35 LKA-Beamte unter Verdacht
Drei Oberstaatsanwälte und ein Generalstaatsanwalt ermitteln seit über drei Jahren. Verhört wurden 35 LKA-Beamte, Richter und ein Ex-Staatsanwalt, die teilweise selbst unter Tatverdacht standen. Die Akte ist über 700 Seiten dick. Ermittelt wird nicht gegen Schwerkriminelle. Ermittelt wird nicht wegen Drogenhandel, Mord oder Vergewaltigung. Ermittelt wird gegen einen Journalisten, der eine Parteispende an die CSU offenlegte. Jagdszenen aus Bayern.
Es war der Juni 2005, als Europas größter Laborunternehmer Dr. Bernhard Schottdorf dem bayerischen Ministerpräsidenten einen Parteispendenscheck über 20.000 Euro zukommen ließ. Eine legale Angelegenheit, aber doch pikant. Gegen Schottdorf wird seit über 20 Jahren wegen Betrugsverdachts zum Nachteil der Gesundheitskassen ermittelt. Diese Parteispende an Edmund Stoiber wäre nie an die Öffentlichkeit gekommen, wenn dem Passauer Journalisten Hubert Denk nicht eine Kopie in die Hände gefallen wäre. Anfang 2010 berichtete Denk über Schottdorf, den Spendenscheck und ein diesem Scheck beigefügtes Begleitschreiben an den Ministerpräsidenten, in dem die der „Hoffnung“ Ausdruck verliehen wird, „dass alles gut wird“.
„Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“
Seit Mai 2010 ermittelt nun die Staatsanwaltschaft München I. Nicht gegen Schottdorf, sondern gegen den Journalisten Hubert Denk. Und bis heute dreht sich das Ermittlungsverfahren ausschließlich darum, wie er an das Papier gelangt ist. Als Beschuldigter eines Strafverfahrens wegen der „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“ wurde er im September zum Verhör vorgeladen. Er verweigerte die Aussage. Erst nachdem sein Rechtsanwalt Dr. Klaus Rehbock die Staatsanwaltschaft gerügt hatte, erhielt er Ende Oktober Akteneinsicht.
Größtes Ermittlungsverfahren in den Reihen des LKA
Die zwei Aktenordner, 704 Seiten dick, enthüllen, dass nahezu 50 Zeugen zum „Fall Denk“ angehört worden sind. 35 LKA-Beamte, Richter und Schottdorf-Mitarbeiter, ein Ex-Staatsanwalt. Sie standen teilweise selbst unter Tatverdacht, das brisante Schriftstück dem Passauer Journalisten zugespielt zu haben. Mit dem Fall beschäftigt waren drei Oberstaatsanwälte und ein Generalstaatsanwalt. Der Leiter des Bayerischen Innenministeriums erteilte dem Justizministeriums die Ermächtigungen zur Strafverfolgung. Der LKA-Chef musste seinen Leuten eine eingeschränkte Aussagegenehmigung erteilen. Es war wohl das größte Ermittlungsverfahren in den eignen Reihen des Bayerischen Landeskriminalamtes. Betroffen waren alle Ermittler, die in der sogenannten SOKO Labor im Fall Schottdorf tätig waren. Sie wurde im Oktober 2006 eingerichtet und im Dezember 2008 aufgelöst. Innerhalb der bis zu 17 Mann starken SOKO gab es zwei Lager, engagierte Fahnder und, wie es der „harte Kern“ später vermutete, eingeschleuste Bremser.
Rechtsanwalt: „Justizskandal“
Der Münchner Medienanwalt Dr. Klaus Rehbock bezeichnet den Vorgang als „Justizskandal“. Der große Schottdorf werde geschont, ein kleiner Journalist verfolgt. Noch nie, so sein Kenntnisstand, sei der Paragraf „Vertraulichkeit des Wortes“ gegen einen Journalisten angewendet worden. Der Ermittlungseifer sei unverhältnismäßig. Die Strafanzeige wegen „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“ fußt unter anderem auf der absurden Annahme, der Journalist könnte den Faxverkehr zwischen einer Kanzlei und dem Unternehmen Schottdorf abgefangen haben.
