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Ungewohnte Aufmerksamkeit für den Bezirkstag: Das vielleicht unauffälligste politische Gremium hatte am Freitag bei der SPD Hochkonjunktur. Bei der parteiinternen Wahl trat Bruno Lehmeier gegen Norbert Hartl als Direktkandidat für den Oberpfälzer Bezirkstag an. Hartl gewinnt mit 33 zu 11 Stimmen. Dass Margit Wild wieder in den Landtag einziehen soll, wird angesichts des Männerduells fast zur Nebensache.

Gewohntes Bild: Joachim Wolbergs, Margit Wild und Norbert Hartl repräsentieren die Spitze der Regensburger SPD. (Foto: hb)

Mit der SPD ist das ja so eine Sache. Seit ein paar Jahren weiß man nicht mehr so genau, woran man ist. Die einfache (und vielleicht etwas naive Erklärung): Sozialdemokraten; steht doch im Namen. Die zynische Erklärung, häufig von enttäuschen (Ex-) SPDlern vertreten: neoliberale Kapitalisten, die unterm ölverschmierten Blaumann Kaschmir und Nappaleder tragen und sich ins Fäustchen lachen, wenn sie jemand wählt, weil er hoffnungsvoll auf das „Sozialdemokratisch“ im Namen vertraut. Oder – wie die FDP sagt – gefährliche Linksextreme, die uns unters Joch der Planwirtschaft zwingen wollen. Der Streit um die Deutungshoheit der SPD findet vor allem auf Bundesebene statt. Aber er zieht sich bis in die Bezirke, Unterbezirke und Stadtverbände. Regensburg bleibt natürlich auch nicht verschont. Ein kleines Aufblitzen gab es bei der Bewerbung um das Mandat des Direktkandidaten für den Bezirkstag. Norbert Hartl, seit 1982 Mitglied des Bezirkstags der Oberpfalz und dessen stellvertretender Vizepräsident, musste zum ersten Mal gegen einen anderen Bewerber antreten. Bruno Lehmeier, 57, AfA-Vorsitzender, engagiertes ver.di-Mitglied und Agenda-2010-Kritiker, eröffnete am 28. Juni seinem Ortsverein Innerer Westen, dass er für den Bezirkstag kandidieren wolle. Die Reaktionen waren oberflächlich freundlich, aber in ihrer Zurückhaltung zeigte sich deutlich die Skepsis. Lehmeiers Kandidatur schien zu belegen, was unter der Hand schon lange gemunkelt wurde: Auch durch die Regensburger SPD geht ein Riss.

Gebremste Freude über innerparteiliche Demokratie

Lehmeiers Entschluss fiel etwa drei Monate, nachdem der SPD-Stadtverband sich einstimmig für Norbert Hartl ausgesprochen hatte. Lehmeier stand trotzdem nicht allein auf weiter Flur. Von der AfA (Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen) hatte er Rückendeckung, sein Ortsverband fand seine Bewerbung immerhin begrüßenswert. Doch im Gegensatz zur Kandidatenwahl für den Bundestag zelebrierte die SPD ihre innerparteiliche Demokratie dieses Mal nicht. Das hat laut Bürgermeister Joachim Wolbergs vor allem einen Grund: Lehmeiers Kandidatur kam zu spät, der Stadtverband hatte bereits sein Votum für Hartl abgegeben.

Bruno Lehmeier konnte immerhin 25 Prozent der Delegierten auf sich vereinen. (Foto: Archiv)

Dass Lehmeier Hartl ernsthaft aus dem Rennen schlagen würde, wollte niemand so recht glauben. Doch trotz des absehbaren Siegs war Hartl am Freitagabend bei der Kandidatenwahl sichtlich angespannt, wie er nachher selbst zugab. Das Ergebnis – 33 zu 11 für Hartl, drei Enthaltungen – ist für Lehmeier mindestens ein Achtungserfolg. Und Norbert Hartl wiederholte nach der Wahl fast schon mantramäßig, dass 75 Prozent ein sehr gutes Ergebnis seien, „vor allem bei einem Gegenkandidaten“. Dennoch scheint es, als hätte Hartl die Beweggründe Lehmeiers nicht ganz verstanden. In seiner Vorstellungsrede erklärte Lehmeier, er habe nach einer persönlichen Herausforderung gesucht und wollte politisch noch etwas bewegen. Der gelernte Krankenpfleger und freigestellte Betriebsrat am Bezirksklinikum schreibt sich den nötigen Sachverstand zu, um im Bezirk ordentlich Politik machen zu können. Die Strukturen seien ihm ebenso bekannt wie die Themen. Er hätte sich gern des mittlerweile deutlich abgekühlten Verhältnisses zwischen SPD und Gewerkschaften wieder angenommen. Lehmeier versteht sich als klassischer Sozialdemokrat, die AfA gehört innerhalb der SPD zum linken Flügel.

