Ein Visum für Deutschland? Dafür reicht weder Geld auf dem Bankkonto, noch eine gute Ausbildung, noch ein Deutscher, der sich verpflichtet, bei Bedarf anfallende Kosten zu übernehmen. Vor allem nicht für eine alleinstehende Frau aus Afrika.
Stellen Sie sich vor: Sie haben einen Studienabschluss einer Universität in London, haben seit einigen Jahren einen gut bezahlten Job bei einem internationalen Unternehmen und wollen sich nun mal eine Auszeit nehmen, um für zwei Monate Freunde im Ausland zu besuchen. Sie investieren einige hundert Euro für Auslandskrankenversicherung, Termine bei Botschaft und Visumsantrag. Am Ende wird Ihnen die Einreise verweigert, weil man Ihnen nicht glaubt, dass sie nach Ablauf des Visums wieder ausreisen werden.
Was dem Inhaber eines deutschen Passes reichlich fremd vorkommen mag, hat Sophia Ndiaye (Name geändert) erlebt. Ndiaye stammt aus Sambia. Seit mehreren Jahren arbeitet sie in Kapstadt in Südafrika und lebt dort in finanziell gesicherten Verhältnissen.
Auszeit in Deutschland? Nicht für Afrikaner
Nach dem Tod ihres Verlobten wollte sich die 32jährige eine Auszeit zweimonatige Auszeit nehmen und Freunde in Deutschland besuchen, die sie in Kapstadt kennengelernt hatte. Sie kündigte ihre Arbeitsstelle – in Südafrika, wo sie mit ihrem Studienabschluss recht problemlos wieder einen neuen Job finden kann, nichts Ungewöhnliches – und beantragte ein Visum.
Neben Nachweisen über ihre finanziellen Verhältnisse und einer Auslandskrankenversicherung verlangt Deutschland dafür insbesondere ein Einladungsschreiben eines deutschen Staatsbürgers, der sich zudem verpflichtet, „für alle aufgrund des Aufenthaltes des Ausländers in Deutschland entstehenden Kosten, einschließlich der Kosten für eventuelle Krankenbehandlung und Rückführung in das Heimatland aufzukommen“.
Der Regensburger Christian Hierl hat diese Verpflichtungserklärung unterschrieben. Auch er musste dafür seine finanziellen Verhältnisse offenlegen und all das anschließend an die deutsche Botschaft nach Sambia schicken. Sophia Ndiaye musste von Kapstadt zur deutschen Botschaft nach Sambia reisen. „Eine Visumsantrag bei der Botschaft in Südafrika sei nicht möglich, wurde mir mitgeteilt.“ Die Kosten für Anreise, Versicherungen, Schriftverkehr und eine einwöchigen Aufenthalt in Sambia, wo die Botschaft wegen Computerumstellungen eine Woche geschlossen hatte, beliefen sich auf knapp 400 Euro, das ist etwas weniger als ein durchschnittliches Monatsgehalt in Südafrika.
Und während es recht aufwändig war, zur Botschaft zu gelangen und den Antrag dort abgegeben zu können, lief es mit dessen Ablehnung umso schneller: Die kam einen Tag, nachdem der Antrag gestellt war. Auf einem Standardformular mit neun möglichen Ablehnungsgründen ist angekreuzt: „Your intention to leave the territory of the Member States before the expiry of your visa could not be ascertained“. Zu deutsch: Man glaubt Sophia Ndiaye nicht, dass sie Deutschland auch wieder verlassen würde, wenn ihr Visum abgelaufen ist. Weitere Erläuterungen dazu gibt es nicht, lediglich den Hinweis, dass man dagegen binnen eines Monats Beschwerde einreichen könne. „Mir wurde in einem Telefonat von einer Mitarbeiterin des Auswärtigen Amts klipp und klar gesagt, dass das keinen Sinn habe. Der Antrag würde wieder abgelehnt“, erzählt Hierl.
Standard-Ablehnungsgrund 9: Die “Rückkehrbereitschaft” wird bezweifelt.
Sophia Ndiaye ist kein Einzelfall. Wie mehrere Anfragen der Linken an die Bundesregierung ergaben, sind gerade die Ablehnungsquoten in ärmeren afrikanischen Ländern besonders hoch. Durchschnittlich lehnt Deutschland weltweit zwischen sieben und acht Prozent der Visaanträge ab. Im vergangenen Jahr waren Guinea (55,79 Prozent), Nigeria (46,47) und der Kongo (40,77) die Spitzenreiter. Das bloße Ankreuzen des Standardsatzes „Ihre Absicht, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auszureisen, konnte nicht festgestellt werden“, sei dabei die Regel, so die Antragssteller der Linken.
Sambia ist dagegen mit einer Ablehnungsquote von 6,5 Prozent eine absolute Ausnahme.
Weshalb wurde dann gerade Sophia Ndiaye ihr Visum mit ebendieser kaum zu widerlegenden Standardbegründung verweigert?
„Früher wäre das kein Problem gewesen“
Offiziell erfährt man dazu nichts. In einem Telefonat mit einer Mitarbeiterin des Auswärtigen Amts ist aber zu erfahren, dass die 32jährige einfach zu ehrlich gewesen zu sein scheint. Einer Frau, deren Verlobter eben erst ums Leben gekommen sei, die ihren Job gekündigt habe und die keinen Grundbesitz in ihrem Heimatland habe, könne man eben nicht abnehmen, dass sie wieder nachhause zurückkehren werde, heißt es da. Sophia Ndiaye solle es doch mal bei der Botschaft in Südafrika versuchen. Dort sei man vielleicht weniger streng. Warum man der jungen Frau bei ihrem ersten Antrag noch gesagt habe, dass dies gar nicht möglich sei, weiß die Mitarbeiterin nicht zu beantworten, meint aber noch: „Früher wäre ein Visum kein Problem gewesen, aber seitdem die CDU regiert wird das jährlich schwieriger.“
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