Diese Zweckbindung macht es offenbar unmöglich, Wein anzubauen. Wein, so zitiert Brunnbauer das Umweltamt, sei in Winzer „keine ortsübliche Kulturpflanze“. In zehn Jahren könne man erneut verhandeln (nachzulesen auch im Protokoll der Bürgerversammlung). Weinreben in Winzer schätzen die Offiziellen nicht so sehr.

Trügerische Ruhe

Auch mit der bislang so geschätzten Ruhe war es in Winzer in den vergangenen Monaten erst einmal vorbei. Wer glaubte, er könne sich in aller Seelenruhe auf die Winzerer Höhen legen, ein Nickerchen in der Sonne machen, ein bisschen grillen oder joggen und werde dabei allenfalls von ein paar Mücken gestört, hat sich geirrt: Seit November 2011 rattern in regelmäßigen Abständen LKWs über die Winzerer Höhen. Bis zu 200 pro Tag sollen es laut Brunnbauer zu Spitzenzeiten gewesen sein. Ein Landwirt lässt sich Humus auf seinen Acker liefern, um – wie er selbst sagt – die Bodenqualität zu verbessern.

Geschäftsmodell Erdauffüllung?

Der wird unter anderem von der Firmengruppe Rösl geliefert. Laut Stadt, Bauer Xaver Renner und Gerhard Rösl läuft alles legal und nach Plan. Verständnis habe man schon, wenn es Anwohner und Besucher nicht so gerne haben, dass der Lastverkehr durch das Landschaftsschutzgebiet donnert, aber es liege eine Baugenehmigung vor und damit gehe alles seinen geordneten Gang. Brunnbauer hat da so seine Zweifel: Der Einfluss auf das Winzerer Grundwasser sei nicht geklärt, die Zauneidechse werde vertrieben, die Straße in Kager beschädigt und die Anwohner durch den Lärm belästigt.

Humus soll die Bodenqualität des früher als “Ziegelacker” bekannten Grundstücks verbessern. (Foto: hb)

Aber Brunnbauer ist als Winzerer auch ein gebranntes Kind, was Erdauffüllmaßnahmen angeht: Ein anderer Landwirt hat über viele Jahre hinweg unbehelligt von der städtischen Ordnungsmacht alles Mögliche in Kager und auf den Winzerer Höhen abgeladen, nicht nur Erdreich verfüllt, sondern auch Stahltanks in der Landschaft vergraben und ohne Genehmigung gebaut. Erst letztes Jahr wurde die Stadtverwaltung auf dessen Treiben aufmerksam, er musste Teile seiner Auffüllungen beseitigen, durfte aber auch einiges stehen lassen. Die Entfernung wäre schädlicher als der Erhalt des Status quo. Zusätzlich hat Brunnbauer den Verdacht, dass die Landwirte Geld dafür bekommen, dass sie Humus auf ihren Flächen abladen.

Showdown in der Spätnachmittagssonne

Bei einem Pressetermin auf den Winzerer Höhen laufen sich Brunnbauer und Renner – zufällig und offenbar erstmals – über den Weg. Es dauert eine Weile, bis sie sich gegenseitig ihre Interessenslagen vorgetragen und eine Kommunikationsbasis gefunden haben. Die Sonne steht schon tief über den Feldern. Unten tobt die Dult, das Riesenrad in Sichtweite, auf den Winzerer Höhen brodeln die Gemüter. Beide sind sehr emotional, was das Thema angeht. Bauer Renner fühlt sich angegriffen, weil er mit dem anderen Landwirt in einen Topf geworfen wird. Dabei sei seine Maßnahme legal, genehmigt und völlig im Rahmen. Sogar der Boden soll dadurch besser werden, das Trinkwasser eher geschützt als verunreinigt, da Düngemittel die dicke Humusschicht nicht so schnell verlasse wie den darunter liegenden, trockenen Kalkboden.

Humus gegen die Klimaerwärmung

Schließlich stellen Renner und Brunnbauer fest, dass ihre Interessen gar nicht so gravierend auseinandergehen. Brunnbauer hat gegen legale Auffüllmaßnahmen gar keine Einwände. Sondern hauptsächlich gegen den LKW-Lärm. Und Renner hat Verständnis für die Anwohner und die gefährdete Zauneidechse. Aber die, so ist der Landwirt überzeugt, kann ja immer noch davonlaufen, wenn sie die Vibrationen eines Lastwagens wahrnimmt. Am Ende geht es noch ein bisschen um das Welthungerproblem, die Kraftstoffknappheit und die schmelzenden Polarkappen – alles Dinge, von denen Renner glaubt, ihnen ein bisschen entgegenwirken zu können, wenn er sich Humus aus der Region anliefern und auf seinem Acker auffüllen lässt.

Ein LKW auf seinem Rückweg von den Winzerer Höhen durch den Ortsteil Kager. Am Straßenrand wurden Bäume und Sträucher beschnitten, damit die Brummis die Kurve kratzen können. (Foto: Brunnbauer)

Geld habe er dafür übrigens keins bekommen. Diesen Vorwurf Brunnbauers streitet er vehement ab. Das bestätigt auch Transportunternehmer Rösl, der den Erdaushub beispielsweise aus Dechbetten oder Lappersdorf anlieferte. „Wer anständiges Material will, kriegt nicht auch noch Geld dafür“, sagt der Bauunternehmer. Es gebe wohl schwarze Schafe, die Kippgebühren sparen wollen und dann lieber einem willigen Abnehmer die von Brunnbauer vermuteten drei Euro pro Kubikmeter bezahlen. Von ihm – Rösl – habe Renner jedenfalls keinen Cent gesehen. Und die Moral von der Geschicht‘? Eine Versöhnung gibt es nicht. Renner bietet Brunnbauer zwar an, auf seinem Grundstück auf den Winzerer Höhen Wein anzubauen, aber der winkt ab. Er will direkt in Winzer winzern, sich außerdem nicht von der Stadt oder dem Bezirk mit fadenscheinigen Begründungen („keine ortsübliche Kulturpflanze“) gängeln lassen, während nur ein paar Meter weiter Lastwagen Zauneidechse, Wild und Anwohner erschrecken. Und das im Landschaftsschutzgebiet. So legal das auch alles sein mag. Rösl hat im Telefoninterview zu dem Streit angemerkt: „Beim Reden kemman d’Leid zamm. Der eine Acker dieses Jahr, der andere Acker nächstes Jahr, das müsste doch drin sein.“ Immerhin haben Brunnbauer und Renner nun schon miteinander gesprochen. Vielleicht kommt es ja irgendwann mal zur Aussöhnung bei einem Glas Wein – vielleicht sogar eigenem Anbau.
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