Lehmeier: Mehr Opposition wäre gut für Bezirkstag

Außerdem hätte Lehmeier vorgehabt, der SPD im Bezirk ein schärferes Profil zu geben. „Seit der Ära Rupert Schmid ist ja so was wie Opposition im Bezirkstag nicht mehr vorhanden“. Eine Aussage, die Norbert Hartl überhaupt nicht nachvollziehen kann, wie er nach der Wahl sagt. In der Tat: Bezirkstagssitzungen sind beschauliche Ereignisse. CSU und SPD reden in ungewohnter Einigkeit, eine freundliche Mitarbeiterin bringt den Mitgliedern und der meist spärlich anwesenden Journaille Kaffee und Kuchen. Hartl sieht die Konkurrenz allerdings nicht zwischen CSU und SPD, sondern zwischen Bezirk und Freistaat. Und ohne es zu wissen, liegt Hartl damit gar nicht so weit entfernt von Lehmeier. Der hatte in seiner Rede nämlich nur keine Zeit mehr, um darauf einzugehen, dass er sich ganz wesentlich auch auf die Konkurrenz der politischen Ebenen bezieht, nicht nur auf die zwischen den Parteien. Kleinere Seitenhiebe gegen Norbert Hartl konnte er sich auch nicht verkneifen: Als Gründe für Politikverdrossenheit machte er unter anderem gebrochene Wahlversprechen, Machtstreben und eine Absahnermentalität aus. Im Gegensatz zu den Bundespolitikern seien es in der Kommunalpolitik die „Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten“ und „Postenanhäufung“ in politischen Gremien, Aufsichtsräten und Verwaltungsräten. Hartl stand in den vergangenen Monaten in der Kritik, für seine zahlreichen Posten unangemessen hohe Aufwandsentschädigungen zu erhalten.

Das Lachen kam am Freitag bei Norbert Hartl erst nach dem 75-Prozent-Sieg über Bruno Lehmeier wieder zurück. (Foto: Archiv)

Hartl hingegen legte einen soliden Rechenschaftsbericht ab – Klinikbau in Wöllershof, Finanzierung des Neuro-Reha-Zentrums am Regensburg Bezirksklinikum, Suchtkliniken – und verwies auf die Aufgaben der Zukunft: die Jugendforensik in Regensburg, die Integration behinderter Menschen in den ersten Arbeitsmarkt, die Förderstätte für Autisten in Schwabelweis. Für Erheiterung sorgte seine Ankündigung, bei den kommenden Bezirkstagswahlen zum letzten Mal zu kandidieren. Irgendwie mag es noch niemand so recht glauben, dass ausgerechnet Hartl jemals freiwillig abtreten wird. Doch der hat sogar schon seine Nachfolge im Auge: Nein, nicht Lehmeier soll es 2018 werden. Katja Vogel soll ran. Die studierte Politikwissenschaftlerin und Marketing-Fachfrau kandidiert 2013 auf der Liste, zaubert Hartl mit ihrem politischen Engagement sichtlich Freude ins Gesicht, schafft es aber vermutlich nicht in den Bezirkstag.

Klare Mehrheit ohne Diskussion für Margit Wild

Die andere Frau des Abends hatte es da schon leichter: Margit Wild zieht wieder als Direktkandidatin in den Wahlkampf. Das Ergebnis – 41 Ja-Stimmen, fünf Enthaltungen, ein Nein – ist erwartungsgemäß gut. Wild möchte ihr Profil als Bildungspolitikerin schärfen und vertraut schon ganz darauf, dies ab 2013 in der Regierungsfraktion zu tun. Applaus und Zustimmung für die Frau Landtagsabgeordnete. Doch die Aufmerksamkeit der Partei liegt an diesem Abend auf dem ansonsten so lautlos wirkenden Bezirkstag. Lehmeiers Kandidatur hat gezeigt: Die Loyalitäten sind nicht so eindeutig verteilt, wie es sich eine Parteiführung wünschen würde. Und wer in Regensburg die (wahre) SPD ausmacht, weiß auch nach diesem Abend noch immer keiner so genau.
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