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Kennzeichnungspflicht für Polizisten?

Der Schutzpatron der schwarzen Schafe

Herr Knorr wirkt sympathisch. Leutselig. Jovial. Während der Hauptkommissar im (etwas schummrig beleuchtetem) Nebenraum beim Gravenreuter in die Runde plaudert, hat er fast immer ein Lächeln im Gesicht. Manchmal muss er sogar richtig lachen. Umso unsympathischer ist die Haltung, die Knorr vertritt. Der Landtagsabgeordnete Franz Schindler bescheinigt Knorr im Verlauf des Abends, dass er eine Haltung vertrete, „die nicht in diese Welt passt“ und „seit 50 Jahren, wahrscheinlich noch seit ein paar Jahrzehnten mehr, nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist“.

Mit Enthusiasmus gegen Kennzeichnungspflicht: GdP-Vertreter Gerhard Knorr. Foto: as

„Kennzeichnungspflicht für Polizisten“ lautet das Thema der Podiumsdiskussion, zu der die ASJ (Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen) am Donnerstag eingeladen hat. Und Gerhard Knorr, seines Zeichens Oberpfalz-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), schafft es geschlagene zwei Stunden lang diese Kennzeichnungspflicht in Bausch und Bogen zu verdammen, ohne dafür auch nur ein schlüssiges Argument zu bringen.

In der EU: Kennzeichnungspflicht der Standard

Es geht um die „schwarzen Schafe“ bei der Polizei. „Einige wenige“, wie vom Podium immer wieder betont wird, die im Schutz der uniformierten Anonymität den Gummiknüppel und die Fäuste schon mal fliegen lassen, im sicheren Wissen, dafür nicht belangt zu werden. Kein Namensschild, keine Nummer und gerade die schwarz uniformierte, behelmte und manchmal noch mit Sturmhauben bekleidete Spezialeinheit USK macht immer wieder mal mit Übergriffen von sich reden – insbesondere bei Fußballspielen und Demonstrationen. Innerhalb der EU ist Deutschland eine absolute Minderheit – in fast allen Mitgliedsstaaten gilt eine Kennzeichnungspflicht. Ebenso in den USA. Dass Beamte dadurch einer höheren Gefahr ausgesetzt wären, später privat angegriffen oder belästigt zu werden, lässt sich, entgegen Befürchtungen der Polizeigewerkschaften, nicht belegen. Im vergangenen Jahr hat Berlin als erstes Bundesland ebenfalls eine solche Kennzeichnungspflicht eingeführt – auf Initiative der CDU. Brandenburg will im kommenden Jahr folgen.

Am häufigsten mit Übergriffen in den Schlagzeilen: Die Spezialeinheit USK (hier bei einer Demonstration 2009 in Regensburg). Foto: Archiv

In Bayern scheitert dies bislang an der Mehrheit im Landtag. Er selbst habe in seinen 22 Jahren als Abgeordneter „vier oder fünf Anläufe“ erlebt, so Schindler. Alle erfolglos. Zuletzt lehnten CSU, FDP, Freie Wähler und auch ein SPD-Abgeordneter dies ab. Dabei, so Schindler sei es Wesenszug einer freien und demokratischen Gesellschaft, dass die Staatsgewalt im Gegensatz zu autoritären Regimen „eben nicht anonym, sondern offen, transparent und möglichst bürgerfreundlich“ agiere.

Staatsanwaltschaft für Kennzeichnungspflicht

Ein schlagendes Beispiel dafür, wie notwendig eine Kennzeichnungspflicht wäre, ist ein Polizeieinsatz am Rande eines Fußballspiels zwischen dem FC Bayern und den Amateuren von 1860 München im Dezember 2007. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft prügelten Beamte der Sondereinheit USK dabei grundlos auf mehrere Fans von 1860 München ein, auch Frauen und Kinder. Aufgeklärt werden können diese Vorwürfe nicht. Es ist nicht herauszufinden, wer denn nun die „schwarzen Schafe“ waren. Die Staatsanwaltschaft München hat im Rahmen einer Anhörung vor dem bayerischen Landtag erklärt, dass sie insbesondere aufgrund dieses Einsatzes eine Kennzeichnungspflicht ausdrücklich befürworten würde. Ähnliche Aussagen gibt es von Staats- und Polizeirechtlern. Der stellvertretende Vorsitzende der Strafverteidigerinitiative Regensburg, Dr. Jan Bockemühl, schildert am Donnerstag einen Fall, bei dem ein Mandanten von ihm bei einem Polizeieinsatz in München von Beamten zusammengeschlagen wurde. Es gab ärztliche Atteste, unbeteiligte Zeugen, sogar ein Handy-Video. Indes: Sechs Beamte, die dazu vor Gericht vernommen werden sollten, waren schlicht nicht zu identifizieren.

