Stadtrats-Adventskalender, Folge 20
Liebe Leserinnen und Leser! Vielleicht ist dies die letzte Folge des Stadtrats-Adventskalenders, die Sie lesen. Schließlich ist für heute, 21. Dezember, der Weltuntergang angesagt. Vielleicht haben wir aber auch Glück und wir können bis zum 24. Dezember noch ein paar Türchen öffnen. Den Weltuntergang bedeuten unsere Portraits hoffentlich für keinen der Stadträte, auch nicht für Christa Meier, SPD, und Margit Kunc, Grüne, die sich an diesem unheimlichen Tag hinter dem Türchen verstecken.
Christa Meier, die Ungeliebte
Christa Meier war einmal Oberbürgermeisterin von Regensburg. Das ist deshalb erwähnenswert, weil es ihr heute vielleicht niemand mehr zutrauen würde, wenn er sie im Stadtrat erlebt. Wenn Hans Schaidinger laut überlegt, nach seiner Zeit als Oberbürgermeister den einfachen Stadtrat Schaidinger zu geben, fürchten sich die potentiellen politischen Gegner. Schließlich traut man jemandem, der die Stadt jahrelang geführt hat, einiges an Fachkenntnissen, Insiderwissen, Raffinesse und persönlichen Seilschaften zu, mit denen er seinen Nachfolger bis zur endgültigen Blamage an der Nase herumführen könnte. Bei Christa Meier merkt man im Stadtratsalltag nichts von alledem. Von einer früheren Oberbürgermeisterin würde man an mancher Stelle mehr erwarten.
Das mag man auf eine gewisse Altersmilde schieben; immerhin ist Meier schon 71 Jahre alt und mit 40 Jahren Stadtratsmitgliedschaft in Regensburg mit Abstand am längsten dabei. Ehemaligen Wegbegleitern zufolge liegt diese Passivität allerdings vornehmlich daran, dass sie ihr Amt als Oberbürgermeisterin nie richtig verstanden hat.
Christa Meier kommt aus dem Landtag. Dort saß sie von 1978 bis 1990, ab 1982 war sie die erste Frau, die einem Landtagsausschuss (kulturpolitischer Ausschuss) vorgesessen war. Ab 1990 war sie für sechs Jahre Oberbürgermeisterin von Regensburg und auch hier die erste Frau, die dieses Amt in einer bayerischen Großstadt bekleidete. Zu Beginn regierte sie Bayerns viert- oder fünftgrößte Stadt (so genau weiß man das ja nie) mit einer so genannten „Regenbogenkoalition“ aus SPD, Grünen, Freien Wählern und FDP, bis man sich wegen eines Streits über landwirtschaftliche Gerätschaften fürs Stadtgartenamt entzweite; danach reichte sie der CSU die Hand, mit der sie die verbleibenden vier Jahre koalierte.
Vielleicht kommt es aus ihrer Zeit im Landtag, dass Christa Meier der Verwaltung gegenüber eine fast schon feindliche Haltung entwickelte. Sicher: Die Ministerialverwaltung in der Staatskanzlei in München dient der CSU. Als SPDler hat man da häufig das Nachsehen. Das kommt allerdings nicht daher, dass eine Verwaltung per se CSU-infiltriert wäre; vielmehr liegt der Grund darin, dass eine Verwaltung der jeweiligen Regierung zur Loyalität verpflichtet ist – welcher Couleur diese auch immer sei.
Dies gilt auch auf kommunaler Ebene, und so hätte Meier als Oberbürgermeisterin auf die Kompetenz vieler Hundert Mitarbeiter zurückgreifen können – was sie aber offenbar tunlichst vermieden hat. Die Verwaltung war ihr suspekt, schließlich hat die schon ihrem Vorgänger und CSU-Mitglied Friedrich Viehbacher gedient. In der Grund- und Hauptschullehrerin machte sich eine gewisse Skepsis breit.
Stattdessen scharte sie ihren eigenen Zirkel um sich und regierte mit ihrem höchstpersönlichen „Küchenkabinett“ – kleine Sachbearbeiter oder untergeordnete Amtsleiter erfuhren unter Christa Meier ungeahnte Aufmerksamkeit, sofern sie das SPD-Parteibuch besaßen; ihren Dezernenten bzw. Referenten und Co-Bürgermeistern Walter Anuß (SPD) und Hildegard Anke (CSU) enthielt sie gerne Informationen vor und schnitt sie vom Geschehen ab.
Neben ihrer Skepsis der Verwaltung gegenüber missverstand Meier die Funktion eines Stadtrats. Möglicherweise rührt auch das von ihrer Prägung im Landtag her, wo sie ja tatsächlich für zwölf Jahre Mitglied in einem Parlament und damit einem primär politischen Gremium war. Meier hat beim Sprung in die Kommunalpolitik das Ziel verfehlt. Ihre Ansicht, dass im Stadtrat und im Oberbürgermeisteramt Politik ähnlich wie im Landtag gemacht würde, hat sie vergessen lassen, welche Möglichkeiten sie als Chefin einer Kommunalverwaltung gehabt hätte.