Gescheiterten Unterlassungsklagen folgt die Strafanzeige
Mit mehreren Strafanzeigen gegen Denk haben die Schottdorf-Rechtsanwälte, darunter der ehemalige bayerische Justizstaatssekretär Peter Gauweiler, ein Hardliner der CSU, das Verfahren ins Rollen gebracht. Sie und ihr Mandant waren vermutlich darüber verärgert, dass die Parteispende öffentlich geworden war und ihr Versuch scheiterte, den Journalisten mundtot zu machen. Mit ihren Unterlassungsklagen waren sie in letzter Instanz vor dem Oberlandesgericht in Köln und, in einem Nebenverfahren, bei dem Landgericht Passau abgeblitzt. Denks Berichte fanden auch Niederschlag in Münchner Zeitungen.
Parteispende schlummert in Geheimakte
Wollte Schottdorf mit der Parteispende eine unerlaubte Einflussnahme erreichen? Die Ermittler, die bei einer Hausdurchsuchung darauf gestoßen waren, haben diese Frage diskutiert. Den zuständigen Staatsanwalt interessierte dieser Aspekt offenbar weniger. Die umstrittene Parteispende schlummerte nach einem Vorermittlungsverfahren in einer Geheimakte.
Nachtrag am 12.11.2013: Die Staatsanwaltschaft hat nach Abschluss der Vorermittlungen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen. Es sei nicht von einem strafbaren Verstoß gegen das Parteiengesetz auszugehen.
Die „Akte Denk“ verrät auch, welche Schwierigkeiten die Staatsanwaltschaft München I hatte. Immerhin mussten Münchner Kripo-Beamte gegen eigene Kollegen recherchieren, teilweise gegen ihre Ex-Kollegen. Deshalb wurden 2012 die Ermittlungen den Münchnern entzogen und einem „neutralen“ Nürnberger Kommissariat übertragen. Den Fall lösen konnten auch die Franken nicht. Der diskutierte Beleg könnte auch über Aktenzugriff von Staatsanwälten und Rechtsanwälten an den Journalisten gelangt sein, deutet unter anderem der Schlussbericht an.
Telefonüberwachung?
Nach dreieinhalb Jahren verfügte die Staatsanwaltschaft München I, dass der Journalist selbst zum Verhör geladen wird. Er verweigerte die Aussage. Rechtsanwalt Dr. Rehbock ist fest davon überzeugt, dass sein Mandant der Telefonüberwachung unterlag. Bestätigt fühlt er sich durch die Reaktion der Münchner Staatsanwaltschaft, die sich dazu nicht äußern wollte. Kurzzeitig, so ergibt sich aus der Akte, war überlegt worden in den Redaktionsräumen und bei seinem Anwalt eine Hausdurchsuchung durchzuführen. Das Ansinnen wurde vom Bayerischen Justizministerium mit Verweis auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes verworfen. Ob es zur Anklage gegen den Journalisten kommt, liegt in der Entscheidung der Staatsanwaltschaft München I.
Gebremster Ermittlungseifer gegen Schottdorf
Mit gebremstem Eifer geht die Justiz gegen den CSU-nahen Augsburger Laborunternehmer Dr. Bernhard Schottdorf vor. Dieser hat sich mit einem fragwürdigen Abrechnungssystem möglicherweise mit einer hohen dreistelligen Millionensumme an den Gesundheitskassen vergriffen. Das Verfahren gegen ihn ist vor dem Landgericht Augsburg bis heute nicht eröffnet worden. Die Anklageschrift datiert vom Februar 2012. Die Schadenssumme, vermutlich schön gerechnet, ist mit 78 Millionen angegeben. Aber was ist das schon gegen einen unbotmäßigen Journalisten…