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Urteil gegen Ex-Stadtrat bestätigt

Reinhold F. „muss selber schauen, wo er bleibt“

Der ehemalige Regensburger Stadtrat und Berufsbetreuer Reinhold F. wurde auch im Berufungsverfahren zu drei Jahren Haft verurteilt. Da halfen selbst Tränen und offene Worte nichts.

Wird seine Pension verlieren: Reinhold F. mit seinem Verteidiger Dr. Georg Karl. Foto: Liese

Wird seine Pension verlieren: Reinhold F. mit seinem Verteidiger Dr. Georg Karl. Foto: Liese

Das Auditorium des Sitzungssaals im Landgericht Regensburg ist bereits gut gefüllt, als Reinhold F. mit seinem Verteidiger hereinkommt. Zwanghaft vermeidet der Angeklagte jeden Blickkontakt mit dem Publikum. Dem Vernehmen nach sind alte Weggefährten darunter, oder wenigstens solche, die sich heute als Kenner des tief gefallenen Regensburger Bürgers gerieren.

Bis die Richter den Saal betreten, wird eifrig getuschelt, gelästert und mit den Fingern gezeigt. Und selbst, als die Kammer schon lange Platz genommen und die Verhandlung begonnen hat, sorgen störendes Raunen, verächtliches Schnauben und hämisches Lachen immer wieder für Unterbrechungen. Das veranlasst das Gericht schon früh in der Sitzung zu einer deutlichen Ermahnung: Reinhold F. müsse nach seinen Taten zwar mit „öffentlichen Unmutsbekundungen“ leben. Der Gerichtssaal sei aber ganz sicher der falsche Ort dafür.

„Weiß nicht, wie das passieren konnte“

Das F. in 42 Fällen der Untreue, teilweise in besonders schwerem Falle, zudem des Diebstahls und des Betrugs schuldig ist, daran besteht kein Zweifel. Denn der Schuldspruch der I. Instanz ist rechtskräftig. Das Berufungsverfahren bezieht sich lediglich auf das verhängte Strafmaß von drei Jahren. Sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft wollen dies überprüft sehen.

Der Hintergrund: Wird Reinhold F. rechtskräftig zu einer Strafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, verliert er seine Pensionsansprüche. Der ehemalige Berufssoldat, CSU-Stadtrat und vielseitig ehrenamtlich engagierte F., der zuletzt als Berufsbetreuer von demenzkranken Senioren arbeitete und in dieser Funktion einen sechsstelligen Betrag veruntreute, wäre dann auf Sozialhilfe angewiesen.

Um das zu verhindern, hat sich der Angeklagte dazu entschieden, umfassend auf die Fragen des Gerichts zu antworten – anders als noch bei der Hauptverhandlung im November. F. zeigt sich reuig, behauptet, er wisse nicht, wie es so weit habe kommen können. Unter Tränen gibt er an, er habe sich in die Taten „hineingesteigert“. Er habe zunächst nur seiner Tochter helfen wollen, die als Gastronomin hoch verschuldet war. Auch seinem drogensüchtigen Sohn sei das Geld zugute gekommen.

„Das eine Fass zu, das andere aufgemacht“

Doch Reinhold F. kaufte von dem veruntreuten Geld auch eine neue Küche und ein Wohnmobil, ein Motorrad und einen Fernseher. Als nach einem Betreuerwechsel erste finanzielle Unstimmigkeiten auffielen, plünderte der Angeklagte kurzerhand weitere Vermögen, um Geldbeträge zurückzuzahlen und so eine Strafanzeige zu vermeiden. Zusätzlich klaute er einer alten Dame Goldmünzen im Wert von 25.000 Euro. Der Richter wird das am Ende der Verhandlung so formulieren: Reinhold F. habe „das eine Fass zu, das andere aufgemacht.“

„Noch ein paar Freunde, die geblieben sind“

Doch zunächst will das Gericht wissen, wie F. den noch offenen finanziellen Schaden in Höhe von etwa 67.000 Euro begleichen wolle. „Ich habe Freunde“, setzt Reinhold F. an. Dann bricht seine Stimme, er vergräbt das Gesicht in den Händen. „Ich habe noch ein paar Freunde, die mir geblieben sind“, korrigiert er schluchzend. „Die hätten das Geld vorgestreckt.“ Wieder wird getuschelt, gemurmelt, geschnaubt.