Christa Meiers Zeit als Oberbürgermeisterin wird vor allem von der CSU bis heute als „Zeit des Stillstands“ bezeichnet. Die SPD ist dagegen damit beschäftigt, diese Behauptung zu entkräften und sucht nach Fortschritten, die es unter der Regentschaft von Christa Meier gegeben haben soll.
Was von Christa Meier über die Dauer ihres Amts hinaus geblieben ist, ist beispielsweise die Donau-Arena – ein Wellblech-Bau am Stadtrand für Schlittschuhläufer und Schlagerstars, ein Teilergebnis des immerwährenden Streits um eine Stadthalle, gegen die Meier immer opponiert hatte.
Doch Meiers größtes politisches Vermächtnis ist aus Fleisch und Blut: Es ist ihr politischer Ziehsohn Joachim Wolbergs – einst als „Handtaschenträger“ Meiers belächelt, ist er heute 3. Bürgermeister und streckt sich weiter nach der Decke. Vielleicht wird er seiner Mäzenin ja auf den Oberbürgermeistersessel folgen.
Margit Kunc, die grüne Mitte
Mittlerweile ist das mit den Parteien ja nicht mehr so streng. Früher gab es so etwas wie Wählermilieus, aus denen die Parteien ihre Wählerschaft und ihre Mitglieder rekrutierten. Da wählte der Stahlbauer SPD, der Gemüsebauer CSU, der Banker FDP. Dann kamen die Grünen. Für sie war in Folge von 1968 ein neues Wählermilieu gewachsen: junge, alternative, gebildete, intellektuelle Großstädter, die mit CDU/CSU und FDP sowieso nichts am Hut hatten und die für die SPD eine Spur zu wild waren. Die Grünen – das war einst die Partei der Turnschuhminister und Lila-Latzhosen-Feministinnen.
Solche klassischen Einteilungen haben sich mittlerweile verschoben. Nicht nur, dass die Alt-Parteien ihre Wählerschaft mehrfach kräftig durchgerüttelt haben; auch die Grünen, die sich auch nach über 30 Jahren in deutschen Parlamenten immer noch gerne als wild und revolutionär betrachtet haben, sind „erwachsen geworden“, wie man so sagt. Die Klientel trägt immer weniger lila Latzhosen, der grüne Parlamentarier hat den Weg in die Herrenabteilung gefunden und sich einen Anzug zugelegt.
Die konservative Seite der Grünen bricht sich immer mehr Bahn. Siehe Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg. Da ist nichts mit Steinewerfen (Joschka Fischer), K-Gruppen-Vergangenheit (Jürgen Trittin) oder Ton-Steine-Scherben-Management (Claudia Roth). Das muss auch nicht mehr so sein, denn die Grünen sind mittlerweile stolz darauf, dass sich ihre Ideen den Weg in die (nicht näher definierte und deshalb reichlich ominöse) „Mitte der Gesellschaft“ gebahnt haben.
In diese neu gewonnene Mitte passt auch Margit Kunc gut hin. Ja, sie ist schon eine Grüne, wie es sich gehört. Sie ist frauenbewegt, Mitglied im Bund Naturschutz, befürwortet den Ausbau und die Subventionierung des ÖPNV samt Sozialticket, wird nicht müde, sich für die Erweiterung des Radwegesystems einzusetzen und die Forderung nach Bildung, Bildung, Bildung zu wiederholen. Aber sie ist auch das, was manche kkonservativ finden. Dieses Konservative definiert sich bei Grünen allerdings vor allem über die Abwesenheit aufrührerischer Attribute. Aber ist man deswegen gleich weniger „grün“, wie immer befürchtet wird?
In der Kommunalpolitik ist es manchmal gar nicht so leicht, grün zu sein. Die großen Themen fehlen irgendwie: Klima-Konferenzen, Emissionshandel, Atompolitik – das alles wird in Berlin oder wo ganz anders gemacht, außer einer Demo ab und an kann man da nicht viel mitschnabeln. Man muss sich im Stadtrat im Kleinen engagieren und eben das tun, was Kunc seit 1996 betreibt: Radwege, Bussystem, Sozialticket, Schuldächer, Kinderbetreuung. Vielleicht noch ab und an gegen ein stinkendes, abgasintensives Industrieunternehmen wettern – aber nicht zu laut, die Keule der Wirtschaftsfeindlichkeit wird von CSU, SPD und FDP schnell und nur allzu gerne geschwungen.
In diesen Dingen ist Kunc unermüdlich. Im Angesicht der garantierten Ablehnung trägt sie Jahr für Jahr die Anträge der Grünen zum städtischen Haushalt vor. Radwege, ÖPNV, Schulsanierung. Sie diskutiert beständig mit in Sachen Colosseum, Stadthalle, Kulturpolitik. Mal stimmt sie mit der Koalition, mal dagegen. Man ist als Grüner halt nicht mehr automatisch dagegen, man ist jetzt „Mitte“. Und da trifft man sich auch mal mit der CSU.