Der Hexen-Hammer von Eichstätt
Dass es keine Hexen und Zauberer gibt, darüber besteht heute Einigkeit – weitgehend. Dennoch sind zahlreiche Opfer der mittelalterlichen Hexenverfolgung bis heute nicht rehabilitiert. Ein herausragendes Beispiel dafür: das Bistum Eichstätt.
„Montag, den 1. März 1627 ist auf vorhergehende reifliche Beratung der Fürstlich Eichstättischen weltlichen Herren Hofräte die Bürgermeisterin Ursula Bonschab auf 16 beständige und auf den Tod bestätigte Denunziationen hin wegen des Verdachts der Hexerei gefangen genommen und gleich gütlich und peinlich vernommen worden.“
Aus dem Verhörprotokoll der Ursula Bonschab
Im Zeitalter der Hexenprozesse gehörte das Hochstift Eichstätt zu den Zentren. An kaum einem anderen Ort im Deutschen Reich wurden mehr Menschen gefoltert und hingerichtet. Zwischen 1411 und 1637 sind 426 Fälle dokumentiert. Ein Blick in die ausführlichen Folterprotokolle und Todesurteile offenbart, was hinter dieser Zahl steht: Ein Kapitalverbrechen gegen die Menschlichkeit. Eine Giftbrühe aus Intrigen und Habgier, Sadismus und Mordlust.
Eifrigster Hexenjäger war Johann Christoph von Westerstetten, zwischen 1617 und 1630 Fürstbischof von Eichstätt. Der Nürnberger Historikerin Birke Grießhammer zufolge sind Westerstetten mindestens 274 Hinrichtungen anzulasten. Eine von ihnen war Bürgermeisterin Ursula Bonschab.
„Im Folterkeller ist sie nach langer Rede zum Zug gebunden (Dabei wurden der nackten Frau die Arme hinter dem Rücken gefesselt und sie daran hochgezogen. Anm. von Wolfram Kastner) Die sagt, ja nun man könne sie noch so hart peinigen, damit sie es sagen müsste, sie wolle darum doch kein falsches Bekenntnis ablegen. Und nach solcher ihrer Halsstarrigkeit wurde sie nun ein wenig gerüttelt, über sich gezogen und befragt.“
Aus dem Verhörprotokoll der Ursula Bonschab
Der Künstler Wolfram Kastner hat die Protokolle der Mörder und Folterer studiert und transkribiert. Er ist zu dem Schluss gekommen: In Eichstätt wurden insbesondere vermögende Frauen und Männer als Hexen und Zauberer verfolgt und hingerichtet. Die Besitztümer und das Geld der Ermordeten hat sich die Kirche einverleibt und bis heute behalten. Für eine Rehabilitierung der ermordeten Menschen fühlt sich weder das Bistum noch die Stadt Eichstätt zuständig.
Eine 2001 geplante Ausstellung zur Hexenverfolgung wurde kurzfristig und mit fadenscheinigem Grund abgesagt. „Offensichtlich hat hier die Geistlichkeit Einspruch erhoben“, so Historikerin Grießhammer. „Bis heute haben sich die Diözese und die Stadt nicht zu diesem belastenden Erbe bekannt oder versucht, die Vergangenheit aufzuarbeiten.“
„Mittwoch den 3. März ist die Bonschabin vorgeführt und befragt worden. Die sagt, sie könne nichts sagen und wisse nichts, deswegen wurde sie gefesselt und mit Ruten gepeitscht, ohne ein Bekenntnis. Da wurden ihr nochmals die Beinschrauben angelegt – aber ohne Ergebnis.“
Aus dem Verhörprotokoll Ursula Bonschab
Ende März hat Wolfram Kastner einen Brief geschrieben. An den Oberbürgermeister von Eichstätt, Andreas Steppberger und an Bischof Gregor Maria Hanke. Der Künstler regt darin an, der Ermordeten an prominenter Stelle sichtbar und dauerhaft zu gedenken.
Kastner schreibt: „Eine Vielzahl deutscher Gemeinden hat sich in den letzten Jahren dazu verstanden, die Verfolgten, die an diesen Orten gequält und ermordet wurden, zu rehabilitieren: moralisch, theologisch, rechtlich. (…) Weil Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht verjähren, rufen wir Sie und die Stadträte von Eichstätt, die Bürgerinnen und Bürger, den Bischof und die Gemeindemitglieder auf, dem Beispiel von Köln, Bad Homburg, Detmold, Eschwege, Hofheim, Idstein, Lemgo, Osnabrück, Suhl, Sundern, Werl und vielen anderen zu folgen.“
„Sie wurde abermals zum Verhör gefordert und befragt, wie lange es her sei, dass sie in dieses Laster gekommen ist. Die sagt, sie wolle ihre Seele nicht freiwillig verdammen, denn so wahr Gott gerecht sei, so könne sie nichts bekennen. Deswegen ist sie zum Schrecken in das Gewölbe geführt, zum Zug gebunden und das Gewicht angehängt worden. Die bleibt bei ihrer Halsstarrigkeit und teilt mit, sie könne nichts bekennen, sondern diejenigen Personen, die sie angegeben haben, die haben es aus Neid getan.“
Aus dem Verhörprotokoll Ursula Bonschab
Nach 20 Tagen brutaler Folter und Kerker brach Ursula Bonschab zusammen. Sie gestand alles, was die Folterer von ihr hören wollten: Wetterzauber, Kinderausgraben, Coitus mit dem „bösen Feind“, Schadzauber mit Pulver und Salben an Menschen und Tieren. Unter Folterandrohung nannte sie 34 „Gespielen“, an denen sich die fürstbischöflichen Commissare in der Folge vergingen.
Ursula Bonschab wurde am 8. Mai 1627 „von Rechts wegen“ und von Gnaden des Fürstbischofs Westerstetten mit dem Schwert geköpft. Ihr Leichnam wurde verbrannt. Ihr beträchtliches Vermögen verleibte sich der Fürstbischof ein. Ursula Bonschabs Rehabilitation erfolgte bis heute ebensowenig wie eine Rückgabe des Raubguts. Sie ist nur eines von über 400 Opfern.
Die Auszüge aus dem Verhörprotokoll stammen aus den „Abschriften von Eichstädter Original-Hexen-Protokollen, Gesammelt und geschrieben von Joseph Brems, Herzoglich Leuchtenbergischer Hauptkaßier in Eichstädt 1840“, im Stadtarchiv Eichstätt. Transskript und Anmerkungen: Wolfram P. Kastner.