Wie vehement F. diese letzten verbliebenen Freundschaften verteidigt, wird in einer pikanten Situation der Berufungsverhandlung deutlich. Als die Staatsanwältin den Angeklagten auf die Vernehmung zweier enger Bekannter anspricht, herrscht F. sie regelrecht an. „Die sind von der Polizei saublöd angesprochen worden“, konstatiert er, wird für einen Moment in Körpersprache und Haltung ein Stückchen größer. „Saublöd“, wiederholt er, beugt sich nach vorn, fast drohend. „Was ist das denn für ein Ton da?“, erwidert die Staatsanwältin scharf. Reinhold F. zuckt, entschuldigt sich und sackt wieder in sich zusammen.

„Hat keiner draußen für ihn gesammelt?“

In der Pause vor den Plädoyers zerreißt sich die Zuhörerschaft weiter das Maul. „Das ist alles so nieder“, schimpft einer. „Der heult doch bloß, damit er weniger bekommt“, meckert ein anderer. Alles in gedämpfter, aber doch für Reinhold F. hörbarer Lautstärke. „Hat keiner draußen für ihn gesammelt?“, kichert ein Herr, als er zurück in den Verhandlungssaal kommt.

Dann hält die Staatsanwältin ihren Schlussvortrag. Reinhold F. habe sich „am Vermögen derjenigen vergangen, die sich nicht selber wehren können“. An ihm müsse ein Exempel statuiert werden. Ihre Strafforderung: Drei Jahre, sechs Monate. Das sind immerhin drei Monate weniger, als die Staatsanwaltschaft noch in der Hauptverhandlung gefordert hatte. Der Grund: Zuvor wurde einstimmig beschlossen, zwei der geringfügigen Untreuehandlungen, die F. begangen hat, nicht weiter zu verfolgen.

„Gefühl des Vertrauensmissbrauchs darf nicht in Strafbemessung eingehen“

Der Verteidiger sieht die Sache freilich anders. Mit fast schon staatsmännischem Duktus richtet er sich in seinem Plädoyer auch an das Publikum. „Das Forum hier verdeutlicht in anschaulicher Weise, wie strafempfindlich mein Mandant ist“, sagt er. Sich über F. lustig zu machen, sei nicht richtig. Egal, ob es sich beim Angeklagten um einen ehemaligen Stadtrat der CSU handle, einer Partei, der in Augen mancher „eh eins naufgwaschelt” gehöre.

Reinhold F. sei kein Täter, der moralisch besonders verwerflich sei – Untreuedelikte würden Anwälte, Bänker oder Geschäftsführer ebenso begehen. „Das Gefühl des Vertrauensmissbrauchs darf nicht in die Strafbemessung eingehen.“ Die Forderung des Anwalts: Eine Lösung, die „allen Beteiligten gerecht wird“. Er denkt an eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird – „denn dann spürt er’s“ – und eine zusätzliche Geldstrafe. F. würden in diesem Falle seine Pensionsansprüche erhalten bleiben.

Reinhold F., so sagt der Richter, habe nun das letzte Wort. “Ich habe Schuld auf mich geladen, die mir wirklich leid tut. Ich will eine Strafe, mit der ich diese Schuld wiedergutmachen kann. Mit Sozialhilfe kann man das nicht…“ Dann bricht er in Tränen aus. Ein Zuhörer schnalzt mit der Zunge.

Das Urteil: „F. wird schauen müssen, wo er bleibt“

Letzten Endes bleibt es bei drei Jahren für Reinhold F. Der Vorsitzende zerpflückt die meisten strafmildernden Argumente regelrecht. „Der Angeklagte wird schauen müssen, wo er bleibt“, sagt er. Die Kammer habe sich nicht damit zu beschäftigen, welche Folgen der Wegfall der Pensionsansprüche habe – dies sei ein „schwaches Argument“. Das Alter des Angeklagten sei zudem immer noch in einem Bereich, wo er Arbeit finden könne, „auch nach einer eventuellen Haft“.

F.s Motive seien „eigennützig gedacht“ gewesen. Die Anschaffungen der Luxusgüter relativierten alle schuldmindernden Beweggründe. „Es ist letztlich auch ein Unterschied, ob ich als Kassierer bei Aldi oder REWE Beträge in die eigene Tasche stecke oder mir anvertraute Personen betrüge“, schickt der Vorsitzende noch in Richtung der Anklagebank. Reinhold F. hat den Kopf gesenkt. Sein Blick ist leer.

Ob Staatsanwaltschaft oder Verteidigung gegen das Urteil in Revision gehen werden, halten sich beide Seiten offen. Als die Verhandlung geschlossen ist und die Zuhörer das Gerichtsgebäude verlassen, ist jedenfalls klar: Öffentlich geächtet ist Reinhold F. längst.

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