Gnädige Diskussionsleitung am Podium: Jan Bockemühl, Franz Schindler, Klaus Rappert und Gerhard Knorr (v. l.). Foto: as

„Für Bürger gilt Ausweispflicht und Vermummungsverbot“, so Bockemühl. Entsprechendes müsse man auch von der Polizei verlangen. Keine Namensschilder, ein „rollierendes Nummernsystem“ schlägt der Strafrechtler vor, um der immer wieder von Polizeigewerkschaftsseite geäußerten Befürchtung entgegenzukommen, dass es sonst nach Polizeieinsätzen zu Übergriffen auf namentlich bekannte Beamte kommen könne.

Knorr: Keine Antworten, Fabulieren, bizarre Thesen

Was gibt es dagegen einzuwenden? Diese Frage wird im Lauf des Abends vier, fünf Mal gestellt. Gerhard Knorr geht kein einziges Mal darauf ein. Auf Vorwürfe, ihm sei die Aufklärung solcher Taten offenbar gleichgültig, reagiert er nicht. Wie er denn gedenke, gegen diese „wenigen schwarzen Schafe“ vorzugehen? Auch diese Frage beantwortet Knorr nicht. Er spricht von einer „Abwägungsgeschichte“. Wie viele nicht aufgeklärten derartigen Übergriffe durch Polizeibeamte gebe es überhaupt und wie viele Angriffe auf Polizisten könnte es geben, wenn man jetzt einfach eine Kennzeichnung einführe? Außerdem „tue das in der Polizei ja niemand“. Kurz gesagt: Braucht es das überhaupt, wegen der paar Mal? Und schließlich, merkt Knorr noch an, gebe es bei Demonstrationen ja auch vermummte Chaoten, die gewalttätig seien. Was im Umkehrschluss wohl bedeutet, dass die Polizei da auch mal…

USK-Einsatz bei einer Demonstration gegen Nazis in Regensburg 2009: Mehrere friedliche Demonstranten wurden im Zuge von Festnahmen getreten und geschlagen. Foto: Archiv

Es ist der eher gnädigen Diskussionsleitung des Regensburger ASJ-Vorsitzenden Dr. Klaus Rappert zu verdanken, dass Knorr sich ein ums andere Mal um eine Antwort herumdrücken kann, nichts konkretisieren muss, dass er auf Fragen gar nicht eingeht oder einfach ins Fabulieren kommt.

CSU, FDP und Freie Wähler gegen Kennzeichnungspflicht

Dass er das Publikum – angehende Juristen, Richter und Rechtsanwälte – am Donnerstag damit nicht auf seine Seite bekommt, leuchtet ein. Umso erstaunlicher ist es, dass genau auf Basis derselben „Argumentation“ im Landtag das Parteientrio aus CSU, FDP und Freien Wählern die Kennzeichnungspflicht ablehnt. Am Ende erklärt der GdP-Vertreter, dem aufgrund seiner undankbaren Rolle das Schlusswort gewährt wird, dass er nun nicht mehr auf die Argumente eingehen wolle. Schließlich sei alles ausgetauscht und gesagt. Man habe sich auch oft genug wiederholt. „Ich warne nur davor, zu oft über die schwarzen Schafe zu reden. Sonst werden das in den Köpfen doch immer mehr. Und dann geht es nur noch um diese schwarzen Schafe. Und das will doch keiner.“ Schon gar nicht Knorr, der sich bei aller Jovialität und Leutseligkeit zu deren Schutzpatron macht.
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