Versuchter Mord: Hohe Haftstrafen für Siegenburg-Schläger
Gefährliche Körperverletzung und versuchter Mord durch Unterlassen: Gegen das Schläger-Trio, das einen transsexuellen Mann quer durch Siegenburg geprügelt hatte, verhängte das Landgericht Regensburg am Freitag hohe Haftstrafen.
Am Ende flossen einige Tränen. Gegen das Schläger-Trio, das im Februar 2012 einen jungen Mann durch Siegenburg getreten und geprügelt und ihn anschließend schwer verletzt auf ein Feld getrieben hatte, verhängte das Landgericht Regensburg am Freitag hohe Haftstrafen. Die Jugendstrafkammer unter Vorsitz von Richter Dr. Carl Pfeiffer sah es nach fünf Verhandlungstagen als erwiesen an, dass Lothar B. (18), Tobias B. (20) und Daniel A. (24) sich nicht nur der gefährlichen Körperverletzung, sondern auch des versuchten Mordes durch Unterlassen schuldig gemacht haben. Lothar und Tobias B. müssen für vier bzw. sechseinhalb Jahre hinter Gitter. Daniel A., bei dem die Kammer Erwachsenenstrafrecht anwandte, erhielt eine Haftstrafe von sechseinhalb fünfeinhalb Jahren.
„Es war den Angeklagten wurscht“
„Wer glaubt, dass es den Angeklagten nicht wenigstens wurscht war, ob ihr Opfer stirbt, der glaubt wahrscheinlich alles“, so Richter Pfeiffer, der in seiner Urteilsbegründung die „erhebliche Rohheit“ der Täter herausstellte. Der trotz seines zarten Alters von 20 Jahren bereits wegen gefährlicher Körperverletzung einschlägig vorbestrafte Tobias B. sei dabei die treibende Kraft gewesen.
Zusammen mit Daniel A. war er in der Nacht des 23. Februar 2012 von einer Trinktour aus Regensburg nach Siegenburg zurückgekommen, wo er seinen Bruder Lothar zusammen mit Michael M. (Name geändert) auf dem Stadtplatz sitzen sah. Tobias sprang sofort aus dem Auto und schlug M. mit der Faust ins Gesicht. Offenbar aus Schwulenhass. Er habe gedacht, der transsexuelle Mann, wolle seinen Bruder „anschwulen“.
Schläge und Tritte ausschließlich gegen den Kopf
Tobias Bruder Lothar, der sich zuvor noch angenehm mit Michael M. unterhalten hatte, und Daniel A. begannen ebenfalls auf M. einzuschlagen und zu -treten und ihn vom Stadtplatz weg in dunklere Gassen vor sich herzutreiben. Wie die Beweisaufnahme ergab gingen Schläge und Tritte fast ausschließlich gegen den Kopf. Dass dies tödlich sein könne, sei eigentlich schon „auf Kindergartenniveau angekommen“, so ein Gutachter gegenüber dem Gericht. Zusätzlich hagelte es Drohungen, Beschimpfungen und Demütigungen. Tobias B. drohte M., ihn mit einem Messer abzustechen, wollte ihn zwingen, sich auszuziehen und forderte ihn auf, ihm einen zu blasen.
Am Ende habe M. kaum noch wie ein Mensch ausgesehen, so Pfeiffer, sondern eher wie ein angeschlagenes Tier. Das Gesicht blutüberströmt, gebrochene Nase, Fraktur an Zahn und Rachenhöhle. An einem Feld, etwas außerhalb des Ortes wurde M. gezwungen, sich hinzuknien. Dann beratschlagte das Trio, was man nun tun wolle.
Verteidiger: Versuchter Mord ist „juristische Konstruktion“
„Hier trat eine gewisse Ernüchterung ein und Ihnen wurde klar, was sie angestellt haben“, so Pfeiffer in Richtung der Angeklagten. Und hier kam es zu einem Entschluss, den das Gericht als versuchten Mord wertet. Anstatt einen Krankenwagen zu rufen oder einfach zu gehen, wurde M. mit den Worten „Lauf um Dein Leben“ auf das dunkle Feld getrieben – bei vier Grad, nur mit einem T-Shirt bekleidet. Seinen Mantel hatte ihm das Trio zuvor abgenommen. Nur mit Glück schaffte M. es zu einem etwas abseits gelegenen Haus, dess Bewohner Polizei und Krankenwagen riefen.
„Es war Ihnen egal, was mit Ihrem Opfer passiert“, so Pfeiffer, der den Einwand der Verteidiger, dass es sich beim Vorwurf des versuchten Mordes um eine „juristische Konstruktion“ handle deutlich zurückwies. „Was haben sich die Angeklagten eigentlich gedacht, als sie ihn in das Feld jagten?“
Zahlreiche Möglichkeiten, um zu sterben
Der Geschädigte hätte – die zahlreichen Möglichkeiten hatte tags zuvor ein Gutachter skizziert – an Unterkühlung, einer Gehirnblutung oder Blut in der Lunge sterben können. „Alles das war auf jeden Fall wahrscheinlicher, als das wundersame Selbstheilungskräfte einsetzen.“ Das sei ein bedingter Tötungsvorsatz. Weil als Motiv dahinter stand, nicht entdeckt zu werden, sei dies auch kein versuchter Totschlag mehr, sondern Mord.
Zugunsten der Angeklagten wertete das Gericht deren Geständnisse und die Tatsache, dass sie sich verpflichtet haben, jeweils 5.000 Euro an ihr Opfer zu zahlen – irgendwann vielleicht. Derzeit verfügen sie weder über eigenes Vermögen, noch irgendwelches Einkommen. Nur Daniel A. hat eine abgeschlossene Berufsausbildung.
Opfer: Entschädigung unwahrscheinlich, deutlich sichtbare Folgen
Dass Michael M. nach wie vor stark unter den psychischen Folgen der Tat leidet, konnte man jeden Tag vor Gericht beobachten. Mehrfach musste M. durch Richter Pfeiffer zurecht gewiesen werden. Am Freitag drohte ihm sogar die zwangsweise Entfernung aus dem Gerichtssaal. „Er ist emotional sehr instabil“, so M.’s Betreuer. „Dadurch verdirbt er sich vieles.“ Mehrfach kam vor Gericht zur Sprache, dass er die Familien der Täter bedroht habe.
Alkohl und Drogen im Don Bosco-Heim
Bei allen drei Angeklagten ordnete das Gericht die Unterbringung in einer Entzugsklinik an. Sie sind durchweg schwer alkoholabhängig. Daniel A. nimmt zudem seit frühster Jugend diverse Drogen, zuletzt vor allem Crystal Speed. Die Alkoholismus-Symptome seien im Hinblick auf das Alter der Angeklagten extrem ausgeprägt, so ein Gutachter. Tobias B. habe Gedächtnisstörungen („Zeitgitterstörung“), wie man sie sonst nur bei 40- bis 50jährigen schwer Heroinabhängigen finde.
Lothar und Tobias B., die aus ziemlich zerrütteten Familienverhältnissen kommen, haben einen Großteil ihrer Drogen- und Alkoholerfahrungen im Don Bosco-Heim in Regensburg gemacht. Es sei allgemein bekannt, dass es dort immer „ziemlich abgeht“, so der Gutachter.